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Leo Trotzki 19310523 Brief an Max Shachtman

Leo Trotzki: Brief an Max Shachtman

23. Mai 1931

[Eigene Übersetzung nach der englischen Übersetzung in Writing of Leon Trotsky, Vol. 13. Supplement (1929-1933), New York 1979, S. 81-84, dort unter dem Titel „Part of the Responsibility for the German Split”, „Teil der Verantwortung für die deutsche Spaltung]

Werter Genosse Shachtman,

1. Wie Sie vermutet haben, bin ich wirklich mit Arbeit überlastet und kann mir kaum vorstellen, das Vorwort für das China-Buch zu schreiben, um das Sie mich bitten. Es müsste sehr sorgfältig ausgearbeitet werden. Mir fällt nicht ein, welche Manuskripte über China ich Ihnen schicken soll. Das größere Werk „Die chinesische Frage nach dem Sechsten Weltkongress" wurde Ihnen im Januar zugesandt. Haben Sie den langen Artikel im Russischen Biulleten Nr. 15-16, S. 7-19, „Stalin und die chinesische Revolution", absichtlich nicht beachtet? Der Artikel ist vielleicht etwas trocken, er besteht hauptsächlich aus Zitaten, aber er stellt ein recht umfangreiches Werk dar und kann gewissermaßen das von Ihnen gewünschte Vorwort ersetzen, da er die verschiedenen Etappen koordiniert und außerdem neue, wichtige Dokumente ans Licht bringt. Ich würde Ihnen empfehlen, diesen Artikel entweder als ersten oder als letzten einzufügen. Das würde mir jedenfalls die Aufgabe des Vorworts sehr erleichtern. Ebenso finde ich in Ihrer Liste nicht meinen neuesten Artikel, der in La Vérité erschienen ist, „Die erdrosselte Revolution", eine Rezension von Malraux' Roman. Ich glaube, dass dieser Artikel sehr gut in den Rahmen des Buches passen wird.

2. Zusammen mit Genosse Frankel sind wir sehr froh, dass Sie Ihre Vorbehalte bezüglich Landau halbwegs überwunden haben. Ihre Erklärung, erlauben Sie mir zu sagen, erscheint mir nicht sehr überzeugend. Sie schreiben, Sie hätten eine vorzeitige Spaltung vermeiden wollen. Haben Sie das Gefühl, dass ich diese Spaltung herbeiführen oder beschleunigen wollte? Und wenn nicht, welche praktischen Schritte haben Sie vorgeschlagen, um dieses Ziel zu erreichen? Ich habe meinerseits alles getan, was mir möglich und zweckmäßig erschien. Abgesehen davon schien es mir, dass, wenn die führenden Genossen der nationalen Sektionen rechtzeitig richtigen Druck auf Landau ausgeübt hätten, er vielleicht – ich sage vielleicht – gerettet worden wäre. Leider war das nicht der Fall, und Sie tragen einen kleinen Teil der Verantwortung dafür. Den Löwenanteil, nach Landau, trägt natürlich Naville, der Landau mit falschen Hoffnungen ermutigte, zweideutige Informationen schickte, usw. Jetzt will Landau nichts mehr mit dem Internationalen Sekretariat zu tun haben und arbeitet energisch daran, eine neue Internationale zu gründen, mit den Gourget-Leuten, mit den Prometeo-Leuten, mit Overstraeten, und, wie berichtet wird, mit - Weisbord für Amerika. Mehr als das: während er alles getan hat, um die Vereinigung in Österreich zu verhindern und in Deutschland zu zerstören, beschuldigt er mich, alle nationalen Sektionen gespalten zu haben, besonders in Amerika. Also, mein lieber Shachtman, ich trage die Verantwortung dafür, dass Sie sich mit Weisbord nicht gut verstanden haben. Ich fürchte, Naville wird denselben Weg einschlagen müssen. Seine engsten Freunde haben ihn im Stich gelassen, und das nicht zufällig. Diejenigen, die er beeinflusst, sind uns feindlich gesinnt und meinen es ernst. Naville aber spielt mit Ideen und hat es nie ernst und ehrlich gemeint. Er bleibt in der Liga, um sie von innen heraus zu sabotieren und um Landau zu helfen, seine neue Internationale aufzubauen. Über das Prinzip, das damit verbunden ist, habe ich in einem Brief geschrieben, den Ihnen mein Sohn schicken wird.

Es ist klar, dass die Entscheidungen nach den prinzipiellen Linien der verschiedenen Tendenzen getroffen werden müssen, und ich verstehe sehr gut die Vorsicht, die Ihre Organisation auf diesem Gebiet walten lässt. Aber dieses Kriterium darf nicht pedantisch und so formalistisch aufgefasst werden. Die Bordigisten sind eine Tendenz, und sie müssen nach ihren Grundprinzipien beurteilt werden. Gourget ist eine Tendenz und van Overstraeten ist eine Tendenz - natürlich eine unglückliche. Aber was soll man von der Mahnruf-Gruppe sagen, die im Interesse der Selbsterhaltung der alten Clique siebenmal ihre „Tendenz" wechselt und dabei auch vor den schmutzigsten Methoden nicht Halt macht? Das Urteil muss davon ausgehen, dass es sich um eine prinzipienlose, durch die Methoden, Spaltungen und Intrigen der Komintern demoralisierte Clique handelt, die Ideen nicht ernst nimmt und bei der man nicht auf die Thesen, sondern auf die Finger schauen muss. Wichtig sind nicht die Thesen, die Landau morgen vortragen wird, sondern die Tatsache, dass er alles zu China, auch zu Amerika und den anderen Ländern, gutheißt, soweit es seine Machtposition nicht berührt. Was für Landau charakteristisch ist, sind nicht seine gewerkschaftlichen Thesen, sondern die Tatsache, dass er zur Gewerkschaftsfrage in Frankreich ein tödliches Schweigen bewahrt hat, weil Naville sein Freund ist. Die Programme, die Thesen, die Prinzipien sind sehr wichtig, wenn sie eine Realität darstellen. Wenn sie aber nur eine Zierde und eine Maske für den Cliquenkampf sind, dann müssen sie beiseite geschoben werden, um die betreffenden Herren zu entlarven und in natura darzustellen.

3. Ich freue mich natürlich, dass Sie für die Vorveröffentlichungsrechte etwas Geld erhalten haben. Was die Rechte für die deutsche Volkszeitung [in New York] betrifft, so habe ich Fischer [Verleger des Buches in Deutschland] einen Brief per Luftpost und nicht per Telegramm geschickt, um ihm die Sache deutlicher zu machen. Ich habe ihn gebeten, seine Entscheidung nach Amerika zu kabeln. Leider bin ich mir nicht sicher, ob er dem nachkommen wird, und im negativen Fall würde ich gerne die Militant-Kasse zurückerstattet sehen.

Es ist aber im Moment eine Frage einer Perspektive, die mit einer größeren Summe zu tun hat. Ich befürchte, dass Boni versuchen wird, auch von den Tantiemen der Saturday Evening Post 5 Prozent abzuziehen. Und da ich einerseits zu lange von den Verlegern betrogen und hintergangen worden bin und andererseits das Geld für die Gründung einer deutschen Theoriezeitschrift brauche, bin ich entschlossen, die 5 Prozent auf keinen Fall zu zahlen, auch auf die Gefahr hin, den Vertrag zu brechen. Ich habe Eastman ausführlicher geschrieben. Ich würde sehr gerne die 5 Prozent für The Militant haben, sowohl von dem Buch als auch von den Vorabdrucken. Es wäre eine beträchtliche Summe. Sie müssen dafür sorgen, dass unser lieber Eastman mit Boni energischer umgeht und unsere gemeinsamen Interessen nicht aufgibt, wie er es mit seinen eigenen getan hat.

4. Ich habe keine Ahnung, was die bürgerliche Presse [über den Abdruck von Auszügen aus der Geschichte] geäußert hat, und hätte gern alles, was von Interesse ist.

5. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich mich über die Perspektive freue, The Militant in eine Wochenzeitschrift umzuwandeln. Der nächste Schritt muss eine theoretische Monatszeitschrift sein. Ich bin sehr geneigt, dieses Ziel mit meinem Beitrag für den Militant-Fonds zu verbinden.

Mit besten Grüßen.

Ihr,

L. Trotzki

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