Leo Trotzki: Zur Diskussion über Gewerkschaftseinheit [Eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit der englischen Übersetzung] Auf die Frage der Einheit der Arbeiterorganisationen gibt es keine einheitliche, für alle Formen der Organisation und für alle Bedingungen taugliche Lösung. Diese Frage entscheidet sich am kategorischsten für die Partei. Ihr volle Selbständigkeit ist eine elementare Bedingung revolutionären Handelns. Aber auch dieses Prinzip gibt keine im Voraus fertigen Antworten in Relation dazu, wann und unter welchen Bedingungen es notwendig ist, sich zu spalten oder sich, umgekehrt, mit benachbarten politischen Strömungen zu verbünden. Derartige Fragen entscheiden sich jedes Mal auf Basis einer konkreten Analyse politischer Tendenzen und Bedingungen. Das höchste Kriterium dabei bleibt auf alle Fälle die Notwendigkeit für die organisierte proletarische Avantgarde – die Partei –, ihre volle Unabhängigkeit und Selbständigkeit auf Basis eines bestimmten Aktionsprogramms zu schützen. Aber gerade eine solche Entscheidung der Frage der Partei lässt vollkommen andere Beziehungen zur Frage der Einheit anderer, massenhafterer Organisationen der Arbeiterklasse – Gewerkschaften, Genossenschaften, Sowjets – nicht nur zu, sondern macht sie, nach den allgemeinen Regeln, erforderlich. Jede dieser Organisationen hat ihre eigenen, in gewissen Grenzen unabhängigen, Aufgaben und Handlungsmethoden. Für die kommunistische Partei sind alle diese Organisation zuallererst Arenen der revolutionären Erziehung breiter Arbeiterschichten und der Rekrutierung fortgeschrittener Arbeiter. Je größere Massen die gegebene Organisation umfasst, umso weitere Möglichkeiten eröffnet sie für die revolutionäre Avantgarde. Deshalb ist es nicht der kommunistische, sondern der reformistische Flügel, der nach der allgemeinen Regel die Initiative zur Spaltung von Massenorganisationen ergreift. Es reicht aus, das Verhalten der Bolschewiki im Jahre 1917 dem Verhalten der britischen Trade Unionisten in den letzten Jahren gegenüberzustellen. Die Bolschewiki blieben nicht nur in gemeinsamen Gewerkschaften mit den Menschewiki, sondern ertrugen in gewissen Verbänden menschewistische Vorstände selbst nach dem Oktoberumsturz, ungeachtet dessen, dass in den Fabrikkomitees und den Sowjets die Bolschewiki erdrückende Mehrheiten hatten. Umgekehrt vertrieben die britischen Trade Unionisten auf Initiative der Labouristen, die Kommunisten nicht nur aus der Partei, sondern nach Möglichkeiten auch aus den Trade Unions. In Frankreich war die Spaltung in den Gewerkschaften auch die Auswirkung der Initiative der Reformisten, wobei die revolutionären Gewerkschaftsorganisationen, die gezwungen waren, eine eigenständige Existenz zu führen, nicht zufällig die Bezeichnung Unitäre annahmen. Verlangen wir denn heute, dass die Kommunisten die Reihen der allgemeinen Konföderation verlassen? Auf gar keinen Fall. Umgekehrt: notwendig ist, dass der revolutionäre Flügel in der Konföderation von Jouhaux festen Fuß fasst. Aber wirklich zeigen wir durch dies eine auf, dass die Spaltung der Gewerkschaftsorganisation in keinem Fall für uns eine Frage des Prinzips ist. Alle jene prinzipiellen ultralinke Einwände, welche man gegen die Einheit der Gewerkschaften machen kann, sind zuallererst auf die Beteiligung von Kommunisten an der allgemeinen Konföderation abwendbar. Indessen muss jeder Revolutionär, der nicht das Gespür für die Wirklichkeit eingebüßt hat, zugeben, dass die Schaffung einer kommunistischen Fraktion in den reformistischen Gewerkschaften eine außerordentlich wichtige Aufgabe ist. Eine der Aufgaben dieser Fraktion muss die Verteidigung der Unitären Konföderation gegenüber den Mitgliedern der reformistischen Gewerkschaften sein. Diese Aufgabe kann man nur lösen, wenn man beweist, dass die Kommunisten keine Spaltung der Gewerkschaften wollen und umgekehrt bereit sind, zu jeder Zeit die Gewerkschaftseinheit wiederherzustellen. Falls man für eine Minute annimmt, dass die Spaltung der Gewerkschaften aus der Verpflichtung für die Kommunisten entspringt, eine revolutionäre Politik der reformistischen gegenüberzustellen, dann darf man sich nicht auf Frankreich beschränken; man müsste verlangen, dass auch in Deutschland, in England, den Vereinigten Staaten etc., die Kommunisten unabhängig vom Kräfteverhältnis mit den reformistischen Gewerkschaften brechen und ihre eigenen schaffen. Die Kommunistischen Parteien in gewissen Ländern haben sich tatsächlich auf diesen Weg begeben. In einzelnen Fällen lassen die Reformisten tatsächlich keinen anderen Ausweg. In anderen Fällen machen die Kommunisten erkennbar Fehler, gehen auf Provokationen der Reformisten ein. Aber niemals und nirgendwo motivierten Kommunisten bisher eine Spaltung der Gewerkschaften mit der prinzipiellen Unzulässigkeit, zusammen mit Reformisten in proletarischen Massenorganisationen zu arbeiten. Ohne uns bei den genossenschaftlichen Organisationen aufzuhalten, deren Erfahrung nichts Wesentliches zum weiter oben Gesagten hinzufügt, wenden wir uns den Sowjets zu. Diese Organisation kommt in der revolutionärsten historischen Periode auf, wenn alle Fragen auf Messers Schneide gestellt werden. Aber kann man sich dennoch auch nur auf eine Minute die Schaffung kommunistischer Sowjets als Gegengewicht zu sozialdemokratischen vorstellen? Dies würde bedeuten, die Idee des Sowjets selbst umzubringen. Am Anfang des Jahres 1917 blieben die Bolschewiki in den Sowjets als winzige Minderheit. Sie ertrugen im Verlauf von Monaten – in einer solchen Periode, wenn Monate wie Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zählen, – über sich eine Mehrheit des Kompromisslertums in den Sowjets, ungeachtet dessen, dass sie in den Fabrik- und Betriebskomitees bereits eine erdrückende Mehrheit vertraten. Schließlich ertrugen die Bolschewiki auch nach der Eroberung der Macht die Menschewiki innerhalb der Sowjets, solange jene einen bestimmten Teil der Arbeiterklasse vertraten. Erst später, als die Menschewiki sich abschließend kompromittierten und isolierten, sich in eine Clique verwandelten, warfen die Sowjets sie aus ihrer Mitte hinaus. In Spanien, wo Losung von Sowjets in der nächsten Zeit bereits praktisch auf die Tagesordnung kommen kann, kann die Schaffung von Sowjets (Juntas) selbst – unter der Bedingung einer energischen und mutigen Initiative der Kommunisten – nicht anders als auf dem Weg einer organisatorisch-technischen Vereinbarung mit Syndikalisten und Sozialisten bezüglich der Ordnung und Zeit der Wahl von Arbeiterdeputierten in das Denken eintreten. Unter diesen Bedingungen die Idee der Unzulässigkeit von Arbeit zusammen mit Reformisten in den Massenorganisationen aufzustellen, wäre die tödlichste aller Formen von Sektierertum. |
Leo Trotzki > 1931 >