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Leo Trotzki 19380322 Diskussionen mit Trotzki : III – Der Kampf gegen den Krieg und der Ludlow-Verfassungszusatz

Leo Trotzki: Diskussionen mit Trotzki: III – Der Kampf gegen den Krieg

und der Ludlow-Verfassungszusatz

22. März 1938

[eigene Übersetzung nach The Transitional Program for Socialist Revolution, New York ³1977, p. 119-128, verglichen mit der französischen Übersetzung]

Shachtman: Ich denke, dass das Problem als eine Zusammenfassung der Diskussionen, die wir im Nationalkomitee [der Socialist Workers Party] hatten, auf das Folgende hinausläuft: Es gibt in den USA eine beachtliche Stimmung gegen die Kriegsgefahr, sowohl unter der Arbeiterklasse als auch sogar bürgerlichen Elementen; dieses Gefühl wurde durch den Krieg in China, durch den Panay-Vorfall, durch das beispiellose Militärbudget Roosevelts und durch die allgemeine Instabilität der Lage in Europa verstärkt. Sie fühlen, dass die USA in zwei oder drei Jahren in einen Krieg stürzen werden.

Im Moment besteht kein Zweifel, dass 99 Prozent, wenn nicht sogar mehr, der Massenstimmung gegen Krieg rein pazifistisch sind. Das ist vollkommen verständlich. Eine revolutionäre Position zum Krieg ist auf einen sehr kleinen Kreis von Radikalen und Marxisten beschränkt. Unser Problem besteht darin, unsere grundlegende revolutionäre proletarische Position gegenüber dem Krieg im Gegensatz zur allgemeinen pazifistischen Agitation in der Praxis zu vertreten und gleichzeitig an einer breiteren Antikriegsbewegung teilzunehmen, was bedeutet, sich gegenwärtig an einer Bewegung zu beteiligen, die, wenn nicht grundsätzlich, dann überwiegend, pazifistisch, sogar national-patriotisch ist. Die Sozialistische Partei (SP) und die Lovestoneisten haben nun eine Verbindung gebildet und ein so genanntes „Keep America Out of War Committee" [Haltet-Amerika-aus-dem-Krieg-raus-Komitee“] geschaffen. Im Wesentlichen ist es das gleiche wie die alte Münzenberg-Bewegung – die Liga gegen den Krieg etc. – außer dass die programmatische Erklärung dieses „Keep America Out of War"-Komitees weit rechts von der Münzenberg-Bewegung ist.

Trotzki: Wer sind die Leiter dieses Komitees?

Shachtman: Norman Thomas, Lovestone und Homer Martin haben für sie gesprochen, aber ich weiß nicht, ob Martin Mitglied des Komitees ist. Er hielt eine Antikriegs-, aber zugleich patriotische Rede. Sie haben einige pensionierte Generäle, die Isolationisten sind. Wie weit sich diese Bewegung entwickeln wird, ist schwer zu sagen. Bis jetzt bleibt sie in den Händen dieses Komitees; Sie basiert nicht auf einer Organisation. Sie planen jetzt einen nationalen Kongress.

Trotzki: Hat das Komitee jetzt Einfluss?

Shachtman: Nein. Es spiegelt wider, wofür der durchschnittliche Amerikaner steht – gegen den Krieg in Europa und in Asien und gegen die Entsendung von Truppen, aber wenn wir angegriffen werden, verteidigen wir uns usw. usf. Wir hatten zum Beispiel ein konkretes Problem in Cleveland, wo wir einen sehr aktiven Genossen haben, Cochran. Die SP und die Lovestoneisten organisierten eine Massenversammlung mit Charles Beard und Homer Martin als Rednern. Die SP und Lovestoneisten haben sich an unseren Genossen mit dem Vorschlag gewandt, dass er ein Unterstützer dieser Versammlung wird. Er schrieb uns, damit wir es genehmigen. Wir haben es genehmigt, aber nicht sehr begeistert. Später in den Diskussionen im PK ging die Idee in die andere Richtung, denn sie hatten die Redner, wir nicht; Cochran sollte ein Unterstützer sein, sollte aber nicht sprechen.

Cannon: Das ist noch nicht entschieden – wir sagten ihm, er solle versuchen zu sprechen.

Shachtman: Aber ich glaube nicht, dass er es wird. Formell haben die Lovestoneisten und die Sozialisten auch keine Sprecher.

Wir haben ein Programm zum Krieg verabschiedet, in dem eine Reihe von Minimalforderungen gestellt werden. Auf der Grundlage dieser Forderungen haben wir eine Standardresolution erarbeitet, die in den Gewerkschaften angenommen und überall verbreitet werden soll.

Die Position ist extrem schwierig, und ich denke nicht, dass irgendjemand von uns es ziemlich klar bis zum Ende sieht; und es besteht die große Gefahr, dass beim Sprung in eine – dem Charakter nach pazifistische – sogenannte Massenbewegung gegen Krieg die revolutionäre Erziehung der Vorhut vernachlässigt wird. Zur gleichen Zeit, sich der Bewegung nicht anzuschließen belässt uns immer noch hauptsächlich in einer Propaganda-Position.

Mit dem Streit über den Ludlow-Verfassungszusatz sind Sie bereits vertraut. Sie haben die angenommenen und abgelehnten Anträge gesehen.

Cannon: Zur Frage dieses Komitees: es ist auf diese Weise entstanden: Norman Thomas hat ein paar Dutzend Personen in sein Haus eingeladen – Schriftsteller, alte Damen, die für den Frieden sind, Lovestoneisten und Liston Oak – aber keinen von uns. Oak schlug vor, dass wir eingeladen würden, aber sie lehnten es ab. Sie beschlossen ein Treffen, in dem Männer wie La Follette sprechen sollten – Sie kennen seine Politik – und ein pensionierter General, und Thomas und Wolfe, der für die Lovestoneisten spricht. Einige Genossen denken, dass wir in dieses Gremium gehen sollten. Aber wir haben es nicht getan. Wir haben es angegriffen. Nach seinem Charakter ist es eine Karikatur der Barbusse-Sache. Sie gründen Komitees in anderen Bundesstaaten und wollen einen Kongress in Washington abhalten. Ihr Appell richtet sich an die Bürger, nicht an die Arbeiter. [Er händigt eine Kopie ihres Aufrufs an Trotzki aus.]

Die andere Seite der Frage ist der Ludlow-Verfassungszusatz. Der Komitee hat dagegen Stellung genommen. Minneapolis macht eine andere Politik im Northwest Organizer; und Cochran in Cleveland ist gegen unseren Standpunkt zum Verfassungszusatz. Mehr oder weniger ist seine Position wie Ihre, obwohl er Ihren Brief nicht kannte. Die Position des Komitees seit damals ist ein wenig modifiziert, aber sie muss noch geklärt werden. Dann bleibt die Frage, ob wir in den Gewerkschaften Resolutionen gegen den Krieg vorlegen sollen. Wir würden dann eine solche Resolution in Minneapolis einführen und sie als Minneapolis-Resolution popularisieren.

Dunne: Wir haben die Resolution bereits verabschiedet.

Cannon: Hier ist sie. Wir wünschen eine sorgfältige Kritik an ihr. [Die Resolution wird von allen Anwesenden gelesen.]1

Trotzki: Ich werde mit dem Ludlow-Verfassungszusatz als einer praktischen Frage beginnen, die uns, wie ich glaube, auf konkrete Weise in die allgemeine Frage einführen kann. Ich kann der Position des NK nicht zustimmen, weder der ersten noch der zweiten, dem von Shachtman gegen den Antrag von Burnham, und, ich glaube, Gould vorgeschlagenen und vom NK übernommen Antrag. Als ich dem Genossen Cannon in einem privaten Brief darüber schrieb, konnte ich mir damals nicht vorstellen, dass die Frage im Leben der USA so wichtig werden würde. Deshalb habe ich in diesem Brief meine eigene Position formuliert, ohne auf der Notwendigkeit zu bestehen, dass die amerikanische Organisation die Frage überdenkt. Aber jetzt habe ich aus den Zeitungen und besonders von den Genossen, die hier anwesend sind, erfahren, dass die Frage sich weiter entwickelt hat und eine sehr große Rolle spielen kann. Diese für sich genommen wichtige Frage ist auch symptomatisch für unsere Politik im Allgemeinen.

Die NK-Erklärung besagt, dass der Krieg nicht durch ein Referendum gestoppt werden kann. Das ist absolut richtig. Diese Behauptung ist Teil unserer allgemeinen Einstellung zum Krieg als unvermeidlicher Entwicklung des Kapitalismus, und wir können den Charakter des Kapitalismus nicht ändern oder mit demokratischen Mitteln abschaffen. Ein Referendum ist ein demokratisches Mittel, nicht mehr und nicht weniger. Indem wir die Illusionen der Demokratie zurückweisen, verzichten wir nicht auf diese Demokratie, solange wir nicht in der Lage sind, diese Demokratie durch die Errichtung eines Arbeiterstaates zu ersetzen. Im Prinzip sehe ich absolut kein Argument, das uns zwingen könnte, unsere allgemeine Einstellung zur Demokratie im Falle eines Referendums zu ändern. Aber wir sollten diese Mittel verwenden, wie wir Präsidentschaftswahlen oder die Wahlen in St. Paul benutzen; Wir kämpfen energisch für unser Programm.

Wir sagen: Das Ludlow-Referendum kann, wie andere demokratische Mittel, die kriminellen Aktivitäten der 60 Familien nicht aufhalten, die unvergleichlich stärker sind als alle demokratischen Institutionen. Das bedeutet nicht, dass ich auf demokratische Institutionen oder den Kampf für das Referendum oder den Kampf um das Wahlrecht amerikanischer Bürger ab dem Alter von 18 Jahren verzichte. Ich wäre dafür, dass wir einen Kampf darum einleiten; Menschen mit achtzehn sind reif genug, um ausgebeutet zu werden und somit, um zu wählen. Aber das ist nur in Klammern.

Nun wäre es natürlich besser, wenn wir sofort die Arbeiter und die armen Bauern mobilisieren könnten, um die Demokratie zu stürzen und sie durch die Diktatur des Proletariats zu ersetzen, die die einzige Möglichkeit ist, imperialistische Kriege zu vermeiden. Aber wir können es nicht tun. Wir sehen, dass große Massen von Menschen nach demokratischen Mitteln suchen, um den Krieg zu stoppen. Es gibt zwei Seiten: Eine ist völlig fortschrittlich, das heißt, der Wille der Massen, den Krieg der Imperialisten zu stoppen, das fehlende Vertrauen in ihre eigenen Vertreter. Sie sagen: Ja, wir haben Leute ins Parlament [Kongress] geschickt, aber wir möchten sie in dieser wichtigen Frage kontrollieren, die Leben und Tod für Millionen und Abermillionen Amerikaner bedeutet. Das ist ein durch und durch fortschrittlicher Schritt. Aber damit verbinden sie Illusionen, dass sie dieses Ziel durch nur diese Maßnahme erreichen können. Wir kritisieren diese Illusion. Die NK-Erklärung ist völlig korrekt, wenn sie diese Illusion kritisiert. Wenn der Pazifismus von den Massen kommt, ist das eine fortschrittliche Tendenz mit Illusionen. Wir können die Illusionen nicht durch Entscheidungen im Voraus, sondern in gemeinsamer Aktion zerstreuen.

Ich glaube, dass wir zu den Massen sagen können, ihnen offen sagen müssen: Liebe Freunde, unsere Meinung ist, dass wir die Diktatur des Proletariats errichten sollten, aber ihr seid noch nicht unserer Meinung. Ihr glaubt, dass ihr Amerika durch ein Referendum vom Krieg fernhalten könnt. Was werdet ihr machen? Ihr sagt, ihr habt nicht genug Vertrauen in den von euch gewählten Präsidenten und Kongress und möchtet diese durch ein Referendum kontrollieren. Gut, sehr gut, wir stimmen euch völlig zu, dass ihr lernen müsst, selbst zu entscheiden. Das Referendum in diesem Sinne ist eine sehr gute Sache, und wir werden es unterstützen. Ludlow schlug diesen Verfassungszusatz vor, aber er wird nicht dafür kämpfen. Er gehört nicht zu den sechzig Familien, aber gehört zu den fünfhundert Familien. Er hat diese parlamentarische Losung ins Leben gerufen, aber das ist ein sehr ernster Kampf und kann nur von Arbeitern, Bauern und den Massen geführt werden – und wir werden mit euch kämpfen. Die Leute, die diese Mittel vorgeschlagen haben, sind nicht bereit, dafür zu kämpfen. Das sagen wir euch im Voraus.

Dann werden wir nach und nach zu den Vorkämpfern dieses Kampfes. Bei jeder günstigen Gelegenheit sagen wir: Das ist nicht genug; die Magnaten der Kriegsindustrie haben ihre Verbindungen usw. usf.; wir müssen sie auch kontrollieren; wir müssen die Arbeiterkontrolle über die Kriegsindustrie herstellen. Aber auf der Grundlage dieses Kampfes in den Gewerkschaften werden wir die Vorkämpfer dieser Bewegung. Wir können sagen, dass es fast eine Regel ist. Wir müssen mit den Massen voranschreiten und nicht nur unsere Formeln wiederholen, sondern so sprechen, dass unsere Losungen für die Massen verständlich werden.

Das größte historische Beispiel ist das Beispiel der russischen bolschewistischen Partei. Ich werde es wiederholen, weil es wichtig ist. Von Anfang dieses Jahrhunderts bis 1917 – fast zwanzig Jahre lang – kämpften wir gegen die sogenannten Sozialrevolutionäre oder Volkstümler. Ihre Propaganda war für die Enteignung des Bodens und seine Aufteilung in gleiche Anteile. Wir haben dieses Programm als utopisch verurteilt. Wir haben erklärt, dass es im Kapitalismus unmöglich ist und im Sozialismus sich nicht die Frage der Aufteilung, sondern der Kollektivierung stellt. Der Kampf dauerte fast zwanzig Jahre. Es nahm 1883 mit der Schaffung der ersten marxistischen intellektuellen Gruppen von Plechanow und Axelrod eine theoretische Form an und wurde in diesem Jahrhundert sehr akut. Die wichtigste Demarkationslinie war die Linie des Agrarprogramms. Im Jahr 1917 haben die Bauern das Programm der SR angenommen – viele Kongresse haben dieses Programm angenommen: die Enteignung des Bodens und die Aufteilung in gleiche Parzellen unter den Bauern. Was haben wir in dieser Situation gemacht? Wir haben erklärt: Ihr werdet unser Programm nicht annehmen. Stattdessen haben ihr das Programm der SR angenommen. Das hat zwei Teile: die Enteignung des Bodens, die ein absolut fortschrittlicher Schritt ist; aber der andere Teil – die Aufteilung in gleiche Anteile – ist absolut utopisch. Aber ihr möchtet diese Erfahrung machen. Wir sind bereit, es [diesen Schritt] mit euch zu unternehmen. Aber wir sagen euch im Voraus, dass die SR nicht in der Lage sind, ihr eigenes Programm zu verwirklichen. Sie sind kleinbürgerlich und daher abhängig von der Großbourgeoisie. Dies ist nicht unser Programm, aber wir werden euch helfen, dieses Programm zu verwirklichen, das durch Illusionen kompliziert ist.

Die Lage ist jetzt anders – es ist keine revolutionäre Lage. Aber die Frage kann entscheidend werden. Das Referendum ist nicht unser Programm, aber es ist ein klarer Schritt vorwärts; die Massen zeigen, dass sie ihre Vertreter in Washington kontrollieren wollen. Wir sagen: Es ist ein progressiver Schritt, dass ihr eure Vertreter kontrollieren wollt. Aber ihr habt Illusionen und wir werden sie kritisieren. Gleichzeitig helfen wir euch bei der Verwirklichung eures Programms. Der Sponsor des Programms wird euch betrügen, wie die SR die russischen Bauern betrogen haben.

Der jüngste Antrag des NK zu dieser Frage ist nicht richtig: Wir werden für den Ludlow-Verfassungszusatz in Fällen stimmen, in denen es notwendig ist, ihm eine Mehrheit gegen die Stalinisten zu sichern – Entschuldigung, aber das ist absolut bürokratisch. Wie können Sie bei einer Massenversammlung sagen: „Wir werden beiseite stehen und sehen, wie die Abstimmung abläuft"? Das ist für die Massen unverständlich. Wir müssen die Vorkämpfer der Bewegung werden. Wir müssen Flugblätter veröffentlichen und unsere volle Position erläutern. Bei Gewerkschaftssitzungen und bei Bauerntreffen müssen wir sagen, dass wir die wahren Vorkämpfer der Bewegung sind. Aber diese Bewegung muss, wie die Frage der Arbeiterpartei, mit einem konkreten Programm verbunden sein, das dem Programm der Lovestonisten-Thomasisten entgegensteht. Ich stimme absolut zu, dass wir mit dem Komitee „Keep America Out of War" nichts zu tun haben sollten. Aber auch in dieser Frage können wir nicht in untätiger Opposition bleiben. Wir müssen ihr Programm studieren und es kritisieren. In diesem Fall ist die verständlichste, fortschrittlichste und revolutionärste Losung die Arbeiterkontrolle über die Militärindustrie, da jeder weiß, dass sie zum Krieg anstacheln. Wir sagen: Arbeiter, ihr entwickelt die Industrie nicht für das Vorwärtskommen des Vaterlandes, sondern für die Kriegspatrioten. Die Kontrolle der Kriegsindustrie ist Teil der Kontrolle der Industrie im Allgemeinen.

[er zitiert aus dem Flugblatt des Keep America Out of War Komitee und fährt fort:]

Das ist keine amerikanische Frage, wie es heißt, es ist eine Arbeiterfrage2. Ich glaube, dass wir auch die Losung berücksichtigen müssen, dass wir natürlich nicht gegen einen Krieg gegen Eroberer sind – aber er muss von einer Arbeiter- und Bauernarmee unter der Kontrolle der Gewerkschaften unter einer Arbeiter- und Bauernregierung geführt werden. Solch eine Armee hätte keine imperialistischen Ziele, aber wenn sie angegriffen würde usw. usf. Dieses Programm [zeigt auf die obige Broschüre] muss konkret betrachtet werden. Wir weisen darauf hin, dass es sich nicht um eine „amerikanische Zusammenarbeit für den internationalen Frieden" handelt, sondern um die Zusammenarbeit der amerikanischen Arbeiterklasse mit den Arbeitern der anderen Länder für den Frieden. Ich komme auf unsere Übergangslosungen, die Kontrolle der Kriegsindustrie und möglicherweise die Enteignung der sechzig Familien zurück, beginnend mit der Enteignung der Kriegsindustrie.

Cannon: Denken Sie, dass das Gewerkschaftsprogramm den Ludlow-Verfassungszusatz unterstützen sollte? Dann glaube ich auch, dass wenn wir die Enteignung der Kriegsindustrie nicht direkt bringen können, dann zumindest die Arbeiterkontrolle über die Kriegsindustrie.

Trotzki: Diese Leute [zeigt auf das Flugblatt] sind nicht einmal gute Pazifisten. Sie sagen: Wir wollen keine Vergrößerung der Armee, der Rüstung. Und was besteht, ist das dann in Ordnung? Wir sagen, dass diese Armee, die besteht, eine Armee gegen die Arbeiter und für den Krieg ist. Wenn sie echte Pazifisten wären, würden sie zumindest sagen: Abschaffung der Armee.

Wir wollen den Charakter der Armee ändern – dass die Arbeiter und Bauern bewaffnet sind, dass sie eine militärische Ausbildung unter der Kontrolle der Gewerkschaften bekommen – das ist nicht pazifistisch. Wir sagen, die Arbeiterkontrolle über die Kriegsindustrie als ein Schritt zur Enteignung – das ist kein Pazifismus.

Cannon: Was meinen Sie mit der Arbeiter- und Bauernregierung?

Trotzki: Man kann es unter zwei Gesichtspunkten betrachten: es kann nur hypothetisch als ein vergangenes Kapitel in der Geschichte Amerikas und als ein Kapitel in der Schulung der Massen diskutiert werden. Große Massen werden es in einem demokratischen parlamentarischen Sinn verstehen, aber wir werden versuchen, es in einem revolutionären Sinn zu erklären. Aber wir werden wieder sagen: Ihr könnt es nicht als Diktatur des Proletariats und der armen Bauern akzeptieren. Ihr möchtet Arbeiter- und Bauernkandidaten auf den Stimmzettel setzen. Wir werden euch helfen. Wenn diese Kandidaten gewählt werden und sie die Mehrheit sind, werden wir die Verantwortung für ihr Programm übernehmen? Nein, nein, ihr Programm ist nicht ausreichend. Hier ist unser Programm. Im Kongress werden wir eine Minderheit bleiben. Dann unterstreichen wir die Notwendigkeit nicht nur von unabhängigen Kandidaten, sondern auch von Kandidaten mit einem Programm. Es ist sehr gut möglich, dass unter unserem Einfluss und unter dem Einfluss anderer Faktoren eine Regierung von John Lewis, La Follette und La Guardia entsteht, und sie werden es eine Arbeiter-Bauern-Regierung nennen. Wir werden es dann mit aller Kraft ablehnen.

Im Jahr 1917 verkündeten wir den Arbeitern und Bauern: Ihr habt Vertrauen in die Sozialrevolutionäre und Menschewiki – und verpflichtet sie dann, die Macht gegen den Kapitalismus zu übernehmen. Das war ein korrekter Ansatz. Aber wir blieben in Opposition gegen Kerenski. Hätte er mit den Kapitalisten gebrochen und eine Koalition mit den Menschewiki und Sozialrevolutionären gebildet, wären wir in Opposition geblieben, aber diese Regierung wäre für uns ein Schritt zur Diktatur des Proletariats gewesen. Materiell hatten wir diese Regierung nicht – aber für die Schulung der Massen, für die Trennung der Massen von den Menschewiki und SR war es sehr wichtig. Wir haben diese Regierung gegen die Bourgeoisie akzeptiert und zu den Massen gesagt: Wenn ihr sie zwingen werdet, die Macht gegen die Kapitalisten zu übernehmen, werden wir euch helfen.

Shachtman: Wie unterscheiden Sie zwischen unserer Unterstützung des Ludlow-Verfassungszusatzes und unserer Haltung gegenüber Abrüstungsprogrammen, internationaler Schiedsgerichtsbarkeit usw.?

Trotzki: Sie haben nichts miteinander zu tun. Der Ludlow-Verfassungszusatz ist nur ein Weg für die Massen, ihre Regierung zu kontrollieren. Wenn der Ludlow-Verfassungszusatz angenommen und in die Verfassung aufgenommen wird, wird er absolut nicht mit Abrüstung vergleichbar sein, sondern mit der Einbeziehung der 18-Jährigen in das Wahlrecht. Ich werde sagen: Ihr Jungs werdet morgen Kanonenfutter sein; Heute sollt ihr das Wahlrecht haben. Das hat nichts mit Abrüstung zu tun, denn ich werde diesen Jungs nicht Abrüstung, sondern revolutionäre Verteidigung beibringen. Es ist ein demokratisches Mittel, nicht mehr und nicht weniger.

Cannon: Glauben Sie, dass es richtig war, in einem Gremium wie diesem nicht mitzumachen oder zu manövrieren, sondern es direkt anzugreifen?

Trotzki: Ja. Kritisieren Sie, greifen Sie sie an, weil sie nicht nur nicht Revolutionäre, sondern nicht einmal Pazifisten sind. Sie sind versteckte Agenten des Imperialismus. Ja, ich glaube, wir müssen sie gnadenlos angreifen. Ich glaube, wenn wir Bryans Programm betrachten, werden wir feststellen, dass er vor dem Krieg radikaler war. Dann wurde er Kriegsminister. Aber sein Programm war radikaler als dieses Komitee.

1An dieser und anderen Stellen fehlen eingeklammerte Passagen in der französischen Übersetzung

2In der französischen Übersetzung „allgemeine Frage“

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