Leo Trotzki: Bonapartismus, Faschismus und Krieg [Fragment. Nach Schriften über Deutschland, Band 2, Frankfurt am Main 1971, S. 732-741] In seinem sehr prätentiösen, sehr verwirrten und einfältigen Artikel versucht Dwight Macdonald, uns die Ansicht zu unterschieben, der Faschismus sei einfach eine Wiederholung des Bonapartismus. Größeren Unsinn könnte man kaum erfinden. Wir haben den Faschismus in seiner Entwicklung analysiert, seine verschiedenartigen Phasen, und bald den einen, bald den andern Aspekt hervorgehoben. Im Faschismus steckt ein Moment von Bonapartismus. Ohne dies, ohne dass infolge extremer Verschärfung des Klassenkampfes die Staatsgewalt sich über die Gesellschaft erhebt, wäre der Faschismus nicht möglich gewesen. Aber wir haben von Anfang an hervorgehoben, dass es sich um Bonapartismus in der Epoche des imperialistischen Niedergangs handelt, der sich qualitativ vom Bonapartismus der Epoche des bürgerlichen Aufstiegs unterscheidet. Auf der nächsten Etappe haben wir den reinen Bonapartismus als Prolog zum faschistischen Regime charakterisiert. Denn der reine Bonapartismus nähert sich der Herrschaft eines Monarchen und … in Italien … Im Nachkriegs-Italien war die Situation durch und durch revolutionär. Das Proletariat hatte alle Chancen … Die Regierungen Brüning, Schleicher und die Präsidentschaft Hindenburgs in Deutschland, die Regierung Pétain in Frankreich, alle haben sich als instabil erwiesen oder werden sich als instabil erweisen. In der Epoche des imperialistischen Niedergangs ist der rein bonapartistische Bonapartismus völlig inadäquat; für den Imperialismus ist es unerlässlich, das Kleinbürgertum zu mobilisieren und das Proletariat unter seinem Gewicht zu erdrücken. Der Imperialismus kann dies Werk nur unter der Bedingung vollbringen, dass das Proletariat sich als unfähig erweist, die Macht zu erobern, während die soziale Krise das Kleinbürgertum zu wütender Verzweiflung treibt. Die Schärfe der sozialen Krise resultiert daraus, dass bei der heutigen Konzentration der Produktionsmittel, d. h. unter den Bedingungen der von den Trusts errichteten Monopole, das Wertgesetz – der Markt – schon nicht mehr imstande ist, die ökonomischen Verhältnisse zu regulieren. Staatsintervention wird zur absoluten Notwendigkeit. Soweit das Proletariat … Der jetzige Krieg ist, wie wir bei mehr als einer Gelegenheit festgestellt haben, eine Fortsetzung des vorigen. Aber Fortsetzung bedeutet nicht Wiederholung. In der Regel bedeutet eine Fortsetzung eine Entwicklung, eine Vertiefung, eine Verschärfung. Unsere Politik, die Politik des revolutionären Proletariats gegenüber dem zweiten imperialistischen Kriege ist eine Fortsetzung jener Politik, die während des vorigen imperialistischen Krieges – vor allem unter Leitung Lenins – erarbeitet worden ist. Auch hier bedeutet Fortsetzung nicht einfach Wiederholung, sondern Weiterentwicklung, Vertiefung und Verschärfung. 1914 wurden wir überrascht Während des letzten Krieges war nicht nur das Proletariat als ganzes, sondern auch seine Avantgarde und – in gewissem Sinne – die Avantgarde dieser Avantgarde unvorbereitet. Die Ausarbeitung der Prinzipien einer revolutionären Politik gegenüber dem Kriege begann zu einer Zeit, als der Krieg schon voll entbrannt war und der Militärapparat unumschränkte Herrschaft ausübte. Ein Jahr nach Kriegsausbruch war die kleine revolutionäre Minderheit noch gezwungen, sich auf der Zimmerwalder Konferenz einer zentristischen Mehrheit anzupassen. Vor und selbst nach der Februarrevolution fühlten sich die revolutionären Elemente nicht als Kämpfer um die Macht, sondern nur als extreme linke Opposition. Selbst Lenin verlegte die sozialistische Revolution in eine mehr oder weniger entfernte Zukunft. (1915 oder 1916 schrieb er in der Schweiz: (Zitat).) Wenn Lenin die Situation so einschätzte, braucht man von den anderen gar nicht erst zu reden. Diese politische Haltung der extremen Linken kam besonders deutlich in der Frage der Vaterlandsverteidigung zum Ausdruck. 1915 erwähnte Lenin in seinen Schriften revolutionäre Kriege, die das Proletariat zu führen haben würde. Aber das war ein Problem in unbestimmter historischer Perspektive, nicht eine Aufgabe für morgen. Die Aufmerksamkeit des revolutionären Flügels war auf die Frage der Verteidigung des kapitalistischen Vaterlands konzentriert. Natürlich beantworteten die Revolutionäre diese Frage negativ. Das war völlig richtig. Diese rein negative Antwort diente als Grundlage für die Propaganda und die Erziehung der Kader, aber sie konnte die Massen, die keinen fremden Eroberer wollten, nicht überzeugen. Vor dem Krieg stellten die Bolschewiki in Russland vier Fünftel der proletarischen Avantgarde – der Arbeiter, die am politischen Leben (Zeitungen, Wahlen usw.) teilnahmen. Nach der Februarrevolution ging die unumschränkte Herrschaft in die Hände der Vaterlandsverteidiger, der Menschewiki und Sozialrevolutionäre über. Zwar eroberten die Bolschewiki binnen acht Monaten die überwältigende Mehrheit der Arbeiter, aber entscheidend dafür war nicht die Weigerung, das Bourgeois-Vaterland zu verteidigen, sondern die Losung „Alle Macht den Räten!“ – und nur diese revolutionäre Parole. Die Kritik am Imperialismus, am Militarismus, die Weigerung, die bürgerliche Demokratie zu verteidigen usw. – das hätte niemals die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf die Seite der Bolschewiki gebracht. In allen übrigen kriegführenden Ländern mit Ausnahme Russlands war der revolutionäre Flügel gegen Kriegsende … Sofern das Proletariat sich in einer bestimmten Phase als unfähig erweist, die Macht zu erobern, beginnt der Imperialismus, das Wirtschaftsleben mit seinen eigenen Methoden zu regeln; die faschistische Partei, die zur Staatsmacht wird, ist der politische Mechanismus dazu. Die Produktivkräfte stehen in unversöhnlichem Widerspruch nicht nur zum Privateigentum, sondern auch zu den Grenzen der Nationalstaaten. Der Imperialismus ist Ausdruck dieses Widerspruchs. Durch Ausdehnung der Grenzen, Eroberung neuer Territorien usw. sucht der imperialistische Kapitalismus diesen Widerspruch zu lösen. Der totalitäre Staat, der alle Seiten des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens dem Finanzkapital unterwirft, ist das Instrument zur Schaffung eines übernationalen Staates, eines imperialistischen Empires, der Weltherrschaft. Alle diese Züge des Faschismus haben wir einzeln und in ihrer Gesamtheit in dem Maße analysiert, wie sie manifest wurden oder in den Vordergrund traten. Die Stunde des Faschismus Die theoretische Analyse wie die reiche historische Erfahrung des letzten Vierteljahrhunderts zeigen in gleichem Maße, dass der Faschismus jedes Mal die Schlussphase eines spezifischen politischen Zyklus bildet, der aus folgenden Momenten besteht: schwerste Krise der kapitalistischen Gesellschaft; steigende Radikalisierung der Arbeiterklasse; wachsende Sympathie für die Arbeiterklasse und Sehnsucht nach einer Veränderung beim ländlichen und städtischen Kleinbürgertum; äußerste Verwirrung beim Großbürgertum, das mit feigen und betrügerischen Manövern versucht, den revolutionären Siedepunkt zu vermeiden; Erschöpfung des Proletariats, zunehmende Verwirrung und Indifferenz; Verschärfung der sozialen Krise; Verzweiflung des Kleinbürgertums, das noch immer eine Veränderung ersehnt; kollektive Neurose des Kleinbürgertums – seine Bereitschaft, an Wunder zu glauben, seine Bereitschaft für Gewaltmaßnahmen; wachsende Feindseligkeit gegenüber dem Proletariat, das die kleinbürgerlichen Erwartungen enttäuscht hat. Das sind die Voraussetzungen für die rasche Formierung einer faschistischen Partei und für deren Sieg. Es ist ganz evident, dass die Radikalisierung der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten erst die Anfangsphasen durchlaufen hat, fast ausschließlich auf den Bereich der Gewerkschaftsbewegung (CIO) beschränkt ist. Die Vorkriegsperiode und dann der Krieg selbst können diesen Prozess der Radikalisierung zeitweilig unterbrechen, vor allem wenn eine beträchtliche Anzahl von Arbeitern von der Kriegsindustrie aufgesogen wird. Aber diese Unterbrechung des Radikalisierungsprozesses kann nicht von langer Dauer sein. Die zweite Etappe der Radikalisierung wird dann viel deutlicher zum Ausdruck kommen. Das Problem der Schaffung einer unabhängigen Arbeiterpartei wird auf der Tagesordnung stehen. Unsere Übergangsforderungen werden große Popularität gewinnen. Die reaktionären, faschistischen Strömungen werden in den Hintergrund treten, eine defensive Haltung einnehmen und einen für sie günstigeren Augenblick abwarten. Das ist die nächste Perspektive. Nichts ist unwürdiger, als darüber zu spekulieren, ob es uns gelingen wird, eine starke revolutionäre Führungspartei aufzubauen. Voraus liegt eine günstige Perspektive, die den revolutionären Aktivismus vollauf rechtfertigt. Es ist nötig, die Chancen, die sich auftun, zu nutzen und die revolutionäre Partei aufzubauen.
Die Arbeiter vor der Machtfrage Der Zweite Weltkrieg wirft – sehr viel dringlicher als der Erste – das Problem des Regimewechsels auf. Es ist zunächst und vor allem eine Frage des politischen Regimes. Die Arbeiter wissen, dass die Demokratie überall Schiffbruch erleidet und dass sie vom Faschismus selbst in jenen Ländern bedroht sind, wo es jetzt noch keinen Faschismus gibt. Die Bourgeoisie der demokratischen Länder wird natürlich diese Furcht der Arbeiter vor dem Faschismus ausnutzen; auf der anderen Seite aber zwingt der Bankrott der Demokratien, ihr Zusammenbruch, ihre schmerzlose Umwandlung in Diktaturen die Arbeiter, sich mit dem Problem der Macht zu beschäftigen, – sie werden für diese Frage interessiert. Die Reaktion verfügt heute vielleicht über größere Macht als je zuvor in der modernen Geschichte der Menschheit. Aber es wäre ein unentschuldbarer Fehler, nur die Reaktion zu sehen. Der historische Prozess ist ein widersprüchlicher. Unter der Decke offizieller Reaktion vollziehen sich in den Massen tiefgreifende Prozesse, sie sammeln Erfahrung und werden für neue politische Perspektiven empfänglich. Die alte konservative Tradition des demokratischen Staats, die selbst in der Ära des letzten imperialistischen Krieges noch so stark war, existiert heute nur noch als ein höchst labiles Relikt. Am Vorabend des letzten Krieges hatten die europäischen Arbeiter zahlenmäßig starke Parteien. Aber auf deren Tagesordnung standen Reformen, Teilerfolge, – keineswegs die Machteroberung. Die amerikanische Arbeiterklasse hat selbst heute noch keine Arbeiter-Massenpartei. Aber die objektive Lage und die Erfahrung, die die amerikanischen Arbeiter gesammelt haben, können binnen kurzem die Frage der Machteroberung auf die Tagesordnung setzen. Diese Perspektive müssen wir zur Basis unserer Agitation machen. Es handelt sich für uns nicht nur um die Haltung zum kapitalistischen Militarismus und um die Weigerung, den Bourgeois-Staat zu verteidigen, sondern um die direkte Vorbereitung zur Machteroberung und zur Verteidigung des proletarischen Vaterlandes. Können sich nicht die Stalinisten an die Spitze einer neuen revolutionären Erhebung stellen und die Revolution zugrunde richten, wie sie es in Spanien und früher in China gemacht haben? Natürlich lässt sich eine solche Möglichkeit nicht ausschließen, z. B. in Frankreich. Die erste Welle der Revolution hat oft – oder genauer: immer – jene „linken" Parteien an die Spitze gebracht die sich in der vorhergehenden Periode nicht völlig diskreditiert haben und hinter denen eine imponierende politische Tradition steht. So trug die Februarrevolution die Menschewiki und Sozialrevolutionäre empor, die noch am Vorabend der Revolution ihre Gegner waren. So brachte die deutsche Novemberrevolution die Sozialdemokraten an die Macht, – unversöhnliche Feinde revolutionärer Erhebungen. Vor zwölf Jahren schrieb Trotzki in einem in „The New Republic“ veröffentlichten Artikel: „Keine Epoche der Menschheitsgeschichte war so von Antagonismen erfüllt wie die Gegenwart. Unter der mächtigen Spannung der Klassenkämpfe und der internationalen Gegensätze brennen die Sicherungen der Demokratie durch. Daher die Kurzschlüsse der Diktatur. Natürlich geben die schwächsten ,Sicherungen‘ zuerst nach. Aber der Druck der inneren und äußeren Gegensätze des Weltkapitalismus fällt nicht, sondern steigt … Es ist zweifelhaft, dass sie sich beruhigen werden, zumal der Prozess bisher nur die Peripherie der kapitalistischen Welt erreicht hat. Die Gicht beginnt ihr Werk im kleinen Finger einer Hand oder im großen Zeh; ist aber ein Anfang gemacht, ruht sie nicht, bis sie zum Herzen vorgedrungen ist“ („‘The New Republic“, 22. Mai 1929). Der amerikanische Philister protestiert Das wurde zu einer Zeit geschrieben, als die gesamte bürgerliche Demokratie in allen Ländern glaubte, Faschismus sei nur in rückständigen Ländern möglich, die die Schule der Demokratie noch nicht absolviert hätten. Der Redaktionsstab der „New Republic“, der damals von den Segnungen der GPU noch unberührt war, fügte Trotzkis Artikel einen eigenen hinzu. Der Artikel ist so typisch für den amerikanischen Spießbürger, dass wir die interessantesten Passagen zitieren wollen: „In Anbetracht seines persönlichen Missgeschicks zeigt der exilierte russische Führer eine bemerkenswerte Kraft zur objektiven Analyse; aber seine Objektivität ist die des strengen Marxisten und scheint uns eine realistische Geschichtsbetrachtung, deren er sich rühmt, auszuschließen. Seine Auffassung, dass die Demokratie eine Schön-Wetter-Form der Regierung darstellt die den Stürmen internationaler oder innenpolitischer Auseinandersetzungen nicht gewachsen ist, lässt sich (wie er selbst halbwegs zugibt) nur dann halten, wenn man als Beispiele solche Länder heranzieht, in denen die Demokratie über die schwächsten Anfänge nie hinausgekommen ist und zudem die industrielle Revolution noch kaum begonnen hat.“ Im weiteren weist die Redaktion von „The New Republic“ das Beispiel der Kerenski-Demokratie in Russland zurück, die sich als unfähig erwies, den Klassenkämpfen standzuhalten und darum einer revolutionären Perspektive den Platz räumen musste. Die Zeitschrift bemerkt weise: „Kerenskis Schwäche war ein historischer Zufall, was Trotzki nicht zugeben kann, weil in seinem mechanistischen Schema für Derartiges kein Platz ist,“ Genau wie Dwight Macdonald hat „The New Republic“ die Marxisten beschuldigt, sie seien aufgrund ihrer orthodoxen oder mechanischen Deutung politischer Ereignisse unfähig, Geschichte realistisch aufzufassen. „The New Republic“ vertrat die Meinung, der Faschismus sei ein Produkt kapitalistischer Unterentwicklung, nicht von Überreife. Nach Auffassung dieser Zeitschrift, die sich, wie ich wiederholen möchte, mit der der überwältigenden Mehrheit der durchschnittlichen demokratischen Spießbürger deckte, ist der Faschismus das Los rückständiger bürgerlicher Länder. Die weise Redaktion machte sich nicht einmal die Mühe, darüber nachzudenken, wieso im neunzehnten Jahrhundert allgemein die Überzeugung herrschte, unterentwickelte Länder müssten sich demokratisch entwickeln. Jedenfalls setzte sich die Demokratie in den alten kapitalistischen Ländern zu einer Zeit durch, als das Niveau ihrer wirtschaftlichen Entwicklung nicht über, sondern unter dem der wirtschaftlichen Entwicklung des heutigen Italiens lag. Mehr noch: In jener Epoche war die Demokratie die Hauptstraße der geschichtlichen Entwicklung, die nach und nach von allen Ländern betreten wurde, wobei die zurückgebliebenen den entwickelteren folgten und ihnen mitunter vorausgingen. Unsere Ära hingegen ist die Ära des Zusammenbruchs der Demokratie; er beginnt bei den schwächeren Gliedern, dehnt sich aber schrittweise auch auf diejenigen aus, die stark und unbezwingbar schienen. Die orthodoxe, mechanische, d. h. marxistische Interpretation der Ereignisse befähigte uns, den Lauf der Entwicklung viele Jahre vorher vorauszusehen. Die realistische Deutung der „New Republic“ glich hingegen der eines blinden Kätzchens. „The New Republic“ blieb bei ihrer kritischen Einstellung zum Marxismus, indem sie unter den Einfluss der abstoßendsten Karikatur des Marxismus geriet – des Stalinismus. Das neueste Aufgebot der Philister Die meisten Philister des jüngsten Aufgebots basieren ihre Angriffe gegen den Marxismus auf der Tatsache, dass, entgegen Marx Prognose, an Stelle des Sozialismus der Faschismus kam. Nichts ist dümmer und vulgärer als diese Kritik, Marx zeigte und führte den Nachweis, dass, wenn der Kapitalismus ein bestimmtes Entwicklungsniveau erreicht, der einzige Ausweg für die Gesellschaft in der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, also im Sozialismus liegt. Er zeigte auch, dass in Anbetracht der Klassenstruktur der Gesellschaft einzig das Proletariat imstande ist, diese Aufgabe in einem unversöhnlichen revolutionären Kampf gegen die Bourgeoisie zu erfüllen. Ferner zeigte er, dass das Proletariat zur Lösung dieser Aufgabe eine revolutionäre Partei braucht. Sein ganzes Leben lang führte Marx, mit ihm und nach ihm Engels und nach ihnen Lenin einen unversöhnlichen Kampf gegen jene Züge proletarischer, sozialistischer Parteien, die die Lösung der revolutionären geschichtlichen Aufgabe verhinderten, Die Unversöhnlichkeit des Kampfes, den Marx, Engels und Lenin einerseits gegen den Opportunismus, andererseits gegen den Anarchismus führten, zeigt, dass sie diese Gefahr keineswegs unterschätzt haben. Worin bestand sie? Darin, dass der Opportunismus der Führung der Arbeiterklasse, die dem Einfluss der Bourgeoisie unterliegt, die Erfüllung der revolutionären Aufgabe hindern, verlangsamen, schwieriger machen, aufschieben könnte. Gerade diese gesellschaftliche Situation haben wir heute, Der Faschismus kam keineswegs „an Stelle“ des Sozialismus. Der Faschismus ist die Fortsetzung des Kapitalismus, ein Versuch, dessen Existenz mit bestialischen und monströsen Mitteln zu verlängern. Der Kapitalismus erhielt die Gelegenheit, zum Faschismus seine Zuflucht zu nehmen, nur darum, weil das Proletariat die sozialistische Revolution nicht rechtzeitig durchführte. Das Proletariat wurde bei der Erfüllung seiner Aufgabe durch die opportunistischen Parteien gelähmt. Das einzige, was man sagen kann, ist, dass sich der Weg der revolutionären Entwicklung des Proletariats als reicher an Hindernisten, Schwierigkeiten und Etappen erwiesen hat, als die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus voraussahen. Der Faschismus und die Serie von imperialistischen Kriegen sind eine furchtbare Schule, in der sich das Proletariat von kleinbürgerlichen Traditionen und kleinbürgerlichem Aberglauben, von opportunistischen, demokratischen und abenteurerischen Parteien befreien muss, – in der es die revolutionäre Avantgarde schmieden und schulen muss und sich so auf die Lösung der Aufgabe vorbereitet, ohne die es für die Entwicklung der Menschheit keine Hoffnung gibt. Eastman ist zu dem Schluss gekommen, dass die Konzentration der Produktionsmittel in Händen des Staates seine „Freiheit“ gefährdet, und hat sich deshalb entschlossen, dem Sozialismus abzusagen. Diese Anekdote verdient, in einer Geschichte der Ideologie Aufnahme zu finden. Die Sozialisierung der Produktionsmittel ist die einzige Lösung des ökonomischen Problems auf der jetzigen Stufe der Entwicklung der Menschheit. Die Verzögerung der Lösung dieses Problems führt zur Barbarei des Faschismus. Alle Zwischenlösungen, die die Bourgeoisie mit Hilfe des Kleinbürgertums versucht hat, sind kläglich gescheitert. All dies ist für Eastman völlig uninteressant. Er bemerkte, dass seine „Freiheit“ (die Freiheit zur Verwirrung, die Freiheit der Gleichgültigkeit, der Passivität und des literarischen Dilettantismus) von verschiedenen Seiten her bedroht war, und beschloss unmittelbar, dagegen seine eigene Schutzmaßregel zu treffen: auf den Sozialismus zu verzichten. Erstaunlich genug. dass diese Entscheidung weder auf Wallstreet noch auf die Politik der Gewerkschaften einen Einfluss hatte. Das Leben ging weiter, gerade so, als wäre Max Eastman Sozialist geblieben. Als allgemeine Regel kann man festhalten, dass, je ohnmächtiger ein kleinbürgerlicher Radikaler, speziell in den Vereinigten Staaten ist, desto … In Frankreich hat der Faschismus nicht gesiegt In Frankreich gibt es keinen Faschismus im strengen Sinne des Wortes. Das Regime des greisen Marschalls Pétain ist eine senile Form von Bonapartismus in der Epoche des imperialistischen Niedergangs. Aber auch dieses Regime wurde erst möglich, nachdem die verzögerte Radikalisierung der französischen Arbeiterklasse, die zur Explosion vom Juni 1936 führte, keinen revolutionären Ausweg gefunden hatte. Die Zweite und Dritte Internationale, die reaktionäre Scharlatanerie der „Volksfront“ täuschte und demoralisierte die Arbeiterklasse. Nach fünf Jahren Propaganda für eine Allianz der Demokratien und für kollektive Sicherheit, nach Stalins plötzlichem Übergang in das Lager Hitlers, erwies sich die französische Arbeiterklasse als unvorbereitet. Der Krieg rief eine furchtbare Desorientierung und die Stimmung eines passiven Defätismus hervor, – genauer gesagt: ausweglose Apathie. Aus dieser Verflechtung von Umständen entstand zuerst die beispiellose militärische Niederlage und dann das verächtliche Pétain-Regime. Gerade weil Pétains Regime seniler Bonapartismus ist, hat es keinerlei Stabilität und kann durch eine revolutionäre Massenerhebung viel früher gestürzt werden als ein faschistisches Regime. Besonders wichtig für amerikanische Arbeiter In jeder politischen Diskussion erhebt sich unweigerlich die Frage: Wird es uns gelingen, eine starke Partei für den Augenblick der Krise zu schaffen? Wird uns der Faschismus nicht zuvorkommen? Ist eine faschistische Entwicklungsphase nicht unvermeidlich? Die Erfolge des Faschismus lassen die Menschen leicht jede Perspektive verlieren und verführen sie dazu, die wirklichen Bedingungen zu vergessen, die das Erstarken und den Sieg des Faschismus ermöglicht haben, Aber ein klares Verständnis dieser Bedingungen ist besonders für die Arbeiter der Vereinigten Staaten wichtig. Wir können als historisches Gesetz formulieren: Der Faschismus konnte nur in solchen Ländern siegen, wo konservative Arbeiterparteien das Proletariat davon abhielten, die revolutionäre Situation auszunutzen und die Macht zu erobern. In Deutschland kamen zwei revolutionäre Situationen in Frage: 1918-19 und 1923. Sogar 1929 war noch ein direkter Kampf des Proletariats um die Macht möglich. In allen drei Fällen verhinderten die Sozialdemokratie und die Komintern durch Verbrechen und Fehler die Machteroberung und stießen damit die Gesellschaft in eine Sackgasse. Nur unter diesen Bedingungen und in dieser Situation wurde der stürmische Aufstieg des Faschismus möglich, nur so kam er an die Macht. |
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