Leo Trotzki‎ > ‎1931‎ > ‎

Leo Trotzki 19310300 N. W. Worowskaja

Leo Trotzki: N. W. Worowskaja

[eigene Übersetzung nach dem russischen Text im Bulletin der Opposition, verglichen mit der – schlechten – englischen Übersetzung]

Nina Worowskaja starb mit 23 Jahren, verzehrt vom Feuer der Tuberkulose. Als Tochter von W. W. Worowski, dem alten bolschewistischen Revolutionär, der in der Schweiz von weißen Terroristen getötet wurde, erbte Nina vom Vater eine eigenständige und widerspenstige Verfassung des Charakters, eine allgemeine Talentiertheit der Natur, ironische Flämmchen in den Augen, aber – leider! – auch schwere Leiden.

Bereits das, was über die psychologische Verfassung Ninas gesagt wurde, erklärt vollauf, wie und warum sie sich in noch ganz jungem Alter in der Opposition einreihte. Sobald sie sich einreihte, kannte sie weder Zweifel noch Schwankungen. Ihr Zimmer in Moskau war einer der Herde1 der Komsomol- und Parteiopposition. Nina brach mit Freunden, sobald sie mit der Opposition brachen. Aus dem Komsomol wurde Worowskaja ausgeschlossen, 2von einer Aufnahme in die Partei konnte nicht die Rede sein.

Vom Vater – es scheint, auch von der Mutter – erbte Nin auch künstlerische Gaben: sie war eine originelle Zeichnerin. Die Krankheit, welche bereits in jungen Jahren periodisch gewaltsam in ihr Leben mit schweren Perioden eindrang, stand ihren breit angelegten künstlerischen Gaben im Wege.

Anfang des Jahres 1929 wurde Nina im Ausland behandelt. Trotz des schweren Zustands zeichnen sich ihre Briefe alle durch dasselbe aus: Ideenmäßig standhaft, aufmerksam und ironisch.

X sitzt ohne Arbeit“ – teilt sie in einem Brief vom 21. II. 29 mit, „aber ist nach wie vor fest … In ihrem letzten Brief hatte sie über W. mitgeteilt3, dass er zusammen mit 50 Genossen im Tobolsker Politisolator eingesperrt ist … Ein aus Leningrad durchreisender Genosse erzählt tröstliche Dinge über die allgemeine Stimmung: nach seinen Worten ist der Zuwachs bei uns ein sehr großer, anstelle eines Weggenommenen erscheinen zwei Neue“.

Im Ausland unterzog sie sich einer schweren Operation (Thorakoplastik). Bevor sich Nina erholen konnte, wurde sie dringend nach Moskau gerufen, über die Botschaft wurde ihr die plötzliche Aufforderung halboffiziell mit Währungs4erwägungen erklärt. In Wirklichkeit aber stellten die Behörden zweifellos die Verbindung Ninas mit uns5 und mit ausländischen Oppositionellen fest und beschloss, sofort ihren Aufenthalt im Ausland abzubrechen.

Nina W.“ – schrieben uns Freunde6 aus Berlin – „reiste am Montag, 22., nach Moskau ab. Es tut mir furchtbar leid, dass sie abreist, ich fürchte sehr, dass sie da abermals erkrankt. Sie müsste sich unbedingt noch erholen“.

In Moskau begann Nina schnell dahinzusiechen. Aber auch ihre letzten Briefe, geschrieben in jenen Abständen, wenn die Krankheit ihr eine kleine Verschnaufpause gab, tragen alle den Stempel von Ideenunabhängigkeit, Standhaftigkeit und ironischem Scharfsinn.

Sie schrieb mit Empörung7 über Kapitulationen und Kapitulanten und verschonte ihr nahestehende Menschen nicht.

Das Schicksal erlaubte Nina nicht, ihre Persönlichkeit breit zu entwickeln. Aber jeder, der sie kannte, bewahrt in seinem Gedächtnis dieses wunderbare und tragische Bild.

1 In der englischen Übersetzung: „Sitzungsorte“

2 In der englischen Übersetzung: „als von der Partei entschieden wurde, dass Redefreiheit nicht toleriert werden konnte“

3 In der englischen Übersetzung: „,weil er sich im Voraus entschieden hatte, es zu sein.' In einem späteren Brief über B. berichtete sie“

4 In der englischen Übersetzung: „Finanz-“

5 In der englischen Übersetzung fehlt: „mit uns“

6 In der englischen Übersetzung: „ein Freund“

7 In der englischen Übersetzung: „Reife“

Kommentare