Leo Trotzki‎ > ‎1931‎ > ‎

­­Leo Trotzki 19310104 Die Fehler des rechten Flügels der Liga in der Gewerkschaftsfrage

Leo Trotzki: Die Fehler des rechten Flügels

der Liga in der Gewerkschaftsfrage

Einige einführende Bemerkungen

[Nach Marxismus und Gewerkschaft. Essen 1976, S. 67-77]

1. So wie das theoretische Gefüge der politischen Ökonomie des Marxismus völlig auf der Konzeption des Werts als vergegenständlichter Arbeit beruht, so beruht die revolutionäre Politik des Marxismus auf der Konzeption der Partei als der Vorhut des Proletariats.

Was auch immer die sozialen Ursachen und politischen Gründe von opportunistischen Fehlern und Abweichungen sein mögen, ideologisch lassen sie sich immer auf ein falsches Verständnis von der revolutionären Partei, ihrer Beziehung zu anderen proletarischen Organisationen und zum Klassenkampf als Ganzem zurückführen.

2. Die Konzeption von der Partei als proletarischer Vorhut setzt ihre vollständige und bedingungslose Unabhängigkeit von allen anderen Organisationen voraus. Die verschiedenen Vereinbarungen (Blöcke, Koalitionen, Kompromisse) mit anderen Organisationen, die im Verlauf des Klassenkampfs unvermeidbar sind, sind nur unter der Bedingung zulässig, dass die Partei sich selbst immer auf die Klasse ausrichtet, unter ihren eigenen Bannern marschiert, unter ihrem eigenen Namen auftritt und den Massen offen die Ziele und die Grenzen erklärt, unter denen die Abmachungen getroffen werden.

3. Als Ursache aller Schwankungen und Fehler der Komintern-Führung findet sich ein falsches Verständnis vom Wesen der Partei und ihren Aufgaben. Die stalinistische Theorie der „Zwei-Klassen-Partei“ widerspricht dem ABC des Marxismus. Die Tatsache, dass die offizielle Kommunistische Internationale diese Theorie jahrelang toleriert hat und sie bis auf den heutigen Tag nicht mit der nötigen Entschlossenheit verurteilt, ist das deutlichste Zeichen für die Unrichtigkeit ihrer offiziellen Lehre.

4. Das grundlegende Verbrechen der zentristischen Bürokratie in der UdSSR ist ihr falsches Verhältnis zur Partei. Die stalinistische Fraktion versucht administrativ, die ganze Arbeiterklasse in die Reihen der Partei zu holen. Die Partei hört auf, die Vorhut zu sein, das heißt, die freiwillige Auswahl der fortgeschrittensten, der bewusstesten, der ergebensten und aktivsten Arbeiter. Die Partei wird mit der Klasse, so wie sie ist, vermengt und verliert ihre Kraft, dem bürokratischen Apparat zu widerstehen. Auf der anderen Seite rechtfertigen die Brandlerianer und die übrigen Anhängsel der zentristischen Bürokratie das stalinistische Partei-Regime mit dem philisterhaften Hinweis auf die „Kulturlosigkeit“ des russischen Proletariats; auf diese Weise setzen sie die Partei und die Klasse gleich, d.h. sie liquidieren die Partei in der Theorie, wie Stalin sie in der Praxis liquidiert.

5. Die Grundlage für die katastrophale Politik der Komintern in China war der Verzicht auf die Unabhängigkeit der Partei. Praktische Vereinbarungen mit der Kuomintang waren in einer gewissen Zeit unvermeidlich. Der Eintritt der Kommunistischen Partei in die Kuomintang war ein verhängnisvoller Fehler. Die Weiterentwicklung dieses Fehlers verwandelte sich in eins der größten Verbrechen der Geschichte. Die chinesische Kommunistische Partei wurde einzig und allein aufgebaut, um ihre Autorität an die Kuomintang abzugeben. Von der Vorhut des Proletariats wurde sie zum Schwanz der Bourgeoisie gemacht.

6. Das katastrophale Experiment mit dem Anglo-russischen Komitee hatte seine Ursache einzig und allein in der Tatsache, dass die Unabhängigkeit der britischen Kommunistischen Partei mit Füßen getreten wurde. Damit die sowjetischen Gewerkschaften ihren gemeinsamen Block mit den Streikbrechern des ,Generalrats‘ aufrechterhalten konnten (angeblich im Staatsinteresse der UdSSR!), musste die britische Kommunistische Partei jeglicher Unabhängigkeit beraubt werden. Das wurde erreicht durch die tatsächliche Auflösung der Partei in die sogenannte „Minderheitsbewegung“, das heißt, die „linke“ Opposition innerhalb der Gewerkschaften.

7. Die Erfahrung des Anglo-russischen Komitees wurde bedauernswerterweise am wenigsten verstanden und begriffen; sogar in den Gruppen der Linken Opposition. Die Forderungen nach dem Bruch mit den Streikbrechern erschienen sogar einigen in unseren Reihen als Sektierertum. Besonders bei Monatte war der ursprüngliche Fehler, der ihn in die Arme von Dumoulin trieb, am klarsten ausgedrückt in der Frage des Anglo-russischen Komitees. Gleichwohl hat diese Frage eine enorme Bedeutung: ohne ein klares Verständnis darüber, was in England 1925/26 passierte, wird weder der Kommunismus im Allgemeinen, noch die Linke Opposition im Besonderen in der Lage sein, an Boden zu gewinnen.

8. Stalin, Bucharin und Sinowjew – in dieser Frage waren sie sich völlig einig, zumindest in der ersten Zeit – versuchten die schwache britische Kommunistische Partei durch eine „breitere Bewegung“ zu ersetzen, an deren Spitze sicherlich keine Mitglieder der Partei standen, sondern „Freunde“, fast Kommunisten, auf jeden Fall nette Kerle und gute Bekannte. Die netten Kerle, die „zuverlässigen Führer“ wollten sich natürlich nicht der Führung einer kleinen, schwachen Kommunistischen Partei unterordnen. Das war ihr volles Recht; die Partei kann niemanden zwingen, sich ihr unterzuordnen. Die Abmachungen zwischen den Kommunisten und den „Linken“ (Purcell. Hicks, Cook) auf der Grundlage von besonderen Aufgaben innerhalb der Gewerkschaftsbewegung war natürlich möglich und in bestimmten Fällen unvermeidbar. Aber unter einer Bedingung: die Kommunistische Partei musste ihre völlige Unabhängigkeit bewahren und auch in den Gewerkschaften in allen Fragen von Prinzipien unter ihrem eigenen Namen auftreten, ihre „linken“ Verbündeten kritisieren, wann immer notwendig, um auf diese Weise Schritt für Schritt das Vertrauen der Massen zu gewinnen.

Dieser einzig mögliche Weg jedoch erschien den Bürokraten der Kl zu langwierig und zu unsicher. Sie dachten, dass sie die Linke Opposition („die breite Bewegung“) durch persönliche Beeinflussung von Purcell, Hicks, Cook und anderen (Gespräche hinter den Kulissen, Korrespondenzen, Bankette, freundliches Rückenklopfen, Ermahnungen) langsam und unbemerkt in den Strom der Kommunistischen Internationale ziehen würden. Um einen solchen Erfolg mit noch größerer Sicherheit zu erzielen, durften die teuren Freunde (Purcell, Hicks und Cook) durch kleinliche Schikane, durch unangebrachte Kritik, durch sektiererische Unversöhnlichkeit und so weiter nicht belästigt, gequält oder verärgert werden. Aber da gerade eine der Aufgaben der Kommunistischen Partei genau darin besteht, die Zentristen und Halb-Zentristen in ihrer Ruhe zu stören und aufzuschrecken, mussten radikale Methoden angewandt werden, um die KP tatsächlich der „Minderheitsbewegung“ unterzuordnen. Auf dem Gebiet der Gewerkschaften erschienen nur die Führer dieser Bewegung. Die britische Kommunistische Partei hatte praktisch aufgehört, für die Massen zu existieren.

9. Was waren die Forderungen der russischen Linken Opposition in Bezug auf diese Fragen? Als erstes muss die völlige Unabhängigkeit der britischen Kommunistischen Partei gegenüber den Gewerkschaften wiederhergestellt werden. Wir betonten, dass nur unter dem Einfluss der unabhängigen Losungen der Partei und ihrer offenen Kritik die Minderheitsbewegung Form annehmen, ihre Aufgabe besser verstehen, ihre Führer auswechseln und sich in den Gewerkschaften verankern kann, während sie damit gleichzeitig die Position des Kommunismus stärkt.

Was antworteten Stalin, Bucharin, Losowsky und Co. auf unsere Kritik? „Ihr wollt die britische Kommunistische Partei auf den Weg des Sektierertums drängen. Ihr wollt Purcell, Hicks und Cook in das Lager der Feinde treiben. Ihr wollt mit der Minderheitsbewegung brechen.“

Was erwiderte die Linke Opposition? „Wenn Purcell und Hicks von uns brechen, nicht weil wir von ihnen fordern, dass sie sofort Kommunisten werden müssen – niemand verlangt das! – sondern weil wir selbst Kommunisten bleiben wollen, dann bedeutet das, dass Purcell und Co. keine Freunde, sondern maskierte Feinde sind. Je schneller sie ihre wahre Natur zeigen, um so besser für die Massen. Wir wollen auf keinen Fall mit der Minderheitsbewegung brechen. Im Gegenteil, wir müssen dieser Bewegung die größte Aufmerksamkeit schenken. Der kleinste Schritt vorwärts mit den Massen oder mit einem Teil der Massen ist wertvoller als ein Dutzend abstrakter Programme von lntellektuellenzirkeln; aber die Aufmerksamkeit, die wir den Massen schenken müssen, hat nichts zu tun mit der Kapitulation vor ihren augenblicklichen Führern und Halbführern. Die Massen brauchen eine richtige Orientierung und richtige Losungen. Das schließt jede theoretische Anpassung und Verteidigung von Konfusionisten aus, die nur die Rückständigkeit der Massen ausnutzen.

10. Was war das Ergebnis des britischen Experiments von Stalin? Die Minderheitsbewegung, die fast eine Million Arbeiter umfasst, sah sehr vielversprechend aus, aber sie trug in sich die Keime der Zerstörung. Die Massen kannten als Führer dieser Bewegung nur Purcell, Hicks und Cook, für die Moskau auch noch bürgte. Diese „linken“ Freunde haben dann im Ernstfall das Proletariat schändlich verraten. Die revolutionären Arbeiter wurden in Verwirrung geworfen, versanken in Apathie und dehnten natürlich ihre Enttäuschung auf die KP selbst aus, die selbst nur eine passive Rolle in diesem ganzen Mechanismus von Verrat und Treulosigkeit gespielt hatte. Die Minderheitsbewegung löste sich in Nichts auf; die Kommunistische Partei kehrte in die Existenz einer vernachlässigbaren Sekte zurück. Auf diese Art und Weise hat dank einer völlig falschen Konzeption der Partei die größte Bewegung der englischen Arbeiterklasse, die zu einem Generalstreik geführt hatte, nicht nur den Apparat der reaktionären Bürokratie überhaupt nicht erschüttert, sondern ihn im Gegenteil gestärkt und den Kommunismus in Großbritannien für lange Zeit kompromittiert.

11. Eine der psychologischen Ursachen des Opportunismus ist oberflächliche Ungeduld, Mangel an Vertrauen in das stetige Wachsen des Einflusses der Partei, das Bestreben, mit Hilfe von organisatorischen Manövern und persönlichem Geschick die Massen zu gewinnen. Daraus entsteht die Politik der Absprachen hinter den Kulissen, des Schweigens, des Vertuschens, der Selbstaufopferung, der Anpassung an die Ideen und Losungen von anderen, und schließlich das völlige Übergehen zu den Positionen des Opportunismus. Die Unterordnung der KP unter die Kuomintang in China, die Schaffung von Arbeiter- und Bauernparteien in Indien, die Unterordnung der britischen Partei unter die Bewegung der Minderheit usw. usw. … – in all diesen Phänomenen erkennen wir dieselbe Methode des bürokratischen Kombinierens, die mit oberflächlicher revolutionärer Ungeduld beginnt und mit opportunistischem Verrat endet*.

Das ist genau der Grund, warum wir in den letzten paar Jahren so beharrlich die enorme erzieherische Bedeutung der Beispiele der Strategie der Komintern, die oben zitiert wurden, betont haben. Sie sollten mit jeder neuen Erfahrung noch einmal neu studiert und erneut durchgegangen werden, nicht nur, um die historischen Fehler und Verbrechen im Nachhinein zu verurteilen, sondern um ähnliche Fehler in einer neuen Situation gleich zu Beginn zu erkennen, und zwar dann konsequenterweise, wenn sie noch korrigiert werden können.

12. Es muss direkt gesagt werden: die Fehler von einigen französischen Mitgliedern der Opposition, der Liga, in der Gewerkschaftsfrage weisen beachtliche, ähnliche Züge auf wie das beklagenswerte britische Experiment. Nur das Ausmaß der Fehler in Frankreich ist bis jetzt noch viel geringer, und sie haben sich noch nicht auf der Grundlage einer Massenbewegung entwickelt. Das erlaubt einigen Genossen, diese Fehler zu übersehen oder ihre prinzipielle Bedeutung zu unterschätzen. Wenn die Liga es jedoch zulässt, dass auch in Zukunft die Gewerkschaftsarbeit mit den Methoden geleitet wird, die die Mehrheit der alten Führung ausgearbeitet hat, dann werden die Ideen und das Banner der Linken Opposition in Frankreich weit bis in die Zukunft kompromittiert werden.

Es wäre kriminell, die Augen davor zu verschließen. Da diese Fehler in ihrem Anfangsstadium durch persönlichen Rat und Warnungen nicht erfolgreich korrigiert wurden, gibt es keinen anderen Weg, als diese Fehler und ihre Urheber offen zu nennen, um diese Politik durch gemeinsame Anstrengungen zu verändern.

13. Seit April 1930 hat die Liga tatsächlich die unabhängige Arbeit in den Gewerkschaften aufgegeben zugunsten der ,Einheitlichen Opposition‘ (EO), die ihrerseits sich bemüht, ihre eigene Plattform, ihre Führung, ihre Politik zu entwickeln. Es muss jedoch gesagt werden, dass es unter den Bedingungen in Frankreich gewisse Züge gibt, die von Anfang an dieses Experiment noch gefährlicher machten. In England stand die Minderheitsbewegung als ganzes weiter links als die offizielle Führung der Gewerkschaften.

Kann man dasselbe von der ,Einheitlichen Opposition‘ behaupten? Nein. In ihren Reihen gibt es Elemente, die offensichtlich zur Rechten Opposition tendieren, d.h. zum Reformismus. Das Ausmaß ihres Einflusses ist uns nicht bekannt.

Die Hauptkraft der ,Einheitlichen Opposition‘ ist der Lehrerverband. In Frankreich haben die Lehrer immer eine wichtige Rolle im Sozialismus, im Syndikalismus und im Kommunismus gespielt. Unter den Lehrern werden wir zweifellos viele Freunde finden. Trotzdem ist der Verband als Ganzes kein proletarischer Verband. Aufgrund seiner sozialen Zusammensetzung kann der Lehrerverband sehr gute Agitatoren, Journalisten und einzelne Revolutionäre hervorbringen, aber er kann nicht die Grundlage für eine Gewerkschaftsbewegung werden. Seine sämtlichen Dokumente verraten unzureichende Klarheit der politischen Gedanken. Der Kongress des Verbands in Marseille zeigte, dass seine Mitglieder im Dreieck zwischen dem offiziellen Kurs, der Linken Opposition und der Rechten Opposition hin und her schwanken. Wir würden den Mitgliedern des Verbands genauso wie der gesamten proletarischen Bewegung den schlechtesten Dienst erweisen, wenn wir ihre Fehler, ihre Schwankungen, ihren Mangel an Präzision vertuschen würden. Bedauerlicherweise war das bis vor einigen Tagen die Politik der Redaktion der ,Vérité‘ – eine Politik des Schweigens – und das war kein Zufall.

14. Und dann wolltet ihr mit der ,Einheitlichen Opposition‘ brechen? Jeder, der das Problem auf diese Art und Weise stellt, sagt allein dadurch, dass die Kommunisten als Kommunisten nicht an der Arbeit der ,Einheitlichen Opposition‘ teilnehmen können. Wenn das der Fall wäre, dann würde das ganz einfach bedeuten, dass die ,Einheitliche Opposition‘ eine Organisation der maskierten Feinde des Kommunismus ist. Glücklicherweise ist das nicht so. Die ,Einheitliche Opposition‘ als ganze ist weder eine kommunistische, noch eine anti-kommunistische Organisation, weil sie uneinheitlich ist. Wir sind verpflichtet, diesen uneinheitlichen Charakter bei unserer praktischen Arbeit zu berücksichtigen. Wir können und wir müssen den verschiedenen Gruppen und sogar den Individuen, die sich in Richtung auf den Marxismus entwickeln, größte Aufmerksamkeit schenken. Aber all das unter einer Bedingung: dass, wenn wir vor den Arbeitern in der Gewerkschaft erscheinen, wir im Namen der Kommunistischen Liga handeln, ohne irgendeine Zensur unseres Handelns zu akzeptieren, außer der Kontrolle der Liga selbst (oder der gesamten Partei nach der Wiederherstellung der Einheit der kommunistischen Reihen).

15. In den Reihen der ,Einheitlichen Opposition‘ gibt es zweifellos Elemente, die sehr stark mit der Linken Opposition sympathisieren, ohne Mitglieder der Liga zu sein: Sie müssen unter unserem Banner versammelt werden. Es gibt unentschlossene Elemente, die mit aller Kraft anstreben, bei ihrer Position zu bleiben und sie in eine ,Plattform’ zu verwandeln. Mit diesen Elementen können wir taktische Übereinkünfte auf einer festen Grundlage treffen, indem wir uns die volle Freiheit gegenseitiger Kritik vorbehalten. Und schließlich gibt es in den Reihen der EO ebenfalls ganz unbestritten feindliche Elemente, die dort zufällig hin gerieten oder die als rekrutierende Agenten des Reformismus eindrangen … Sie benutzen die Unklarheit, um Zersetzung zu bewirken. Je schneller sie entlarvt und eliminiert werden, um so besser für die Sache.

16. Sind wir denn nicht für die Zusammenarbeit mit den Arbeitern in den Gewerkschaften, unabhängig von ihren politischen und philosophischen Ansichten? Die EO ist jedoch keine Gewerkschaftsorganisation, sondern eine politische Fraktion, die sich als Aufgabe gesetzt hat, die Gewerkschaftsbewegung zu beeinflussen. Überlassen wir es Monatte und seinen Freunden, den POPisten unter einer Maske zu arbeiten. Revolutionäre arbeiten offen vor den Arbeitern. In der EO können wir nur mit denjenigen, die mit uns zusammen in dieselbe Richtung gehen, zusammenarbeiten, selbst wenn sie uns nicht bis zum Ende unseres Wegs folgen.

17. Bestimmte Genossen bestehen vor allem darauf, dass die Kommunisten für ihren Einfluss in der Gewerkschaft durch das Mittel der Ideen und nicht durch mechanische Mittel kämpfen müssen. Dieser Gedanke, der unwiderlegbar erscheint, wird oft in einen leeren Allgemeinplatz verwandelt.

Die zentristische Bürokratie erklärt auch genauso häufig und sehr ernsthaft, dass ihre Aufgabe darin besteht, durch Ideen zu beeinflussen und nicht mechanisch Druck auszuüben.

Letztendlich reduziert sich die ganze Frage auf die politische und ökonomische Orientierung, auf die Losungen und auf das Aktionsprogramm. Wenn die Orientierung richtig ist, wenn die Losungen mit den Bedürfnissen der Bewegung übereinstimmen, dann bedeutet das auch keinen „Zwang“ für die Massen in den Gewerkschaften. Im Gegenteil, wenn die Orientierung falsch ist, wenn eine Politik des revolutionären Aufschwungs in dem Augenblick verkündet wird, wo ein politischer Rückgang stattfindet und umgekehrt, dann verspüren die Massen eine solche Führung unvermeidlich als einen mechanischen Druck auf sich. Die Frage reduziert sich deshalb konsequenterweise darauf, ob die theoretischen Grundlagen der Linken Opposition ernsthaft und tief gehend genug sind, ob ihre Kader ausreichend ausgebildet sind, um die Situation richtig einzuschätzen und die entsprechenden Losungen zu entwickeln. All das muss in der Praxis überprüft werden. Es ist deshalb um so unzulässiger für uns, die Sünden und Fehler unserer augenblicklichen Verbündeten, und unsere eigenen, schweigend zu übergehen oder zu unterschätzen.

18. Gewisse Mitglieder der Liga protestieren, so unglaublich es auch sein mag, gegen die Absicht von diesem und jenem, die EO der Liga unterzuordnen.

Ohne es zu bemerken, stützen sie sich selbst auf das selbe fadenscheinige Argument, das Monatte gegen den Kommunismus als Ganzen benutzt hat. In der Praxis bedeutet das, dass einige Genossen, die in den Gewerkschaften arbeiten, völlige Unabhängigkeit von der Liga für sich selbst erreichen wollen; sie denken, dass sie durch ihre Manöver, Ermahnungen und ihr persönliches Geschick Ergebnisse erzielen werden, die die Liga durch seine kollektive Arbeit nicht erreichen kann. Andere Genossen, die eine ähnliche Unabhängigkeit für sich in der Presse fordern, befürworten diese Tendenzen. Da taucht die Frage auf: warum sind diese Genossen in die Liga eingetreten, wenn sie kein Vertrauen in ihr haben?

19. Worum geht es eigentlich bei dieser “Unterordnung“ der ,Einheitlichen Opposition‘? Die Fragestellung ist schon falsch. Die Liga verlangt nur die Unterordnung der eigenen Mitglieder. Solange die Mehrheit der EO nicht in der Liga ist, geht es nur um die Frage von Überzeugung, Kompromiss oder Block, aber ganz sicher nicht um die Unterordnung. In Wirklichkeit fordern die Gegner der sogenannten Unterordnung der EO unter die Liga die tatsächliche Unterordnung der Liga unter die EO. Das war genau die Situation bis heute: In ihrer Gewerkschaftsarbeit, d.h. in ihrer wichtigsten Arbeit, ist die Liga der EO untergeordnet, zu deren Gunsten sie jegliche Unabhängigkeit aufgegeben hat. Marxisten können und dürfen eine solche Politik keinen Tag länger dulden.

20. Gewisse führende Genossen, die noch gestern klar und deutlich für eine Politik der Kapitulation gekämpft haben, erklären jetzt, dass sie mit der Notwendigkeit, die EO insgesamt zu verändern, „völlig übereinstimmen“. In Wirklichkeit wollen sie nur eine Änderung des Namens. Je schneller sie mit der marxistischen Kritik „übereinstimmen“, desto mehr führen sie tatsächlich einen Kampf darum, dass alles beim Alten bleibt. Sie wollen ganz einfach die Phraseologie der marxistischen Kritik benutzen, um die alte Politik abzudecken. Das sind keine neuen Methoden, aber sie sind mit der Zeit auch nicht attraktiver geworden. Eine revolutionäre Partei würde sich selbst durch das Gift von Doppelzüngigkeit und Lügen für sehr lange Zeit, wenn nicht für immer korrumpieren, wenn sie erlaubt, dass eine opportunistische Politik durch revolutionäre Phraseologie überdeckt wird. Wir hoffen sehr, dass die Liga das nicht tun wird.

Prinkipo, 4. Januar 1931

* Die führenden Genossen in den Vereinigten Staaten berichten, dass in der amerikanischen Liga gewisse Genossen – sicherlich nur einige Individuen (im wörtlichen Sinn) – einen Block mit den Anhängern Lovestones im Namen der ... „Massenarbeit‘ befürworten. Man kann sich schwer ein lächerlicheres, ungeeigneteres und sterileres Konzept vorstellen. Wissen diese Leute denn wenigstens ein bisschen über die Geschichte der Bolschewistischen Partei? Haben sie die Werke Lenins gelesen? Kennen sie den Briefwechsel zwischen Marx und Engels? Oder ist die gesamte Geschichte der revolutionären Bewegung an ihnen vorbeigegangen, ohne auch nur eine Spur zu hinterlassen? Zum Glück hat die überwältigende Mehrheit der amerikanischen Liga nichts mit solchen Vorstellungen gemein.

Kommentare