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Leo Trotzki 19380323 Diskussionen mit Trotzki: IV – Eine Zusammenfassung der Übergangsforderungen

Leo Trotzki: Diskussionen mit Trotzki: IV – Eine Zusammenfassung

der Übergangsforderungen

23. März 1938

[eigene Übersetzung nach The Transitional Program for Socialist Revolution, New York ³1977, p. 129-140, verglichen mit der französischen Übersetzung]

Trotzki: In den vorangegangenen Diskussionen hatten einige Genossen den Eindruck, dass einige meiner Vorschläge oder Forderungen opportunistisch seien und andere, dass sie zu revolutionär seien und nicht der objektiven Situation entsprächen. Diese Kombination ist sehr kompromittierend, und deshalb werde ich diesen scheinbaren Widerspruch kurz verteidigen.

Wie ist die allgemeine Lage in den USA und auf der ganzen Welt? Die Wirtschaftskrise ist beispiellos, die Finanzkrise der einzelnen Staaten desgleichen, und die Kriegsgefahr nähert sich. Es ist eine soziale Krise ohne Beispiel. Sieben, acht oder neun Jahre lang glaubten wir, dass der amerikanische Kapitalismus mehr Widerstand zeigen würde, aber Tatsachen haben gezeigt, dass der amerikanische Kapitalismus, das heißt der apoplektische Kapitalismus, möglicherweise näher am Zusammenbruch ist als andere. Die amerikanische Krise ist eine soziale Krise, keine konjunkturelle. Diese soziale Krise – jetzt Rezession genannt – bekam Merkmale extremer Akutheit. Es ist nicht das Ende der Rezession.

Finanzielle Schwierigkeiten der Staaten – natürlich ist die Nation sehr reich und der Staat kann von der Nation borgen, aber es bedeutet, dass wir auf der Grundlage der Finanzkrise eine Krise des Staates haben. Wir können sagen, dass wir eine politische Krise der herrschenden Klasse haben. Der Wohlstand ist weg; niemand glaubt, dass er zurückkehren wird. Und diese Tatsache spiegelt sich in der politischen Krise der Demokraten und Republikaner wider. Die herrschenden Klassen sind desorganisiert, und sie suchen nach einem neuen Programm. Roosevelts Programm ist im kapitalistischen Sinne experimentell, um nicht zu sagen abenteuerlich. Das bedeutet eine grundlegende Voraussetzung für eine revolutionäre Lage. Es ist für die Welt wahr und es gilt für die USA – möglicherweise gilt es besonders für die USA.

Nun die Frage des Proletariats. Wir haben eine sehr große Veränderung in der Lage der Arbeiterklasse. In einigen Artikeln im Socialist Appeal und in der New International habe ich mit Interesse und Freude erfahren, dass jetzt das Gefühl des amerikanischen Arbeiters wächst, dass er ein Arbeiter ist; dass es nicht der alte Pioniergeist ist, dass er nur für eine Zeit ein Arbeiter sei; jetzt ist er ein dauerhafter Arbeiter und sogar ein dauerhafter Arbeitsloser. Das ist die Grundlage für alle anderen Entwicklungen in der Arbeiterklasse. Dann hatten wir Sitzstreiks. Von ihnen glaube ich, dass sie in der Arbeiterbewegung der USA beispiellos waren. Als Ergebnis dieser Bewegung die Schaffung und das Wachstum des CIO. Auch haben wir die Tendenz, die Arbeiterpartei, die LNPL, aufzubauen.

Ich kenne die Vergangenheit oder Gegenwart der Arbeiterbewegung in Amerika nicht gut genug. Aber im Allgemeinen kann ich sagen, dass die Bewegung 1924 imposanter war, aber die sozialen Voraussetzungen jetzt unvergleichlich reifer sind. Deshalb ist die Bedeutung der Arbeiterpartei jetzt größer. Aber ich werde nicht sagen, dass alle Bedingungen in gleichem Maße oder auf demselben Niveau entwickelt sind. Wir können sagen, wenn wir die allgemeine Weltlage betrachten – die imperialistischen Widersprüche; die Stellung des amerikanischen Kapitalismus; die Krise und die Arbeitslosigkeit; die Stellung des amerikanischen Staates als Ausdruck der amerikanischen Wirtschaft, der amerikanischen Bourgeoisie; die politische Geistesverfassung der herrschenden Klasse, die Orientierungslosigkeit; und dann die Stellung der Arbeiterklasse – wir können sagen, wenn wir all dies in Betracht ziehen, dass die Voraussetzungen für die Revolution reif sind.

Insofern wir von diesen Grundvoraussetzungen zum Überbau, zur Politik vorstoßen, bemerken wir, dass sie nicht so reif ist. Die inneren Widersprüche des amerikanischen Kapitalismus – Krise und Arbeitslosigkeit – sind unvergleichlich reifer für eine Revolution als das Bewusstsein der amerikanischen Arbeiter. Dies sind die zwei Pole der Lage. Wir können sagen, dass die Lage durch eine Überreife aller grundlegenden sozialen Voraussetzungen für die Revolution gekennzeichnet ist, eine Tatsache, die ich persönlich vor acht oder neun Jahren nicht vorausgesehen habe.

Auf der anderen Seite bleibt dank dieser1 Schnelligkeit der Zersetzung der materiellen Verhältnisse der USA, das Massenbewusstsein – trotz der Tatsache, dass wir hier auch wichtige Fortschritte erzielen können – im Vergleich zu den objektiven Bedingungen zurück. Wir wissen, dass die subjektiven Bedingungen – das Bewusstsein der Massen, das Wachstum der revolutionären Partei – kein grundlegender Faktor sind. Es hängt von der objektiven Situation ab; in letzter Instanz hängt das subjektive Element selbst von den objektiven Bedingungen ab, aber diese Abhängigkeit ist kein einfacher Vorgang.

Wir haben in Frankreich während des letzten Jahres ein sehr wichtiges und für die Genossen in den USA sehr lehrreiches Phänomen beobachtet. Man kann sagen, dass die objektive Situation fast so reif war wie in den USA. Die Arbeiterbewegung hatte einen gewaltigen Anstoß erhalten. Die Gewerkschaften wuchsen während weniger Monate von weniger als einer Million auf fünf Millionen. Die Sitzstreiks in Frankreich waren unvergleichlich mächtiger als in den USA. Die Arbeiter waren bereit, alles zu tun, um bis zum Ende zu gehen. Auf der anderen Seite sahen wir die Maschinerie der Volksfront – zum ersten Mal konnten wir die historische Bedeutung des Verrats der Komintern demonstrieren. Insofern als die Komintern für einige Jahre eine Maschine zur sozialen Erhaltung des Kapitalismus geworden war, erhielt das Missverhältnis zwischen den objektiven und subjektiven Faktoren eine schreckliche Akutheit, und die Volksfront wurde zur größten Bremse, um diesen großen revolutionären Massenstrom zu kanalisieren. Und sie waren bis zu einem gewissen Grad erfolgreich. Wir können nicht vorhersehen, was morgen sein wird, aber in Frankreich gelang es ihnen, die Bewegung der Massen einzufangen, und wir sehen jetzt die Ergebnisse: Die Bewegung nach rechts – Blum wird ein Führer, derjenige, der nationale Regierungen bildet, die Union Sacrée für den Krieg – aber es ist ein sekundäres Phänomen. Das Wichtigste ist, dass wir in der ganzen Welt wie in den USA dieses Missverhältnis zwischen dem objektiven und dem subjektiven Faktor haben, aber es war nie so akut wie jetzt.

Wir haben in den USA eine Bewegung der Massen, um dieses Missverhältnis zu überwinden; die Bewegung von Green zu Lewis; die Bewegung von Walker zu La Guardia. Dies ist ein Schritt, um den grundlegenden Widerspruch zu überwinden. Der KP spielt in den USA die gleiche Rolle wie in Frankreich, aber in einem bescheideneren Umfang. Der Rooseveltismus ersetzt den Volksfrontismus von Frankreich. Unter diesen Bedingungen ist unsere Partei aufgerufen, den Arbeitern zu helfen, diesen Widerspruch zu überwinden.

Was sind die Aufgaben? Die strategischen Aufgaben bestehen darin, den Massen zu helfen, ihre Mentalität politisch und psychologisch an die objektive Situation anzupassen, die vorurteilshaften Traditionen der amerikanischen Arbeiter zu überwinden und sie [ihre Mentalität] an die objektive Lage der sozialen Krise des ganzen Systems anzupassen.

In dieser Lage – wenn wir die wenigen Erfahrungen berücksichtigen und dann die Schaffung des CIO, die Sitzstreiks etc. betrachten – haben wir das volle Recht, optimistischer, mutiger, aggressiver in unserer Strategie und Taktik zu sein – nicht Abenteurer, aber Losungen aufzustellen, die nicht im Vokabular der amerikanischen Arbeiterklasse sind.

Welchen Sinn hat das Übergangsprogramm? Wir können es ein Aktionsprogramm nennen, aber für unsere strategische Konzeption ist es ein Übergangsprogramm – es ist eine Hilfe für die Massen, die ererbten Ideen, Methoden und Formen zu überwinden und sich an die Erfordernisse der objektiven Lage anzupassen. Dieses Übergangsprogramm muss die einfachsten Forderungen enthalten. Wir können lokale und gewerkschaftliche Forderungen nicht vorhersehen und vorschreiben, die an die lokale Situation einer Fabrik angepasst sind, die Entwicklung von dieser Forderung zur Losung für die Schaffung eines Arbeitersowjets.

Das sind beide extreme Punkte, von der Entwicklung unseres Übergangsprogramms die Verbindungsglieder zu finden und die Massen zur Idee der revolutionären Eroberung der Macht zu führen. Deshalb erscheinen einige Forderungen sehr opportunistisch – weil sie der tatsächlichen Mentalität der Arbeiter angepasst sind. Deshalb erscheinen andere Forderungen zu revolutionär – weil sie eher die objektive Situation widerspiegeln als die tatsächliche Mentalität der Arbeiter. Es ist unsere Pflicht, diese Lücke zwischen objektiven und subjektiven Faktoren so kurz wie möglich zu halten. Deshalb kann ich die Bedeutung des Übergangsprogramms nicht überschätzen.

Sie können den Einwand erheben, dass wir den Rhythmus und das Tempo der Entwicklung nicht vorhersagen können und dass die Bourgeoisie möglicherweise eine politische Ruhepause finden wird. Das ist nicht ausgeschlossen – aber dann müssen wir einen strategischen Rückzug verwirklichen. Aber in der gegenwärtigen Lage müssen wir uns auf eine strategische Offensive und nicht auf einen Rückzug konzentrieren. Diese strategische Offensive muss von der Idee der Schaffung von Arbeitersowjets zur Schaffung einer Arbeiter- und Bauernregierung geleitet werden. Ich schlage nicht vor, dass die Losung von Sowjets sofort aufgestellt wird – aus vielen Gründen und vor allem, weil das Wort nicht die Bedeutung für die amerikanischen Arbeiter hat, die es für die russischen Arbeiter hatte –, um daraus zur Diktatur der Proletariat voranzuschreiten. Es ist sehr gut möglich und wahrscheinlich, dass wir auf die gleiche Weise, wie wir die Sitzstreiks in den USA beobachtet haben, in einer neuen Form das Gegenstück zu Sowjets beobachten werden. Wahrscheinlich werden wir damit beginnen, ihnen einen anderen Namen zu geben. In einer gewissen Zeit können Sowjets durch Fabrikkomitees ersetzt werden, dann von einem lokalen auf einen nationalen Maßstab. Wir können nicht voraussagen, aber unsere strategische Ausrichtung für die nächste Periode ist die Ausrichtung auf Sowjets. Das gesamte Übergangsprogramm muss die Lücken zwischen den Bedingungen von heute und den Sowjets von morgen füllen.

Shachtman: Würden Sie die Kriegsaussichten international und in Bezug auf die USA heute ausarbeiten?

Trotzki: In dieser strategischen Perspektive bedeutet der Krieg, wie Lenin es ausdrückte, einen gewaltigen Beschleuniger der Bewegung. Wenn die USA in einen Krieg verwickelt würden, würde das zunächst für uns Isolation bedeuten, aber nicht für Jahre wie im letzten Krieg, sondern nur für Monate. Dann wird eine große Welle der Sympathie für uns unsere Partei innerhalb kurzer Zeit in ein nationales revolutionäres Zentrum verwandeln. In diesem Sinne ist der nahende Krieg einer der fundamentalen Faktoren einer vorrevolutionären Situation und wird die Mentalität der amerikanischen Arbeiter in sechs Monaten mehr verändern, als wir es in sechs Jahren oder mehr hätten tun können. [Der Krieg] wird für uns außergewöhnlich günstige Bedingungen schaffen, vorausgesetzt, wir haben eine strategische Haltung, sehen voraus, bereiten unsere eigenen Kader vor und werden nicht nur von kleinen Fragen absorbiert. Natürlich ist es eine enorme Errungenschaft, dass wir in den Gewerkschaften verwurzelt sind, aber es ist sehr wichtig, unsere strategische Weltlinie nicht zu verlieren. Jede lokale, partielle, ökonomische Forderung muss ein Ansatz für eine allgemeine Forderung in unserem Übergangsprogramm sein – besonders für die Kriegsfrage, wie wir gestern erwähnt haben: die Kontrolle der Kriegsindustrie und die Bewaffnung der Arbeiter und Bauern.

Shachtman: Zwei andere Fragen: Was ist unsere Beziehung zu den Bauern? Und was ist das Verhältnis der Partei zu den städtischen Mittelschichten?

Trotzki: Ich glaube, es geht darum, den Arbeitern die Lage des Bauern zu erklären und wie wir die Lage verbessern können. Wir sind zu schwach, um unsere Kräfte direkt den Bauern zu widmen, aber es ist notwendig, dass unsere Arbeiter ein klares Verständnis der Lage des Bauern haben; und auch dort müssen wir ein Übergangsprogramm haben, das mit dem der Arbeiter verbunden ist. Wir müssen erklären, dass wir keine Kollektivierung erzwingen werden, dass wir hoffen, sie zu überzeugen; sofern sie unabhängig bleiben wollen, werden wir ihnen durch Kredit helfen; und wir beginnen mit der Losung, dass der Staat zugunsten der Bauern, nicht der Trusts intervenieren muss. Dann sagen wir: Wenn wir an der Macht sind, ist es keine Frage der Gewalt gegen euch – ihr werdet eure eigenen Methoden wählen.

Es ist Übergang nur in dem Sinne, dass es von der gegenwärtigen Lage der Bauern zur Kollektivierung der Landwirtschaft eine Brücke bildet. Aber wir sagen: Wenn ihr nicht weiter gehen wollt, warten wir.

Mit der Mittelschicht der Städte ist es dasselbe. Soweit es die Handelselemente sind, die kleinen Industriellen: ihr werdet unabhängig bleiben. Ihr seid jetzt von den Trusts abhängig. Ihr werdet vom Staat abhängig sein; er wird euch Waren geben und ihr werdet sie verkaufen. Wenn ihr euren Laden in einen Staatsladen verwandeln wollen, werden wir die Angelegenheit mit euch regeln. Wir werden euch eine Periode zum Wählen geben, aber es wird eine gute Periode sein, da es kein Staat im Interesse des großen Kapitals ist. Ihr werdet dann im Dienst des Volkes sein. In Amerika werdet ihr eure sozialen Privilegien für einige Zeit erhalten.

Natürlich können wir den Technikern nicht sagen, dass sie Technokraten sein werden – nein, wir können keine neue Aristokratie zulassen; aber sie werden ein wichtiger Teil der Gesellschaft sein.

Rivera: Auch unter den Ingenieuren gibt es eine Schicht, die weniger Geld bekommt als die Gipser. Das bedeutet, dass sie schlicht Arbeiter sind und das ist besser für uns.

Trotzki: Die Schichtung in den freien Berufen ist sehr wichtig.

Cannon: Was wäre die Wirkung des Krieges?

Shachtman: Angenommen, es ist ein europäischer Krieg, in den die USA noch nicht eintreten?

Trotzki: In diesem Fall werden die USA eine Verschiebung des wirtschaftlichen Zusammenbruchs haben. Was klar ist ist, dass in den am Krieg beteiligten Ländern der Zusammenbruch nicht in vier bis sechs Jahren, sondern in sechs bis zwölf Monaten eintreten wird, weil die kapitalistischen Länder materiell nicht reicher, sondern ärmer sind als 1914; technisch sind sie reicher – sie werden vier, fünf oder zehn Mal mehr für die Zerstörung ausgeben als während des [Ersten] Weltkrieges, weil der Krieg dort beginnt, wo der letzte Krieg endete. Der psychologische Faktor – dass die alte Generation, die am letzten Krieg teilgenommen hat, noch lebt und die Traditionen des letzten Krieges lebendig sind – niemand wird glauben, dass es Glück, volle Rechte, Zerstörung des Militarismus bedeuten wird und dass die Produktion für die Menschheit sein wird. Diese Lehren bestehen sogar in den jüngeren Generationen. Deshalb wird ihre Geduld nicht lange anhalten. Und die Revolution wird nicht nach vier Jahren kommen, sondern viel früher, nach einigen Monaten. Wenn wir diesen Krieg geschmiedet und gestählt beginnen und wenn wir in der Lage sind, die Hindernisse der ersten Periode mit Mut zu überwinden, werden wir in den USA ebenso wie anderswo die entscheidende Kraft werden.

Cannon: Kann Enteignung als Verstaatlichung angesehen werden, von der die Reformisten gesprochen haben?

Trotzki: Wir müssen betonen, dass die Macht nicht in unseren Händen liegt, wenn sie in den Händen Roosevelts liegt. Wir müssen das Klassenelement jedes Mal unterstreichen. Wir müssen unsere Formel der der Reformisten gegenüberstellen: Verstaatlichung? Ja; aber in wessen Händen?

Cannon: Wie lange können sich die USA Ihrer Meinung nach aus dem Krieg heraus halten?

Trotzki: Ich glaube, sie werden am Anfang nicht eingreifen, aber es hängt nicht nur von den USA ab – es hängt von der Aktivität Japans und der Haltung Großbritanniens ab. Es ist sehr schwer zu sagen, aber wir müssen mit viel kürzeren Intervallen rechnen als im letzten Krieg, als sie zweieinhalb Jahre gebraucht haben, um einzugreifen. Jetzt in zweieinhalb Jahren wird es einen totalen Zusammenbruch geben.

Wenn sie den Krieg beeinflussen wollen, müssen sie in einem viel kürzeren Zeitraum und in beispielloser Weise in Europa und überall eingreifen und Kräfte konzentrieren, die zehnmal stärker sind als die Kräfte Wilsons, die nicht zehn oder mehr Millionen Arbeitslose hatten. Man kann sagen, dass all diese Arbeitslosen von der Kriegsindustrie absorbiert werden, aber das bedeutet die Schaffung einer schrecklichen Pumpe, um alle Reichtümer der Nation aufzusaugen.

Shachtman: Sind Sie der Meinung, dass die Sowjetunion mit einem Staat gegen den anderen sein wird, oder werden die Imperialisten Hitler erlauben, im Westen, und Japan, im Osten anzugreifen?

Trotzki: Ich glaube nicht, dass sie einen so vernünftigen Plan haben werden. Ich glaube, der Krieg wird mit der Sowjetunion in einem der Lager beginnen und während des Krieges werden sie die Sowjetunion zerschlagen – als Verbündete oder als Feinde, das ist egal – es sei denn, eine Revolution findet statt.

Shachtman: Wie erklärt sich dann der Politikwechsel in Großbritannien?

Trotzki: Es ist ein Versuch – es ist für Italien ebenso wichtig wie für Großbritannien –, ob sie sich einigen können, und wenn ja, ob das Abkommen länger als drei Monate dauern wird; ob Italien wie im letzten Krieg zurücktritt und sich den Stärkeren oder dem stärker Scheinenden anschließt. Ich habe die Frage möglicher Bündnisse und Gruppierungen im Falle eines Krieges in einem Artikel für die bürgerliche Presse aufgegriffen, aber er wurde nicht veröffentlicht. Vielleicht wird unsere Presse ihn veröffentlichen.

Shachtman: Nun zu der Arbeit der Partei im Kampf gegen den Krieg. Sie sagen, und ich denke, es ist richtig, dass, wenn und sobald der Krieg in den USA ausbricht, die erste Reaktion der Arbeiter eine schreckliche chauvinistische Welle sein wird, und dann wird unsere Partei illegal gemacht werden. Wie funktionierte die russische Partei illegal, inwieweit hat sie versucht, legal zu funktionieren etc.?

Trotzki: Die Partei hatte damals eine Parlamentsfraktion, und sie hatte die größte Bedeutung. Dieser Fraktion war zu Beginn des Krieges nicht ganz in Ordnung, aber nach und nach, unter dem Druck Lenins und der wachsenden Unzufriedenheit, wurden sie revolutionärer. Dann wurden sie verhaftet. Das war Anfang 1915 – es blieben ihnen nur sechs bis acht Monate für die Aktivität. Sie haben keine Parlamentsfraktion, aber ich glaube, Ihre Vorbereitung auf die Illegalität ist Ihre Arbeit in den Gewerkschaften – es ist die wichtigste Schule für illegale Arbeit. In Minneapolis haben unsere Genossen jetzt mehr oder weniger eine günstige Position und einen Block mit den „ehrlichen Reformisten", aber ein Krieg wird kommen und die „ehrlichen Reformisten" werden die chauvinistischsten sein, und unsere Genossen werden, auch wenn sie vorsichtig sind von ihnen angegriffen werden; Sie werden mit uns brechen und einen Block mit den Stalinisten bilden und werden unsere Genossen beschuldigen, Spione für Deutschland und Japan zu sein. In anderen Gewerkschaften haben wir keine so günstige Position wie in Minneapolis – Druck wird auf unsere Genossen ausgeübt werden, um sie zu beseitigen. Deshalb müssen wir unsere Arbeit in den Gewerkschaften für legale und illegale Arbeit schon jetzt organisieren. Um Zeit zu haben, unsere Kader zu organisieren, um die Bürokraten zu ersetzen, sollten diese Elemente mehr oder weniger illegal sein, d.h. nicht als Vertreter der Vierten Internationale bekannt sein. In jedem Fall, wenn die Lage mehr oder weniger scharf oder akut wird, wenn unsere Genossen ausgeschlossen sind, bleibt eine neue Mannschaft übrig, um sie zu ersetzen, und ich glaube, dass diese Arbeit die wichtigste Vorbereitung auf illegale Arbeit ist.

Oft fragen mich Genossen, ob wir keine besondere Schule schaffen könnten – das ist eine künstliche Schöpfung; aber unsere wichtigste Arbeit ist jetzt die KP, um sogar in das Büro einzudringen. Wir müssen in den Gewerkschaften repräsentative Genossen haben, die offen erklären, dass sie für die Vierte Internationale sind, aber diese Genossen werden die ersten Opfer der Bürokratie beim Herannahen oder dem Beginn des Krieges und die offizielle Polizei wird die Arbeit den Gewerkschaftsbürokraten überlassen, um sie auszuschließen und ihnen ihre Mittel zu nehmen. Deshalb müssen wir junge Leute vorbereiten oder Leute, die nicht so gut Reden halten können, aber gute Organisatoren sind; sie können inkognito bleiben. Unter diesem Gesichtspunkt haben Sie eine günstigere Lage als in Russland, weil es absolut unwahrscheinlich ist, dass die Regierung die Gewerkschaften verbieten wird. Sie werden versuchen, die Zusammenarbeit der Gewerkschaftsbürokraten zu haben, und es wird uns möglich sein, uns zu verstecken – wir werden sympathisierende Elemente haben. Und dann wird es die große Welle der Trauer der Mütter geben, und dies wird sich in der Stimmung in den Gewerkschaften widerspiegeln. Dann werden wir sagen, dass wir euch gewarnt haben, wie der Krieg ist.

Am Anfang können wir nicht aggressiv sein – es ist fast physisch unmöglich. Es wird ausreichen, wenn unsere Genossen vor der chauvinistischen Welle nicht kapitulieren.

Shachtman: Was ist mit dem Zentralkomitee?

Trotzki: Es ist eine zu spezifische Frage, die nach der allgemeinen Lage entscheiden werden muss; es hängt von der Autorität der Genossen und den Lebensbedingungen ab. Ein Teil des Zentralkomitees muss sofort in den Untergrund gehen, und der andere Teil muss sehr vorsichtig bleiben und sofort versuchen, illegale Verbindungen herzustellen.

Shachtman: Ich habe diese Frage aus einem anderen Blickwinkel gestellt: Sollten die Mitglieder des Zentralkomitees eine öffentliche Erklärung abgeben?

Trotzki: Ja, einige von ihnen müssen das tun, aber sie müssen einen Anwalt konsultieren, um es so zu formulieren, dass sie keinen Grund für ein Kriegsgericht bekommen. Dennoch sollte die Erklärung klar genug sein, dass wir später sagen können: Wir haben euch gewarnt. Und dies sollte durch klarere Erklärungen im Namen der Partei, illegale Flugblätter usw. ergänzt werden. Einige werden verhaftet und zum Symbol für die offenen Aktivitäten der Partei werden.

Shachtman: Was ist mit der Zeitung?

Trotzki: Habt eine Zeitung, auch ohne Namen; sie wird zu einem Konzentrationspunkt für die Arbeiter, selbst wenn die Linie nicht voll entwickelt ist, selbst wenn sie bloß dem Krieg entgegensteht.

Cannon: Ist es für den Socialist Appeal ratsam, diese Linie einzunehmen, oder ist es besser, dass wir ihn unterdrücken lassen und eine andere Zeitung haben?

Trotzki: Lass den Appeal lieber unterdrücken. Auch wenn der Appeal nicht verboten wird, denke ich, dass eine andere Zeitung geschaffen werden sollte.

Shachtman: Wie haben die Bolschewiki ihre Propaganda während des Krieges verteilt?

Trotzki: Illegal.

Shachtman: Natürlich.

Trotzki: Illegale Publikationen; deshalb ist es wichtig, eine Presse zu haben. Sie werden Glück haben, eine Mimeographiermaschine zu haben.

Karsner: Sind kulturelle Organisationen in solchen Zeiten nicht sehr nützlich?

Trotzki: Ja, und zuerst die Gewerkschaften.

[Anmerkung des Stenografen: Etwas Diskussion wurden von Shachtman auch über die Losung von gewerkschaftlich kontrollierten bewaffneten Arbeitern eingeleitet. Er sagte, dass wir mit dem gegenwärtigen Kräfteverhältnis zu schwach seien, um unseren Zweck zu erfüllen. Wenn die Losung von den Gewerkschaften angenommen würde, würde es eine Armee gegen uns werden und ihr würde von den Bürokraten die gleiche Ideologie wie von der Regierung gelehrt werden. Trotzki glaubte nicht, dass die Losung von der Gewerkschaftsbürokratie akzeptiert würde.]2

1Im englischen Original statt „dank dieser“ nur „diese“, hier korrigiert nach der französischen Übersetzung.

2Die eingeklammerte Passage fehlt in der französischen Übersetzung.

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