Leo Trotzki: Stalin und die Komintern [eigene Übersetzung nach dem russischen Text im Bulletin der Opposition, verglichen mit der englischen Übersetzung] In der Zeit seines Oppositionskampfes verbreitete Lominadse etwas aus seinen Gesprächen mit Stalin über die Komintern: „Die Komintern stellt nichts dar und ist nur dank unserer Unterstützung vorhanden“. Stalin leugnete, wie üblich, dieses Gespräch. Alle, die Stalin und dessen Beziehung zur Komintern kennen, zweifeln jedoch nicht eine Minute daran, dass Lominadse die Wahrheit sagt. Damit wollen wir überhaupt nicht sagen, dass das Wort Stalins der Wirklichkeit entspreche. Ganz im Gegenteil. Die Komintern lebt, ungeachtet der Unterstützung Stalins. Die Komintern lebt Kraft der in ihr enthaltenen Ideen, Kraft der Oktobertradition, schließlich, zuallererst – Kraft der kapitalistischen Widersprüche. Diese Faktoren erwiesen sich bisher und werden sich – hoffen wir – künftig als mächtiger erweisen als jene finanziell-bürokratische Schlinge, die Stalin Unterstützung nennt. Aber der weiter oben gebrachte „Aphorismus“ drückt, wie man es nicht besser kann, die tatsächliche Beziehung Stalins und Co zur Komintern aus und ergänzt ausgezeichnet die Theorie des Sozialismus in einem einzelnen Lande. Im Jahr 1925, als der Kulakenkurs der Politik in voller Blüte war, fand es Stalin überhaupt nicht notwendig, sich bei Ausdrücken seiner Geringschätzung für die Komintern und für die Führer deren einzelner Sektionen zu genieren. Als Stalin nach dem Abkommen mit Sinowjew im Politbüro den Vorschlag einbrachte, Maslow aus dem Archiv zu holen und diesen nach Deutschland zu senden, protestierte Bucharin, der damals mit Stalin und Sinowjew ging, aber nicht in die ganze Verschwörung eingeweiht war: „Wie aber Maslow? … Sie kennen doch wirklich diese Figur … unmöglich“… usw. Worauf Stalin antwortete: „Alle sind sie mit Salböl gesalbt. Einen Revolutionär gibt es unter ihnen allgemein nicht. Maslow ist nicht schlechter als andere“. in der Zeit der Erörterung der Frage irgendeiner Konzession bemerkte eines der Mitglieder des Politbüros: „Ob wir sie für vierzig Jahre oder für fünfzig gewähren – da gibt es keine Differenzen. Man muss annehmen, dass die Revolution bis zu diesem Termin von den Konzessionären auch nicht eine Spur lässt“. – „Revolution?“ – widersprach Stalin. – „Wird denn die Komintern sie machen? Warten Sie ab: sie wird auch in 90 Jahren keine Revolution machen“. Man muss auch noch einmal an die verächtlichen Urteile Stalins über die „Emigranten“ erinnern, d.h. an die Bolschewiki, die in den Parteien des europäischen Proletariats arbeiteten. So war der allgemeine Geist des Politbüros. Ein abschätziges Verhältnis zu westeuropäischen Kommunisten war eine Forderung des guten Tons. – „Glauben Sie denn wirklich, dass Purcell und Cook in England die Revolution durchführen?“, fragten die Oppositionellen. „Aber Sie glauben wohl, erwiderte Tomski, dass Ihre britischen Kommunisten die Revolution durchführen?“ Die Beziehung zu den kommunistischen Parteien des Ostens war, falls möglich, noch verächtlicher. Von den chinesischen Kommunisten wurde eines benötigt: kein Wort zu sagen und Tschiang Kaischek beim Bewerkstelligen seiner Arbeit nicht im Weg zu stehen. Es ist nicht schwer, sich vorstellen, welche kernige Form diese Philosophie im Munde Woroschilows annahm, der sehr anfällig für alle Arten von Chauvinismus ist. In der Sitzung der Delegation der WKP vor dem Plenum der EKKI des Jahres 1926 „verteidigte“ Woroschilow mit der für ihn charakteristischen Kompetenz Thälmann ungefähr mit folgenden Worten: „Na, wo kann man aber bei ihnen, sagen Sie, einen besseren nehmen? Bei ihnen gibt es keine Revolutionäre. Natürlich, falls man ihnen unseren Uglanow hätte geben können, würde er die Sache anders betreiben. Uglanow wäre bei ihnen ein Bebel“. Diese Phrase wurde geflügelt: Uglanow in der Eigenschaft eines kommunistischen Bebels in Deutschland! In jenen Tagen sah Woroschilow natürlich noch nicht voraus, dass Uglanow einfach ein „Kulakenfreund“ und „Agent von Schädlingen“ werden würde. Im Übrigen, zweifelt Woroschilow selbst jetzt nicht daran, dass die Politik des Jahres 1925 die allerbestе Politik war. Lominadse sagte auf solche Weise nichts Neues. Seine Aussage zeugte bloß davon, dass die innere Beziehung zur Komintern bei der leitenden Spitze sich in diesen Jahren keineswegs änderte. Außerdem, woher sollte sie sich verändern? Das Zeugnis Lominadses scheint sogar blass und wirklich nutzlos im Angesicht jenes Faktums, dass die Führung der internationalen proletarischen Avantgarde jetzt ganz Manuilski, Kuusinen und – Losowski zugeteilt ist, d.h. Leute, welche in der UdSSR niemand ernst nimmt und welche man nicht ernst nehmen darf. Nein, die Komintern lebt nicht durch die Unterstützung der Stalinschen Bürokratie, sondern ungeachtet dieser Unterstützung. Und je schneller sie sich von ihr befreit, umso schneller wird sie sich ausrichten und sich auf die Höhe ihrer historischen Aufgaben erheben. |
Leo Trotzki > 1931 >