Leo Trotzki: Die Spanische Tragödie [Nach Unser Wort, Nr. 2-3 (93-94), Mitte März 1939, S. 3] Eine der tragischsten Seiten der modernen Geschichte geht jetzt in Spanien Ihrem Ende entgegen. Auf Seiten Francos haben wir weder eine starke Armee noch die Unterstützung durch das Volk. Dort sahen wir nur die Gehässigkeit der Besitzenden, die bereit sind, drei Viertel der Bevölkerung in Blut zu ersticken, nur um ihre Herrschaft über das übrige Viertel aufrechtzuerhalten. Doch diese kannibalische Grausamkeit genügt nicht, um einen Sieg über das heroische spanische Proletariat zu erringen. Franco brauchte Hilfe von der anderen Seite der Front. Und er erhielt diese Hilfe. Sein Haupthelfer war und bleibt — Stalin, der Totengräber der bolschewistischen Partei und der proletarischen Revolution. Der Fall der großen proletarischen Hauptstadt Barcelona ist die direkte Vergeltung für die Niederschlagung des Aufstandes der Barcelonaer Arbeiter vom Mai 1937. Wie bedeutungslos Franco selbst auch ist, wie erbärmlich seine Clique von Abenteurern, ohne Ehre, ohne Gewissen und ohne militärische Talente, seine große Überlegenheit liegt darin, dass er ein klares und bestimmtes Programm hat: Bewahrung und Festigung des kapitalistischen Eigentums, der Herrschaft der Ausbeuter und der Kirche, Wiederherstellung der Monarchie. Die besitzenden Klassen aller kapitalistischen Länder – ob faschistisch oder demokratisch – zeigten sich naturgemäß auf Seiten Francos. Die spanische Bourgeoisie ist vollständig in Francos Lager übergegangen. An der Spitze des republikanischen Lagers blieben nur die verabschiedeten «demokratischen» Schildträger der Bourgeoisie. Diese Herren konnten nicht auf die Seite des Faschismus überlaufen, da die Quellen ihres Einflusses und ihrer Einkünfte gerade in den Institutionen der bürgerlichen Demokratie lagen, die zum normalen Funktionieren Anwälte, Deputierte, Journalisten, kurz die demokratischen Schildträger des Kapitalismus nötig haben (oder nötig hatten!). Das Programm der Azaña und Co. ist – Heimweh nach den vergangenen Tagen. Das ist wirklich keine angemessene Basis. Die «Volksfront» nahm ihre Zuflucht zu Demagogie und Illusionen, um die Massen hinter sich zu bekommen. Für eine gewisse Periode hatte sie dabei Erfolg. Die Massen, die die ersten Erfolge der Revolution gesichert hatten, verharrten in dem Glauben, dass die Revolution zu ihrem logischen Abschluss kommen, das heißt einen Umsturz in den Eigentumsverhältnissen vollbringen, den Bauern Land geben und die Fabriken in die Hände der Arbeiter überführen würde. Die dynamische Kraft der Revolution bestand gerade in dieser Hoffnung der Massen auf eine bessere Zukunft. Aber die Herren Republikaner taten alles, was in ihrer Macht war, um die teuersten Hoffnungen der Massen mit Füßen zu treten, zu beschmutzen oder einfach in Blut zu ertränken. Das Ergebnis war, dass wir im Laufe der beiden letzten Jahre das Misstrauen und den Hass der Arbeiter und Bauern gegenüber den republikanischen Cliquen wachsen sahen. Verzweiflung oder stumpfe Indifferenz ersetzten nach und nach den revolutionären Enthusiasmus und den Aufopferungsgeist. Die Massen wandten denen, die sie betrogen und mit Füßen getreten hatten, den Rücken zu. Das ist der Hauptgrund für die Niederlage der republikanischen Truppen. Der Inspirator des Betrugs und der Niedermetzelung der revolutionären Arbeiter Spaniens war Stalin. Die Niederlage der spanischen Revolution fällt als ein neuer unauslöschlicher Schandfleck auf die schon ganz mit Schmutz bedeckte Kremlbande. Der Sturz von Barcelona fügt dem Weltproletariat einen furchtbaren Schlag zu, aber er bedeutet auch eine große Lehre. Die Mechanik der spanischen «Volksfront» als organisiertes System des Betrugs und Verrats der ausgebeuteten Massen wurde vollständig bloßgelegt. Die Losung «Verteidigung der Demokratie» hat wieder einmal ihr reaktionäres Wesen und zugleich ihre Hohlheit offenbart. Die Bourgeoisie will ihr System der Ausbeutung verewigen. Die Arbeiter wollen sich von der Ausbeutung befreien. Das sind die wirklichen Aufgaben der Grundklassen der modernen Gesellschaft. Erbärmliche Cliquen kleinbürgerlicher Agenten, die das Vertrauen und die Subsidien der Bourgeoisie verloren haben, wollten die Vergangenheit retten, ohne dem morgigen Tage irgendeine Konzession zu machen. Unter dem Firmenschild der «Volksfront» gründeten sie eine Aktiengesellschaft. Unter Stalins Führung sicherten sie die furchtbarste Niederlage, wo alle Vorbedingungen des Sieges vorhanden waren. Das spanische Proletariat bewies außergewöhnliche Fähigkeit zu Initiative und revolutionärem Heroismus. Die Revolution wurde durch jämmerliche, verächtliche und höchst korrupte «Führer» zu Grunde gerichtet. Der Sturz Barcelonas bedeutet vor allem den Sturz der zweiten und dritten Internationale, sowie des durch und durch verfaulten Anarchismus. Auf zu einem neuen Wege, Arbeiter! Auf zum Wege der internationalen .sozialistischen Revolution! |
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