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Leo Trotzki 19310104 Fehler der rechten Elemente der französischen Kommunistischen Liga In der Gewerkschaftsfrage

Leo Trotzki: Fehler der rechten Elemente der französischen Kommunistischen Liga

In der Gewerkschaftsfrage

(ein paar vorläufige Bemerkung, Anfang)

[eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit der englischen, älteren deutschen und französischen Übersetzung]

1. Wenn das theoretische Gebäude der politischen Ökonomie des Marxismus sich völlig auf den Begriff des Werts als vergegenständlichte Arbeit stützt, dann stützt sich die revolutionäre Politik des Marxismus auf den Begriff der Partei als proletarische Avantgarde. Was auch immer die sozialen Quellen und politischen Ursachen opportunistischer Fehler und Abweichungen sein mögen, ideologisch laufen sie immer auf ein falsches Verständnis der revolutionären Partei, ihrer Beziehung zu anderen proletarischen Organisationen und zur Klasse insgesamt hinaus.

2. Der Begriff der Partei als proletarische Avantgarde unterstellt ihre volle und bedingungslose Unabhängigkeit von jeden anderer Organisation. Diese oder jene Vereinbarung (Block, Koalition, Kompromiss) mit anderen Organisationen, unausbleiblich im Verlauf des Klassenkampfes, ist nur unter der Bedingung zulässig, dass die Partei immer der Klasse ihr eigenes Gesicht zuwendet, unter eigenem Banner, im eigenen Namen handelt und offen den Massen erklärt, für welche Ziele und in welchen Grenzen sie die gegebenen Vereinbarungen abschließt.

3. An der Basis aller Schwankungen und Fehler der Führung der Komintern finden wir ein falsches Verständnis des Wesens der Partei und ihrer Aufgaben. Die Stalinsche1 Theorie der „Zwei-Klassen-Partei“ widerspricht dem ABC des Marxismus. Der Umstand, dass die offizielle Komintern diese Theorie im Verlauf einer Reihe von Jahren ertrug und sie bis zum heutigen Tag nicht mit der erforderlichen Entschlossenheit verurteilte, ist das untrüglichste Merkmal der Verderbtheit der ganzen offiziellen Doktrin der Komintern.

4. Das Hauptverbrechen der zentristischen Bürokratie in der UdSSR ist die falsche Beziehung zur Partei. Die Stalinsche Fraktion strebt, die ganze Arbeiterklasse administrativ in die Partei einzubeziehen. Die Partei hört auf, die Avantgarde, d.h. die freiwillige Auswahl der fortgeschrittensten, bewusstesten, selbstaufopferndsten und aktivsten Arbeiter zu sein. Die Partei verschmilzt mit der Klasse, wie sie ist, und verliert die Kraft des Widerstands gegenüber dem bürokratischen Apparat. Auf der anderen Seite rechtfertigen die Brandlerianer und andere Schleppenträger der zentristischen Bürokratie das Stalinsche Parteiregime mit dem philisterhaften Verweis auf die „Unkultiviertheit“ des russischen Proletariats und identifizieren auf diesem Wege Partei und Klasse, d.h. sie liquidieren die Partei theoretisch, wie Stalin sie praktisch liquidiert.

5. Die Grundlage der tödlichen Politik der Komintern in China war die Ablehnung der Selbständigkeit der Partei. Praktische Vereinbarungen mit der Guomindang waren in einer bestimmten Periode unausbleiblich. Der Eintritt der Kommunistischen Partei in die Guomindang war ein verhängnisvoller Fehler. Die Entwicklung dieses Fehlers verwandelte sich in eines der größten Verbrechen in der Geschichte. Die chinesische Kommunistische Partei wurde nur geschaffen, um ihrer Autorität zugunsten der Guomindang zu entsagen. Aus der Avantgarde des Proletariats verwandelte sie sich in den Schwanz der Bourgeoisie.

6. Dem tödlichen Versuch des Anglo-Russischen Komitees lag völlig das Herumtrampeln auf der Unabhängigkeit der britischen Kommunistischen Partei zugrunde. Dazu, dass die Sowjet- Gewerkschaften den Block mit den Streikbrechern des Generalrats (angeblich im Staatsinteresse der Sowjetunion!) bewahren konnten, musste man der britischen Kommunistischen Partei jede Selbständigkeit entziehen. Dies wurde auf dem Weg der faktischen Auflösung der Partei in der sogenannt „Minderheitsbewegung“, d.h. der linken2 Opposition innerhalb der Trade Unions, erreicht.

7. Die Erfahrung des anglo-russischen Komitees wurde leider am allerwenigsten verstanden und aufgenommen, sogar in den Gruppen der linken Opposition. Die Forderung, mit den Streikbrechern zu brechen, schien sogar manchem in unseren Reihen als … Sektierertum. Insbesondere der Sündenfall Monattes, der diesen in die Umarmung Dumoulins brachte, zeigte sich am klarsten in der Frage des anglo-russischen Komitees. Indessen hat diese Frage gigantische Bedeutung: ohne klares Verständnis dessen, was in England in den Jahren 1925-273 geschehen ist, werden weder der Kommunismus insgesamt noch die linke Opposition im Besonderen auf die breite Straße gelangen.

8. Stalin, Bucharin, Sinowjew – in dieser Frage erwiesen sie sich alle solidarisch, zumindest in der ersten Periode – machten Versuche, die schwache britische kommunistische Partei durch eine „breitere Strömung4“ zu ersetzen, die, das stimmt, nicht Mitglieder der Partei, sondern „Freunde“ führten, beinahe Kommunisten und auf alle Fälle gute Leute und gute Bekannte. Diese feinen Leute, soliden „Führer“, wollten sich selbstverständlich nicht der Führung einer kleinen und schwachen Kommunistischen Partei unterordnen. Dies war ihr volles Recht: die Partei kann niemanden zwingen, sich ihr unterzuordnen. Vereinbarungen zwischen den Kommunisten und den „Linken“ (Purcell, Hicks, Cook) auf dem Boden einzelner Aufgaben der Trade-Union-Bewegung waren selbstverständlich durchaus möglich und in gewissen Fällen unausbleiblich. Aber unter einer Bedingung: Die Kommunistische Partei musste ihre volle Selbständigkeit auch innerhalb der Trade Unions bewahren, in allen prinzipiellen Fragen im eigenen Namen handeln, ihre „linken“ Alliierten, wenn sie es notwendig findet, kritisieren und sich auf solche Weise Schritt für Schritt das Vertrauen der Massen erkämpfen.

Dieser einzig mögliche Weg erschien jedoch den Bürokraten der Komintern zu lang und unzuverlässig. Sie erachteten, dass sie vermittels des persönlichen Einflusses auf Purcell, Hicks, Cook und andere (Gespräche hinter den Kulissen, Briefwechsel, Bankette, wechselseitiges freundschaftliches Klopfen auf die Schulter, zärtliche Ermahnungen) allmählich und unmerklich die linke5 Opposition (die „breite Strömung“) auf den Weg der Komintern führen könnten. Um solche Erfolge besser sicherstellen, war es nötig, die Bahnen der Freunde (Purcell, Hicks und Cook) nicht durch kleine Nörgeleien, deplatzierte Kritik, sektiererische Unversöhnlichkeit usw. zu behelligen, zu reizen, zu stören. Aber weil eine der Aufgaben einer Kommunistischen Partei ausgerechnet auch darin besteht, jeden linken Zentristen und Halb-Zentristen zu stören und zu beunruhigen, deshalb musste zu radikalen Maßnahmen gegriffen werden, die faktisch die Kommunistische Partei der „Minderheitsbewegung“ unterwarfen. Auf dem Boden der Trade Unions agierten nur die Führer der letzteren. Die britische Kommunistische Partei bestand für die Massen praktisch nicht.

9. Was forderte in dieser Frage die linke russische Opposition? Zuallererst die Wiederaufnahme der vollen Unabhängigkeit der britischen Kommunistischen Partei gegenüber den Trade Unions. Nur unter dem Einfluss der eigenständigen Losungen der Partei und ihrer offenen Kritik – bewiesen wir – konnte sich die Minderheitsbewegung gestalten, ihre Aufgaben präzisieren, ihre Führer ablösen, innerhalb der Trade Unions stark werden, zur gleichen Zeit die Position des Kommunismus befestigen.

Was antworteten auf unsere Kritik Stalin, Bucharin, Losowski & Co? „Sie wollen die britische Kommunistische Partei auf den Weg des Sektierertums stoßen. Sie wollen Purcell, Hicks, Cook in das feindliche Lager stoßen. Sie wollen mit der Minderheitsbewegung brechen“.

Was erwiderte die linke Opposition? „Falls Purcell und Hicks mit uns brechen werden, dann nicht deshalb, weil wir von ihnen verlangen, sich unverzüglich in Kommunisten zu verwandeln – das verlangt niemand! – sondern deshalb, weil wir selbst Kommunisten bleiben wollen, bedeutet das, dass Purcell & Co nicht Freunde, sondern getarnte Feinde sind. Je schneller die Massen deren Natur entdecken, umso besser für sie. Wir wollen in keinem Fall mit der Minderheitsbewegung brechen. Umgekehrt, wir müssen gegenüber der Bewegung größte Aufmerksamkeit bekunden. Der kleinste Schritt vorwärts zusammen mit den Massen oder mit einem Teil der Massen ist mehr wert als ein Dutzend abstrakter, Zirkel-, Intellektuellenprogramme6. Aber Aufmerksamkeit für die Masse hat nichts gemeinsam mit der Kapitulation vor ihren zeitweiligen und halben Führern. Die Massen benötigen eine richtige Orientierung, richtige Losungen. Aber das schließt theoretisches Versöhnlertum und die Schirmherrschaft gegenüber Wirrköpfen aus, die die Rückständigkeit der Massen ausbeuten“.

10. Was waren die Resultate der britischen Erfahrung der Stalinisten7? Die Minderheitsbewegung, die bis zu einer Million Arbeiter umfasste, schien sehr vielversprechend. Aber in ihr war innerlich der Wurm drin. Als Leiter der Bewegung kannten die Massen nur Purcell, Hicks, Cook, für welche sich außerdem Moskau verbürgte. Diese „linken“ Freunde verrieten bei der 8ernsthaften Prüfung schändlich das Proletariat. Die revolutionären Arbeiter verloren den Kopf, gerieten in Niedergeschlagenheit, und dehnten natürlich ihre Enttäuschung auch auf die Kommunistische Partei aus, welche nur ein passiver Teil der ganzen Mechanik des Verrats und Treubruchs9 war. Die Minderheitsbewegung wurde zunichte; die Kommunistische Partei fiel in den Zustand einer bedeutungslosen Sekte zurück. Auf solche Weise, dank der in der Wurzel falschen Stellung der Frage der Partei, erschütterte die größte Bewegung des englischen Proletariats, die zum Generalstreik führte, nicht nur nicht den Apparat der reaktionären Bürokratie, sondern dieser fasste umgekehrt festen Fuß und kompromittierte für lange Zeit den Kommunismus in Großbritannien.

11. Eine der psychologischen Quellen des Opportunismus ist oberflächliche Ungeduld, Misstrauen in das allmähliche Wachstum des Einflusses der Partei, die Bestrebung, die Massen mit Hilfe organisatorischer Manöver oder persönlicher Diplomatie zu erobern. Von hier aus kommt die Politik der Kombinationen hinter den Kulissen, des Verschweigens, Vertuschens, Sich-Verweigerns, der Anpassung an fremde Ideen und Losungen auf, und schließlich der volle Übergang auf Positionen des Opportunismus. Die Unterwerfung der Kommunistischen Partei unter die Guomindang in China, die Schaffung von Arbeiter-und-Bauern-Parteien in Indien, die Unterwerfung der britischen Kommunistischen Partei unter die Minderheitsbewegung usw. usf. – in allen diesen Erscheinungen sehen wir eine und dieselbe Methode der bürokratischen Kombiniererei, die mit oberflächlicher revolutionärer Ungeduld beginnt, aber mit opportunistischem Verrat endet.*

Gerade deshalb beharrten wir im Verlauf der letzten Jahre mehrmals auf der riesigen erzieherischen Bedeutung der weiter oben gebrachten Beispiele der Strategie der Komintern. Man muss sie bei frischen Erfahrungen erforschen und jedes Mal von neuem durchdenken, nicht nur um die historischen Fehler und Verbrechen im Rückblick zu verurteilen, sondern um zu lernen, derartige Fehler in neuer Umgebung zu erkennen, wenn sie erst ins Leben gerufen werden, und wenn man die Sache folglich noch beseitigen kann.

12. Man muss geradeheraus sagen: die Fehler gewisser französischer Oppositioneller, Mitglieder der Liga, in der Gewerkschaftsfrage enthüllen beeindruckende Züge der Ähnlichkeit mit dem traurigen britischen Versuch. Nur der Maßstab der Fehler in Frankreich ist bisher viel kleiner und sie entrollen sich nicht auf der Basis einer Massenbewegung. Dies erlaubt gewissen Genossen, diese Fehler nicht zu bemerken oder ihre prinzipielle Bedeutung zu verharmlosen. Indessen, falls es die Liga erlauben würde, auch künftig die Gewerkschaftsarbeit nach jenen Methoden zu betreiben, welche die Mehrheit des alten Vorstands erarbeitete, würden sich die Ideen und das Banner der linken Opposition in Frankreich für lange Zeit als kompromittiert erwiesen. Es wäre ein Verbrechen, davor die Augen zu schließen. Da es nicht gelang, diese Fehler in ihrem ursprünglichsten Stadium auf dem Weg nichtöffentlicher Ratschläge und Warnungen zu berichtigen, bleibt nur, diese Fehler und ihre Autoren offen zu bezeichnen, um die Politik durch kollektive Anstrengungen anzugleichen.

13. Seit April des Jahres 1930 gab die Liga faktisch eigenständige Arbeit in den Gewerkschaften zum Nutzen der Unitären Opposition auf, welche ihrerseits strebt, ihre besondere10 Plattform, ihre Führung, ihre Politik zu haben. In diesen Grenzen haben wir eine erkennbare Analogie mit dem Versuch der Minderheitsbewegung in England.11 Man muss jedoch sagen, dass es im französischen Umfeld manche Züge gibt, welche diesen Versuch vom ersten Anfang an noch bedrohlicher machen. In England war die Minderheitsbewegung insgesamt linker als die offizielle Führung der Trade Unions. Aber kann man das über die Unitäre Opposition sagen? Nein. In letzterer sind Elemente vorhanden, die offensichtlich zur rechten Opposition neigen, d.h. zum Reformismus. Ihr spezifisches Gewicht ist uns nicht klar.

Die Hauptkraft der Unitären Opposition ist der Verband des Unterrichts12. in Frankreich spielten die Lehrer immer eine ernsthafte Rolle im Sozialismus, im Syndikalismus und im Kommunismus. Unter den Unterrichtern werden wir zweifellos viele Freunde finden. Aber dennoch ist die Föderation insgesamt kein proletarischer Verband. Kraft seines sozialen Bestandes kann der Verband des Unterrichts sehr gute Agitatoren, Journalisten, einzelne Revolutionäre liefern, kann aber nicht zur Basis der Gewerkschaftsbewegung werden. Alle seine Dokumente bezeugen die unzureichende Klarheit der politischen Gedanken. Der Marseiller Kongress der Föderation führte vor, dass die Unterrichter im Dreieck zwischen offiziellem Kurs, linker Opposition und Rechten schwanken. Wir erwiesen sowohl den Unterrichtern, als auch der proletarischen Bewegung insgesamt einen schlimmen Dienst, wenn wir ihre Fehler, Schwankungen und Nebelflecke13 schützten. Leider war dies bis in die letzten Tage die Politik der Redaktion der „Vérité“ – eine Politik des Verschweigens – und das war nicht zufällig.

14. „Wollen Sie dann mit der U.O. brechen?“ – Wer die Frage so stellt, sagt somit, dass Kommunisten als Kommunisten nicht an der U.O. teilnehmen können. Aber wenn die Sache so stehen würde, würde das einfach bedeuten, dass die U.O. eine Organisation getarnter Feinde des Kommunismus ist. Zum Glück ist das nicht so. Die Unitäre Opposition insgesamt ist weder eine kommunistische noch eine antikommunistische Organisation, weil sie ungleichartig ist. Wir sind verpflichtet, bei unseren praktischen Schritten mit dieser Ungleichartigkeit zu rechnen. Wir können und müssen größte Aufmerksamkeit für einzelne Gruppen und sogar Personen bekunden, welche sich in Richtung Marxismus entwickeln14. Aber alles das unter einer Bedingung: wenn wir im Angesicht der Arbeiter in den Gewerkschaften im Namen der Kommunistischen Liga agieren und außer der Kontrolle durch die Liga selbst (oder die Partei insgesamt nach Wiederherstellung der Einheit der kommunistischen Reihen) keine Zensur an unserem Auftreten zulassen.

15. In den Reihen der U.O. sind zweifellos Elemente vorhanden, welche nicht in die Liga eintreten, aber vor allem mit der linken Opposition sympathisieren: sie müssen Mitstreiter unter unserem Banner sein. Es gibt unbestimmte, Übergangselemente, welche mit allen Kräften in dieser Lage zu verharren streben und das in eine „Plattform“ verwandeln. Mit diesen Elementen können wir taktische Vereinbarungen auf bestimmter Basis haben, bei voller Freiheit gegenseitiger Kritik. Schließlich sind in der U.O. zweifellos auch fremde Elemente vorhanden, welche sich dorthin zufällig verliefen oder als Anwerber für den Reformismus eindrangen. Sie gebrauchen das Zwielicht, um Verwesung hineinzutragen. Je schneller sie entlarvt und hinausgedrängt sein werden, umso besser für die Sache.

16. Aber wir stehen doch für die Zusammenarbeit in Gewerkschaften mit Arbeitern ohne Unterschied der politischen und philosophischen Ansichten? Vollkommen richtig.15 Aber die U.O. Ist keine Gewerkschaftsorganisation, sondern eine politische Fraktion, deren Aufgabe Einfluss auf die Gewerkschaftsbewegung ist. Überlassen wir es Monatte und dessen Freunden, den POPisten, unter einer Maske zu handeln. Revolutionäre handeln offen vor den Arbeitern. Im Rahmen der U.O. können wir nur mit jenen arbeiten, welche Seite an Seite mit uns gehen, in dieselbe Richtung wie auch wir, wenn auch nicht bis zum Ende unseres Weges.

17. Manche Genossen beharren besonders darauf, dass Kommunisten für ihren Einfluss auf Gewerkschaften mit Ideen-, aber nicht mit mechanischen16 Mitteln kämpfen müssen. Dieser anscheinend unstreitige Gedanke verwandelt sich häufig in einen leeren Allgemeinplatz. Die zentristische Bürokratie erklärt gleichfalls nicht selten, und durchaus aufrichtig, dass ihre Aufgabe Ideeneinfluss ist, aber nicht mechanischer Druck. Die ganze Frage läuft letztlich auf die politische und ökonomische Orientierung, auf die Losungen und auf das Aktionsprogramm hinaus. Wenn die Orientierung richtig ist, wenn Losungen Bedürfnisse der Bewegung beantworten, dann empfinden die Massen in Gewerkschaften keinen „Zwang“. Umgekehrt, wenn die Orientierung falsch ist, wenn die Politik einen revolutionären Aufschwung im Moment politischen Verfalls verkündet und umgekehrt, dann nimmt die Masse eine solche Führung als mechanische Gewalt über sich wahr. Die Frage läuft folglich darauf hinaus, ob die theoretischen Voraussetzungen der linken Opposition ernsthaft und tief genug sind, ihre Kader geschult genug sind, dass sie das Umfeld richtig einschätzen und entsprechende Losungen aufstellen. Alles das unterliegt noch der Nachprüfung durch die Tat. Aber umso unzulässiger ist es für uns, die Sünden und Fehler unserer zeitweiligen Alliierten wie auch unsere eigenen totzuschweigen oder zu verharmlosen.

18. Einzelne Mitglieder der Liga, so unglaublich das auch sein mag, protestieren gegen irgendjemandes Absicht, die Unitäre Opposition der Liga unterzuordnen. Unmerklich für sich verwirren sie sich in17 jene jämmerliche Argumentation, die Monatte gegen den Kommunismus insgesamt verwendet. Praktisch läuft die Sache darauf hinaus, dass einzelne Genossen, die in den Gewerkschaften arbeiten, für sich selbst volle Unabhängigkeit von der Liga wollen und erachten, dass sie durch ihre persönlichen Manöver, Ermahnungen und Diplomatie solche Resultate erlangen, welche die Liga nicht durch kollektive Arbeit erreichen kann. Andere Genossen, die Bewerber für ebensolche Unabhängigkeit in der Presse für sich selbst sind, kommen solchen Tendenzen entgegen. Man fragt sich: wozu aber traten diese Genossen in die Liga ein, wenn sie ihr nicht vertrauen?

19. Wie verhält sich die Sache mit der „Unterordnung“ der Unitären Opposition in Wirklichkeit? Schon diese Frage ist falsch. Die Liga ordnet sich nur ihre Mitglieder unter. In dem Maße, wie in der U.O. die Mehrheit keine Mitglieder der Liga sind, kann die Rede nur von Überzeugung, von Vereinbarungen, von Kompromissen, von Blöcken, aber nicht nicht von Unterordnung sein.

In der Tat fordern die Gegner der scheinbaren Unterordnung der U.O. unter die Liga die tatsächliche Unterordnung der Liga unter die Unitäre Opposition. Gerade so war die Lage bis zum heutigen Tag. In ihrer Gewerkschafts-, d.h. der wichtigsten Arbeit ordnete sich die Liga der Unitären Opposition unter, zu deren Nutzen sie praktisch auf jede Selbständigkeit verzichtete. Diese Politik können und dürfen Marxisten nicht einen Tag18 ertragen.

20. Einzelne leitende Genossen, die bis zum gestrigen Tag die Politik der Kapitulation beharrlich durchgeführt haben, erklären heute, dass sie „vollkommen einverstanden“ mit der Notwendigkeit seien, die U.O. In einen Block umzubilden. in der Tat wollen sie die Sache auf eine … Umbenennung reduzieren. Je hastiger sie der marxistischen Kritik „zustimmen“, umso mehr führen sie in der Tat den Kampf dafür, dass alles beim Alten bleibe. Sie wollen einfach die Phraseologie der marxistische Kritiker als Deckung der alten Politik nutzen. Diese Methoden sind nicht neu. Aber die Zeit macht sie nicht anziehender. Eine revolutionäre Organisation hätte sich für lange Zeit, wenn nicht für immer, mit dem Gift der Doppelzüngigkeit und Falschheit vergiftet, wenn sie ermöglicht hätte, opportunistische Politik mit revolutionärer Phraseologie zu maskieren. Wir werden fest hoffen, dass die Liga dies nicht akzeptiert.

L. Trotzki.

Prinkipo, 4. Januar 1931

1In der englischen und älteren deutschen Übersetzung hier und im Folgenden: „stalinistische“, in der französischen Übersetzung „Stalinsche“

2In der älteren deutschen Übersetzung in Anführungszeichen

3In der englischen, französischen und älteren deutschen Übersetzung: „1926“

4In der älteren deutschen Übersetzung hier und im Folgenden: „Bewegung“

5In der alten deutschen Übersetzung groß geschrieben

6 In der englischen, älteren deutschen und französischen Übersetzung: „abstrakte Programme von Intellektuellenzirkeln“

7 In der englischen, älteren deutschen und französischen Übersetzung: „Stalins“

8 In der englischen und französischen Übersetzung eingefügt: „ersten“

9 In der französischen Übersetzung fehlt: „und Treubruchs“

* Leitende amerikanische Genossen teilen mit, dass in der amerikanischen Liga manche, es stimmt, einzelne (im buchstäblichen Sinne des Wortes) Genossen sich für einen Block mit den Lovestoneisten im Name von … „Massenaktionen“ [in der englischen Übersetzung: „Massenarbeit“] aussprechen. Es ist schwierig sich ein unsinnigeres, lachhafteres und unfruchtbareres Unterfangen auszudenken. Ist diesen Leuten auch nur irgendetwas aus der Geschichte der bolschewistischen Partei bekannt? Haben sie die Arbeiten Lenins gelesen? Sind sie mit dem Briefwechsel von Marx und Engels bekannt? Oder aber ist die ganze Geschichte der revolutionären Bewegung an ihnen spurlos vorbeigeflossen? Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder der amerikanischen Liga hat, zum Glück, mit solchen Ideen nichts gemeinsam.

10In der englischen und älteren deutschen Übersetzung „eigene“

11In der älteren deutschen Übersetzung fehlt der Satz

12In der englischen Übersetzung „Lehrerföderation“

13In der englischen und älteren deutschen Übersetzung „Mangel an Präzision“

14In der französischen Übersetzung „orientieren“

15In der älteren deutschen Übersetzung fehlen die zwei Worte

16In der französischen Übersetzung „materiellen“

17In der englischen Übersetzung: „stützen sie sich auf“

18In der englischen Übersetzung einfügt: „weiteren“

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