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Leo Trotzki 19350226 Brief an Henk Sneevliet über die IAG-Konferenz

Leo Trotzki: Brief an Henk Sneevliet über die IAG-Konferenz

[eigene Übersetzung nach Writings of Leon Trotsky (1934-35), New York 1971, S. 187-195]

Lieber Freund

Ich habe Ihren Brief vom 21. Februar über die Konferenz des Amsterdamer Büros erhalten. Über den selben Gegenstand habe ich auch einen ziemlich ausführlichen Bericht des polnischen Genossen V. erhalten, der an der Konferenz als Besucher teilnahm. Ich habe auch eine Ausgabe der Emancipation, der Zeitung Doriots, vor mir, die einen Artikel und die erste Folge eines Berichts über die Konferenz enthielt. So unzureichend diese Informationen sein mögen (die Texte der angenommenen Resolutionen haben mich noch nicht vollständig erreicht), beeile ich mich trotzdem, Ihnen eine vorläufige Bewertung der Ergebnisse dieser Konferenz zukommen zu lassen.

1. Die Norwegische Arbeiterpartei (NAP) war nicht vertreten, d.h. sie hat auf ihre eigene Initiative genau in dem Moment den Bruch herbeigeführt, den sie dafür auswählte. Die NAP war die einzige wirkliche Massenpartei in der IAG. Die Formlosigkeit der IAG war immer teilweise durch die Notwendigkeit der Anpassung an die „große“ norwegische Partei erklärt und entschuldigt worden. Jetzt hat Tranmæl das Gefühl, dass er im Hafen angekommen ist, und sagt zum lieben Schwab: der Moor hat seine Schuldigkeit getan, der Moor kann gehen. Eine unschätzbare Lehre für alle diejenigen, die prinzipienlose Kombinationen als höchste Kunst der Politik betrachten.

2. Gleichzeitig hat Schwab mit uns auf feindselige Weise gebrochen – gerade wegen seiner Neigung hin zur großen norwegischen Partei. Er hat jetzt auf der rechten die einzige wirkliche Massenpartei verloren und auf der Linken alle Beziehungen mit der IKL abgebrochen, das heißt, der einen Organisation, die ein gewissen Maß an ideologischem Kapital mitten im gegenwärtigen Chaos in der ganzen Arbeiterbewegung darstellt. Und in der Zukunft wird er nicht besser fahren, weil unsere Epoche gnadenlos gegenüber Organisationen ist, die durch nichts Festeres als eine Reihe harmloser Formeln zusammengehalten werden

3. Die schwedische Partei scheint in einer Lage zu sein, die von der der NAP nicht verschieden ist. Die Schweden folgen Tranmæl auf seinem rechten Kurs und brauchen das Banner der IAG noch, aber nur vorläufig.

4. Die Tatsache, dass die ILP mit der Zweiten Internationale endgültig gebrochen hat, während sie ihre sterilen Ränke mit der Dritten Internationale fortsetzt, kann nicht als Fortschritt betrachtet werden. Wenn sich Fenner Brockway für die Vierte Internationale erklärt hätte und dann in die Labour Party zurückgekehrt wäre, wäre das ein wirklicher Schritt nach vorne gewesen.

5. 1874 schrieb Engels an Sorge über eine gewisse proudhonistsch-anarchistische Konferenz: „Allgemeine Uneinigkeit über alles Wesentliche, verdeckt dadurch, dass man nicht debattiert, sondern nur erzählt und anhört.“1 Diese prachtvolle Beschreibung passt wie ein Handschuh auf die Konferenz der IAG. Nur sind solche „Gemeinschaften“ in unserer Zeit sogar noch weniger dauerhaft als sie es vor 60 Jahren waren.

6. Es ist sehr ermutigend, zur Kenntnis zu nehmen, dass Schmidt eine so feste Einstellung für die Vierte Internationale vertrat. Aber das prägte den Charakter der Konferenz nicht. Ganz im Gegenteil. In dem ersten Artikel über die Konferenz, der mich erreichte, schloss Doriot nach einem Erguss von Gerede und leeren Phrasen mit einer einzigen konkreten, präzisen Bemerkung, nämlich: „Wir haben keine neue Internationale gebildet. Diese trotzkistische Idee wurde von der Konferenz sehr formell verurteilt.“ Alle anderen Teilnehmer gaben zweifellos ähnliche Berichte: allgemeine Phrasen über Wiederbelebung, Einheit, Kampf gegen den Krieg etc. mit der einzigen präzisen Tatsache: die Vierte Internationale und die Trotzkisten wurden verurteilt. Durch dieses „konkrete“ Ergebnis erreichen diese Herren ein gewissen Maß an Trost, mangels irgendwelcher anderen Erfolge. Es gibt ihnen eine Art moralischer Genugtuung. Wenn Sie den Brief noch einmal lesen, den ich Ihnen vor etwa eineinhalb oder zwei Monaten geschickt habe, werden Sie in ihm eine bescheidene Prophezeiung finden: die Herren werden sich von der Vierten Internationale reinwaschen und das wird den „positiven“ Inhalt der Konferenz bilden.

7. Die verheerende Auswirkung der SAP-Verwirrung ist in Doriots Leitartikel fast spürbar. Er schafft es, im gleichen Atemzug vom völligen Bankrott der Zweiten und Dritten Internationale zu sprechen und gleichzeitig „verurteilt er förmlich“ die Idee der Vierten Internationale. Das ist in der Idee der Walcher-Schule. Die Vierte Internationale muss im „Prozess“ entstehen und Walcher und seine Konferenzen scheinen mit dem „Prozess“ nichts zu tun zu haben. Vielleicht glaubt Walcher, dass es für den Prozess von Vorteil wäre, wenn Walcher sich in die Angelegenheiten der Vierten Internationale nicht einmischen würde. Ich werde immer mehr davon überzeugt, dass er mit dieser Ansicht vielleicht gar nicht falsch liegt. Die ganze Geschichte des Kampfs zwischen Bolschewismus und Menschewismus ist mit dem kleinen Wort „Prozess“ gesprenkelt. Lenin formulierte immer Aufgaben und schlug entsprechende Methoden vor. Die Menschewiki stimmten mit den selben „Zielen“ im Großen und Ganzen überein, aber überließen die Verwirklichung dem geschichtlichen Prozess. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

Wie ich gesagt habe, habe ich die Resolution der SAP nicht vor mir, aber ich kenne die Musik und den Dirigenten. Es ist die historische Mission von SAP-Dokumenten, die schlimmsten Wirrköpfe und Zentristen vor Bauchschmerzen zu bewahren.

8. Ein Versuch wurde gemacht, mit den Linken in der Zweiten Internationale zu manövrieren. Aber vergeblich. Und selbst wenn sie in diesem Bereich Erfolg gehabt hätten, hätte es nicht sehr lange gehalten. Unter dem Druck großer Ereignisse und großer Gefahren suchen die zentristischen Elemente, die in Bewegung geraten sind, entweder mächtige materielle Unterstützung oder ideologische Klarheit. Ein paar, meistens Skeptiker und Zyniker, versuchen einen Weg nach Moskau zu finden. Andere den Weg zu uns. Das Banner der SAP kann unter keinen Umständen eine Massenorganisation oder ernsthafte Tendenz über einen längeren Zeitraum anziehen.

Wenn wir die vor anderthalb Jahren fertiggestellte Vierererklärung geduldig und systematisch entwickelt hätten, gemeinsame Propagandadokumente herausgegeben hätten, unter dem Banner der Vierten Internationale Verbindungen eingegangen wären, dann würden wir einen deutlich größeren Eindruck auf die spanische Sozialistische Jugend, den österreichischen Schutzbund etc. machen. Der Verrat der SAP hat nur der stalinistischen Bürokratie gedient. Dieser Verrat hat uns beträchtliche Schwierigkeiten bereitet, aber er konnte unseren Weg nicht verändern.

9. Ein Antikriegskomitee wurde geschaffen und die belgische Linke wurde für dieses Komitee gewonnen. Aber wie Genosse V. berichtet, nimmt die belgische Linke eine rein pazifistische Sichtweise ein: „gegen alle Kriege“, „kein Unterschied zwischen der UdSSR und den kapitalistischen Staaten im Krieg“ etc. Mit einem Wort sentimental-reaktionärer spießiger Unsinn, der, wie es scheint, von der Konferenz nicht zurückgewiesen wurde. Wie könnte sie auch? Sie hatten genug zu tun, die Vierte Internationale zu verurteilen. Und dann wiederum, wenn die pazifistischen Spießer mit einer klaren Haltung konfrontiert worden wären, wäre das wunderbare Antikriegskomitee nie gebildet worden. Fünf einfache Arbeiter, die ernsthaft zu den leninistischen Prinzipien der Antikriegspolitik stehen, sind im Kriegsfall hundert mal wichtiger als diese Art von Komitee, das vom ersten Kriegswind wie ein Kartenhaus weggeblasen werden wird.

In jedem Fall versuchten die SAP-Leute die Konferenz oder vielmehr sich selbst zu trösten – opportunistische Losungen führen oft zu revolutionären Handlungen. Sie sind wirklich großzügig mit diesen Krümeln ihrer brandlerianischen Weisheit. Auf jeden Fall muss Walcher vorläufig mit opportunistischen Losungen zufrieden sein: der „Prozess“ wird sich für ihn um die „revolutionären Handlungen“ kümmern müssen.

10. Die Moral dieser Geschichte wurde von Zyromsky meiner Meinung nach ziemlich richtig gegeben, als er den Teilnehmern folgenden Rat gab: statt uns in Eure „Arbeitsgemeinschaft“ einzuladen, solltet Ihr selbst zur Zweiten und Dritten Internationale zurückkehren und die Vereinigung von innen vorbereiten. Das ist wenigstens eine politische Idee; wenn Ihr keine Sehnsucht oder Mut zum Kampf für eine Vierte Internationale habt, dann kehrt in die alten Internationalen zurück und reformiert sie oder vereinigt sie.

11. Ich habe gerade die SAP-Resolution zur Vierten Internationale erhalten. Der Schund sieht genau so aus wie er sollte. Es gibt Gerede vom echec (Niederlage) der zwei Internationalen und dann überlassen sie dem Nikolaus des geschichtlichen Prozesses die Aufgabe des Aufbaus einer neuen Internationale – weiß Gott, auf welcher Grundlage. Sie werden von der Lage selbst (und in gewissem Ausmaß auch von uns) gezwungen, „etwas“ über dieses heikle Thema zu sagen, aber sie achten besonders darauf, etwas zu sagen, das nicht irgendwelchen Strömungen irgendwelche Verpflichtungen auferlegt.

Gleichzeitig habe ich auch die Erklärung von Brockway, Kilbom und Kruk erhalten, die sagt, dass die Orientierung auf die Vierte Internationale eine Spaltung im Komitee bedeuten würde. Damit ist das Erscheinungsbild der Konferenz völlig dargestellt.

12. Am wichtigsten in jedem politischen Organismus ist seine Entwicklungstendenz. Wenn wir die Periode von August 1933 bis Februar 1935 betrachten, können wir trotz der großen Ereignisse, die stattgefunden haben, keinerlei Fortschritt feststellen, weder quantitativ noch qualitativ. Von der NAP erwarteten einige eine Einflussnahme auf die Führung, andere erwarteten einen linken Flügel in ihr, zumindest die Zugehörigkeit von Mot Dag. Nichts derart geschah. Durch die Verbindung mit Tranmæl wurde Kritik verhindert und letzterem wurde tatsächlich bei der Erstickung der Opposition geholfen. Die kleinen Fortschritte, die gemacht wurden, werden durch den Abgang der NAP mehr als wettgemacht. Ideologisch herrscht die selbe Verwirrung vor, aber im Verlauf der Zeit wurde sie schlimmer und gefährlicher.

Wo können wir den kleinsten Grund dafür finden, dass sich die Dinge in der Zukunft bessern werden? Einmal in anderthalb Jahren treffen sich ein paar Dutzend Leute. Alle von ihnen haben ihre politische Schulung vor langer Zeit vollendet und sie brauchen die IAG nur als Sicherheitsventil gegen ihre eigene Linke. Die Speerspitze der Kritik und besonders ihres Hasses ist gegen die Linke gerichtet, gegen uns. Es gibt keine bindenden Entscheidungen; es gibt kein Diskussionsorgan. Die Versammlungen und Bulletins dienen, wie Engels sagte, nur dazu, dass man erzählt und anhört. Ihre eigenen Mitglieder bekommen nur einen Wortschwall nach Art von Doriot (nicht die Vierte Internationale, aber die völlige Einheit der Arbeiterklasse). Eine sehr trügerische Ideengemeinschaft, ohne jeden Inhalt, ohne jede Perspektive, ohne jede Zukunft.

Jetzt komme ich zu den praktischen Schlussfolgerungen. Sie schreiben mir, lieber Freund, dass Sie aus Überlegungen bezüglich der bevorstehenden Vereinigung mit der OSP die Kritik am Resolutionsentwurf im Organ der RSP nicht veröffentlichen können. Die Vereinigung der beiden niederländischen Organisationen ist so wichtig, dass ich für meinen Teil bereit bin, einen beträchtlichen Preis dafür zu bezahlen. Ich bitte Sie daher, das Folgende nicht als Beschwerde, sondern nur als Analyse eines wichtigen Symptoms zu betrachten.

Die SAP ist nicht die führende Organisation der IAG, weil sie irgendwelche Ideen hätte, sondern im Gegenteil, wie sie den vielgestaltigen Gruppen bei deren Missachtung von Ideen hilft. Und es ist sehr leicht für die SAP, weil diese Herren keinen Pfifferling auf Ideen geben. Genau weil wir sehr streng mit unseren Ideen sind, hassen sie uns. Bei Gelegenheit des Eintritts in die SFIO nahm dieser Hass den widerlichsten Ausdruck an. Gestern umarmten sie de Kadt gegen die „Sektierer“, heute verbinden sie sich mit dem hysterischen Sektierer Bauer gegen uns.

Diese Leute schämen sich nicht, uns vor und nach der Konferenz in der schärfsten Form zu kritisieren. In dieser Lage fühlt sich die RSP in Holland von vornherein und vor ihrer Fusion mit der OSP genötigt, sich der Kritik an einem Resolutionsentwurf zu enthalten. Diese kleine Tatsache wirft wirklich viel Licht auf die ganze Frage der IAG. Wir sehen hier auch die Wiederholung einer Regel, die wir Hunderte von Malen in viel größerem Maßstab in der Vergangenheit erlebt haben; Zentristen, auch linke Zentristen, respektieren die Opportunisten immer und fühlen sich geschmeichelt und ermutigt, wenn sie ihnen ein Lächeln abgewinnen können. Gleichzeitig sind die Zentristen schrecklich empört, wenn die ungehobelten „Sektierer“ (d.h. Marxisten) durch unangemessene Kritik das Vergnügen zerstören, das sie aus dem Lächeln von Freunden auf der Rechten ziehen. Wenn der Zentrist seine großen Kombinationen macht, beugt er sich immer tief nach rechts und zischt nach links: Halt’s Maul! Es war dieser Druck, den die RSP gefühlt haben muss, als sie sich als eine Art von Vorauszahlung der Veröffentlichung einer ziemlich zurückhaltenden, prinzipiellen und objektiven Kritik enthielt. Ist das nicht symptomatisch?

Die Abstimmung an der Saar war eine schlagende Bestätigung unserer Analyse der Zweiten und Dritten Internationale. Man hätte sich kein besseres Laborexperiment zum Test unserer neuen Orientierung denken können. In Frankreich stehen die Dinge auch nicht anders. Das französische Proletariat kann nur trotz der beiden offiziellen Parteien siegreich sein. Wenn es jedoch versagen sollte, wird es den Stalinismus und auch den Sozialismus für immer begraben. Es sind diese grundlegenden geschichtlichen Tatsachen, auf die wir uns stützen müssen, wenn wir uns für den bevorstehenden langen Weg stärken wollen. Um bloß aus der Saarfrage die wichtigsten Schlussfolgerungen zu ziehen, müssen wir die Verwirrung eines Walcher, eines Doriot etc. schonungslos vor den Augen der Arbeiter entlarven.

Denn diese Leute stellen eine unmittelbare Gefahr auf dem Weg zur Vierten Internationale dar, weil sie unsere Gesten nachmachen, um sich schließlich gegen uns zu wenden. Um das große Privileg einer illusorischen Ideengemeinschaft mit ihnen durch den Verzicht oder auch nur die Mäßigung unserer Kritik an ihnen zu kaufen, scheint mir nicht weniger als ein Verbrechen zu sein. (Am Rande: Und gelegentlich werden Sie zugeben müssen, dass der Eintritt unserer französischen Sektion in die SFIO überhaupt nichts mit solch einem Verzicht auf Kritik zu tun hatte. Im Gegenteil haben unsere französischen Freunde die Opportunisten noch nie so scharf, so konkret, so wirksam kritisiert, wie sie es jetzt machen. Denn Kombinationen mit zentristischen Führungen hinter dem Rücken der Massen sind eine Sache und Arbeit in Massenorganisationen gegen die zentristische Führung ist eine völlig andere Sache.)

Ich wiederhole, die Vereinigung der beiden niederländischen Parteien ist so wichtig, dass wir bereit sind, dafür sogar Extrakosten zu tragen. Aber unter einer Bedingung: die IKL muss für sich völlige Bewegungs- und Kritikfreiheit in Bezug auf das Amsterdamer Büro behalten. Ich für mich betrachte es als beinahe unmöglich, dass wir nach der Pariser Konferenz unsere Haltung gegenüber der IAG ändern. Werden wir unsere Meinung in der Zukunft ändern müssen? Die Zukunft selbst wird uns das lehren.

Was muss man jedoch gegenwärtig tun? Ein bescheidener, aber wichtiger Schritt in diese Richtung wurde von der neuen Workers Party in Amerika unternommen. In ihrer Satzung lesen wir:

(Artikel III: Internationaler Anschluss, S. 26)

Die Partei ist bei ihrer Gründung keiner anderen Gruppe, Partei oder Organisation in den Vereinigten Staaten oder anderswo angeschlossen. Ihr Nationalkomitee ist berechtigt, in brüderliche Beziehungen mit Gruppen und Parteien in anderen Ländern zu treten und, wenn sie das selbe grundlegende Programm wie wir haben, mit ihnen bei der Ausarbeitung eines vollständigen Weltprogramms und der schnellstmöglichen Errichtung der neuen revolutionären Internationale zusammenzuarbeiten. Aktionen bezüglich jeder organisatorischen Angliederung müssen dem Nationalkomitee der Partei vorgelegt werden.“

Ich möchte die Aufmerksamkeit von Ihnen und dem Genossen Schmidt auf diesen höchst wichtigen Paragraphen lenken. Hier geht es nicht um eine verwirrte Verbrüderung mit Hinz oder Kunz auf der Grundlage eines Wischwaschi-Programms aus dem einzigen Grund, dass keine der Parteien zur Zweiten oder Dritten Internationale gehört. Überhaupt nicht, die Amerikaner sagen: wir möchten nur mit Organisationen feste Beziehungen errichten, die auf dem selben grundlegenden Programm wie wir stehen, um zusammen mit ihnen die neue revolutionäre Internationale zu schaffen. Es ist daher die erste Pflicht der vereinigten niederländischen Partei, sich an die vereinigte amerikanische Partei zu wenden mit dem Vorschlag, gemeinsame systematische Arbeit in Richtung der Vierten Internationale durchzuführen.

Die alte Vierererklärung der, meinetwegen in überarbeiteter, korrigierter und verbesserter Form, könnte als Ausgangspunkt dienen. Zusammen mit dem Internationalen Sekretariat der Bolschewiki-Leninisten könnten Sie dann zum letzten Mal an die SAP herantreten: wollt Ihr an unserer Vorbereitungsarbeit teilnehmen, die nicht beabsichtigt, irgend etwas per Erlass zu erreichen, oder nicht?

Wenn ich richtig informiert worden bin, hat sich Genosse Schmidt für sich ziemlich offen und loyal das Recht vorbehalten, für die Vierte Internationale zu kämpfen. Wenn wir danach eine vorbereitende Programmkommission schaffen, die ihre ernsthaften und gut begründeten Überlegungen über die wichtigsten Fragen der internationalen Bewegung geben wird, dann wird diese Kommission eine viel größere Anziehungskraft als die IAG ausüben, ohne irgendwelche Verwaltungsrechte zu übernehmen. In keinem Fall geht es um ein Ultimatum: mit uns oder mit Amsterdam. Die niederländische Partei kann, wenn ihr das notwendig erscheint, weiter in der IAG bleiben und gleichzeitig zusammen mit uns die Vorbereitungsarbeit übernehmen, die wir oben beschrieben haben. Die Erfahrung wird dann einen von uns etwas lehren müssen.

Das ist ein praktischer Vorschlag, den ich durch diesen Brief allen Mitgliedern des Plenums mitteile. Aber die praktische Entscheidung liegt in den Händen der Führung der vereinigten niederländischen Partei.

PS: Trotz der Länge dieses Briefs scheint es mir, dass er in Bezug auf die SAP nicht so gründlich ist, wie er sollte und zwar im doppelten Sinne, sowohl theoretisch als auch was die Tatsachen betrifft. Daher sind hier zusätzlich zwei wichtige Punkte:

1. Ich habe den Genossen Adolphe gebeten, für die Verwendung unserer Sektionen einen vollen Bericht über die Vierererklärung auf der Grundlage authentischer Dokumente zu machen, d.h. einen Bericht über unseren Versuch der Zusammenarbeit mit der SAP. Selbst für die, die jetzt am Rand stehen, wird es dann völlig klar werden, dass die SAP-Vertreter nie eine einzige Gelegenheit hatten, gegen die uns zugeschriebene Sehnsucht, die Vierte Internationale auf einen Streich auszurufen, zu sprechen – oder gar zu stimmen. Die Unterschiede beschränkten sich auf die Frage, ob es notwendig war, Tranmæl und Co. zu kritisieren, oder sie zu dulden und zu hofieren.

Auch diese Frage schlugen wir nicht auf ultimative Weise vor. Wir sagten immer: das ist unsere Meinung; macht Ihr nur weiter und macht Eure Erfahrung mit Tranmæl; wir werden uns jedoch das Recht vorbehalten, nicht nur Tranmæl, sondern auch Eure Erfahrung mit ihm zu kritisieren. Der Ton unserer Kritik war immer vorsichtig und freundlich. So weit es die verschiedenen Entscheidungen über die Vierte Internationale betrifft, wurden sie immer einmütig angenommen. Um die SAP-Leute zu beruhigen, wurde die Einmütigkeit von Entscheidungen auf unser Verlangen zum Prinzip erhoben.

Aber Walcher und die anderen bekamen nach jeder Entscheidung, die wir trafen, Angst vor ihrer eigenen Courage. Nach einem Schritt vorwärts machten sie zwei Schritte rückwärts. Dabei weigerten sie sich, darüber zu diskutieren oder nur eine schriftliche Erklärung zu geben. Sie beantworteten einfach die Briefe nicht und bestanden in halb privaten Gesprächen grollend darauf, dass wir die Vierte Internationale aus dem Ärmel schütteln wollten. Der wirkliche Grund war und bleibt die Tatsache, dass sie sich an so eine gewaltige Aufgabe nicht heranwagen. Nach jedem Kontakt mit uns war ihr Eindruck der folgende: „Aber diese Leute nehmen die Dinge sehr ernst; das wird nie hinhauen.“

2. Die Explosion des Hasses gegen uns bei der Gelegenheit der Krise in der deutschen Sektion [mit Eugen Bauer d.i. Erwin Ackerknecht] überraschte viele Leute. Was war der Grund für diese widerliche Boshaftigkeit? Warum dieses Bündnis mit Bauer? Diese Gefühle müssen tief in ihren zentristischen Herzen verwurzelt gewesen sein, bevor sie in den Spalten der Neuen Front im Druck zum Ausbruch kamen.

Walcher und Co. stammen aus Brandlers Schule. Zusammen mit Brandler-Thalheimer rutschten sie auf der revolutionären Lage 1923 aus. Sie konnten nicht den Mut zum Handeln aufbringen. Genau wie es jetzt der Fall mit der Vierten Internationale ist wollten sie damals auch, zur Zeit der deutschen Revolution, dass der geschichtliche „Prozess“ sie von der Pflicht befreit, große Entscheidungen zu treffen und für sie Verantwortung zu übernehmen. Und das ist genau der Kern des Linkszentrismus, dessen wichtigster Prototyp der Russe Martow war. Perspektivisch war er bereit, die kühnsten Entscheidungen anzunehmen. Aber wo es darum ging, auch nur den bescheidensten Schritt auf der Linie dieser Prinzipien zu gehen und sich an ihrer praktischen Verwirklichung zu beteiligen, sprang er immer zur Seite. Sicherlich erfand er viel geistreichere Erklärungen für seine Ausflüchte als Walcher und Co. für ihre.

Im Verlauf der chinesischen Revolution unterstützten die Brandlerianer, einschließlich Walcher, die kriminelle Politik von Stalin gegen uns. In der Geschichte des Anglo-Russischen Komitees verstehen Walcher und seine Leute bis heute nicht, worin das Verbrechen der Stalin-Tomski-Politik bestand, die dem [britischen] Generalrat [der Gewerkschaften] in einer höchst kritischen Lage über den Berg half. Darüber hinaus ist die Haltung der SAP in der IAG nur eine schwächere Ausgabe der selben Politik. Wenn ich mich nicht irre, ging Walcher auch in der russischen Frage bis 1930 mit Brandler. All das konnte kein Zufall sein. 1933 machten wir eine ziemlich ehrlichen und aufrichtigen Versuch, um diesen Leuten beim Klettern aus dem zentristischen Sumpf zu helfen. Aber durch ihre ganze Handlungsweise zeigten sie, dass sie außerhalb dieses Sumpfes nicht leben und atmen können.

Ich will damit nicht andeuten, dass die ganze Mitgliedschaft oder auch nur die Führung für immer verloren sei. Der oben erwähnte „Prozess“ teilt Schläge aus, die auch der härteste Kopf manchmal spürt. Aber wir möchten nicht gegenüber den SAP-Führern die selbe passive Politik verfolgen, die sie gegenüber ihren Freunden auf der Rechten verfolgen. Wir müssen in Richtung auf die Vierte Internationale handeln und die SAP durch vollendete Tatsachen vor die Wahl stellen – mit uns oder gegen uns. Das ist die einzig richtige Politik.

Crux

1 12-17. September 1874, Marx-Engels-Werke, Band 33, S. 643

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