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Leo Trotzki 19310307 Brief an das internationale Sekretariat

Leo Trotzki: Brief an das internationale Sekretariat

[Eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit der englischen Übersetzung]

An das internationale (Administrativ-) Sekretariat und das internationale Büro.

An die nationalen Sektionen der linken Opposition

Werte Genossen!

Manche der einflussreichen Mitglieder der linken Opposition – besonders in Deutschland – versuchen, rings um das Internationale Sekretariat eine Legende oder eine Reihe von Legenden zu schaffen, um damit ihre eigenen Fehler zu verdecken. Zu solchen unwürdigen Methoden gehört Gerede darüber, dass das Internationale Sekretariat für „den Kampf“ gegen das Internationale Büro usw. geschaffen sei. Es reicht aus, die Fakten wiederherzustellen, um diese Legende wie Rauch zu zerstreuen.

Das Büro wurde auf der Aprilkonferenz des vergangenen Jahres gewählt, bestehend aus den Genossen Rosmer, Markin und einem Vertreter der deutschen Opposition, als der sich in der Folge der Genosse Landau erwies.

Die Krise in der französischen Opposition bewirkte, dass Genosse Rosmer, eines der Mitglieder des Büros, sich vollkommen von der Arbeit in der Liga entfernte und dies erschwerte für sich genommen die normale Arbeit des Büros. Besser als irgendjemand könnte ich einen Bericht darüber abgeben, welchen Schaden der französischen und internationalen Opposition die Selbstentfernung des Genossen Rosmer von der Arbeit zufügte. Alle jene Schritte und Maßnahmen, welche ich unternahm, um dem Genossen Rosmer die Möglichkeit der Rückkehr zur Arbeit zu erleichtern – der letzte Versuch dieser Art ist unter dem Namen des sogenannten „Prinkipofriedens“ bekannt – führte nicht zu den wünschenswerten Resultaten. Aus Motiven, welche ich nicht teile, hält Genosse Rosmer es für möglich, abseits von der Arbeit der internationalen linken Opposition zu bleiben.

Um das Internationale Büro zu festigen, schlug ich in Abstimmung mit einigen Genossen vor, in das Büro die Genossen Nin und Shachtman einzubeziehen. Aber Genosse Nin wurde bald arretiert, nicht davon zu reden, dass er von spanischen Angelegenheiten völlig aufgesogen wurde. Genosse Shachtman befindet sich jenseits des Ozeans. Die übrigen drei Mitglieder des Büros befanden sich die ganze Zeit an drei verschiedenen Punkten Europas, wobei einer von ihnen faktisch, wie bereits gesagt, im Verlauf einer Reihe von Monaten ganz und gar nicht an der Arbeit teilnahm.

Bei einer solchen Lage blieb nichts anderes, als zu versuchen, an einem Platz ein ständiges Sekretariat zu schaffen. Dieser Vorschlag wurde einhellig von beiden Gruppen der französischen Liga und allen übrigen nationalen Sektion angenommen. Widerspruch ging nur von dem vom Genossen Landau geführten deutschen Vorstand aus.

Was war die ursprüngliche Zusammensetzung des Sekretariats? Sie ist bekannt: Mill, Souzo und Naville. Die Zusammensetzung wiederum erhielt allgemeine Unterstützung. Im Moment der Bestätigung des Sekretariats waren die Positionen des Genossen Souzo in Fragen der französischen Krise und deutschen Differenzen mir vollkommen unbekannt. Bestimmend für mich war damals der Umstand, dass Genosse Souzo bestimmte Erfahrung bei der Leitung von Parteiarbeit hatte und an der Spitze einer wenn auch unbedeutenden, aber doch qualifizierten nationalen Gruppe steht. Bereits sehr schnell zeigte sich, dass Genosse Souzo in der inneren Krise der Liga Naville unterstützte und einen schroffen Kampf gegen die Mehrheit der französischen Liga führte. Die Fraktion Navilles erweist sich, wie wir sehen, im Sekretariat in der Mehrheit, was kaum mit ihrem Ideen- und politischen Gewicht in der internationalen Opposition übereinstimmt. Ich persönlich bedauerte das, aber erachtete dies als Faktum. Dazu muss man hinzufügen, dass das dritte Mitglied des Sekretariats, Genosse Mill, in organisatorischen Fragen eine überaus weitgehende versöhnlerische Position einnahm. Auf diese Weise entkräftet die Zusammensetzung des Sekretariats glatt die Legende über die künstliche Auslese des Sekretariats mit dem Ziel des Kampfes gegen das Büro.

Der Hauptautor dieser Legende ist Genosse Landau. Er ist auch der Verteidiger der Rechte des Büros gegen die Anschläge des Sekretariats. Aber wie verhält sich die Sache in der Praxis? Als die überaus wichtig Frage des ferneren Schicksals der österreichischen Gruppen aufkam, fand ich, dass im gegebenen Fall die Einmischung des Büros erforderlich war, und schlug letzterem einen Entwurf einer Plattform für die Vereinigung der österreichischen Gruppen vor. Die Genossen Rosmer und Markin äußerten sich für mein Vorschläge, Genosse Landau dagegen. Dies war selbstverständlich sein Recht. Jedoch beschränkte er sich nicht darauf, sondern rief hinter dem Rücken des Büros seine Gesinnungsgenossen in Österreich auf, die Beschlüsse der Mehrheit des Büros im Geist seiner, Landaus, Plattform zu ignorieren, die das Büro zurückgewiesen hatte. Die Kopie der Briefe Landaus wurden uns aus Österreich geschickt und muss nach meiner Meinung allen nationalen Sektionen mitgeteilt werden. Das Verhalten Landaus in dieser kapitalsten Frage bedeutete faktisch die Liquidierung des Büros. Kein ernsthafter Revolutionär könnte eine leitende Organisation achten, wenn eines ihrer Mitglieder, welches in der Minderheit verblieb, sich ungestraft erlaubte, nicht nur die Entscheidung der Mehrheit der Organisation zu ignorieren, sondern auch außerdem die interessierten nationalen Sektionen dazu aufrufen. Die derzeitige „Verteidigung“ des Büros von Seiten Landaus kann ich nicht anders als als eine unwürdige Komödie bezeichnen.

Ich kehre zum ferneren Schicksal des Sekretariats zurück. Als die Fehlerhaftigkeit der Politik der alten Exekutivkommission der Liga, besonders in der Gewerkschaftsfrage, vollständig aufgedeckt wurde, reichte Genosse Naville den Rücktritt aus dem Sekretariat ein. Die Methode der Rücktritte ist eine abnormale Methode in einer revolutionären Organisation. Aber auf der anderen Seite blieb dem Genossen Naville wohl auch kein anderer Ausweg: Ein Vertreter der französischen Opposition kann nicht am Sekretariat teilnehmen, wenn er keine Stütze in der Exekutivkommission der Liga und in der „Vérité“ hat.

Die Exekutivkommission der Liga stellte aus ihren Reihen den Genossen Frank als Kandidaten als Mitglied des internationalen Sekretariats auf. Gen. Frank spiegelt die Sicht der Mehrheit der Liga, der Exekutivkommission und der Redaktion der „Vérité“ wider. Ich meine, dass die nationalen Sektionen keine Gründe haben, Einwände gegen das Ersetzen des Genosse Naville durch den Genossen Frank zu haben. Außer allem übrigen war dadurch eine viel größere Übereinstimmung der Richtung des internationalen Sekretariats mit der Richtung der erdrückenden Mehrheit der internationalen Opposition gesichert.

Ich erinnere daran, dass auch in der erneuerten Zusammensetzung das Sekretariat vollkommen frei von Fraktionseinseitigkeit war: Genosse Souzo steht, wie bereits gesagt, im Großen und Ganzen auf den Positionen Navilles, hat aber, im Unterschied zu letzterem, eine kleine nationale Sektion hinter sich.

Was ist für die Wiederaufnahme der Tätigkeiten des derzeitigen internationalen Büros als höchste politische Instanz notwendig, welche sich ihrer ganzen Zusammensetzung nach nur in besonders wichtigen Fällen einmischen kann? Dazu ist erforderlich:

a) dass Genosse Rosmer zur aktiven Arbeit in der Liga zurückkehrt.

b) dass die deutsche Opposition die derzeitigen Krisen hinter sich lässt, weil im gegebenen Moment Genosse Landau eine Minderheit der Organisation darstellt und einen gnadenlosen Kampf gegen die Mehrheit führt und die Einberufung einer redlich, gewissenhaft vobereiteten Konferenz behindert.

c) es ist außerdem notwendig, dass im Internationalen Büro eine Wiederholung des organisatorischen Treubruchs undenkbar ist, wie ihn Landau in der österreichischen Frage gezeigt hat.

Selbstverständlich hat in allen jenen Fällen, wo es das Sekretariat erforderlich findet, die Meinung aller Mitglieder des derzeitigen Büros abzufragen, es die volle Möglichkeit, das zu machen, und eine solche Befragung wird natürlich eine große politische Bedeutung haben. Aber es ist vollkommen offensichtlich, dass ohne die weiter oben genannten Bedingungen das Internationale Büro in seiner derzeitigen Zusammensetzung nicht die Rolle eines aktiv leitenden Zentrums spielen kann.

Umso wichtiger und verantwortlicher ist jetzt die Aufgabe, die beim Sekretariat liegt. Dessen Autorität zu untergraben, sich in dessen Arbeit einzumischen, ist ein direktes Verbrechen. Ich glaube, dass alle Sektionen daran interessiert sind, das Sekretariat gegen die Sabotage einzelner Personen und Zirkel zu unterstützen.

Das Sekretariat ist zweifellos noch schwach. Sehr viel Zeit wurde versäumt. Die alltägliche Arbeit des Sekretariats benötigt die Kritik von Seiten aller nationalen Sektionen. Aber zur gleichen Zeit muss man sich erinnern, dass das Sekretariat jetzt das einzige Kettenglied ist, das die Opposition zusammenbindet. Nur das Sekretariat ist fähig eine ernsthafte internationale Konferenz vorzubereiten. Wir haben das Recht und die Verpflichtung, vom Sekretariat strengste organisatorische Loyalität in Beziehung zu allen Sektionen und einzelnen Gruppierungen innerhalb dieser Sektionen zu fordern. Wir können fordern, dass das Sekretariat Protokolle seiner Sitzungen an alle Sektionen versendet, damit dessen Arbeit unter Kontrolle der ganzen internationalen Opposition verläuft. Aber wir müssen, auf der anderen Seite, das Sekretariat gegen Ränke, Klatsch und Intrige abschirmen. Dies fordern die elementaren Interessen der linken Opposition.

Mit kommunistischen Grüßen

L. Trotzki

Prinkipo, 7. März 1931

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