Leo Trotzki: Ein neuer Schritt vorwärts 21. Januar 1930 [eigene Übersetzung nach der englischen Übersetzung] „La Vérité“ hat ihr Format erweitert. Die „Zelle“ in Prinkipo begrüßte diese Erweiterung. Gleichzeitig wurde „La lutte“ in eine monatliche theoretische Zeitschrift umgewandelt. Beide Publikationen ergänzen sich und dienen ein und demselben Ziel. Das ist ein ernsthafter Schritt vorwärts! In Frankreich gibt es derzeit eine Fülle von quasikommunistischen und exkommunistischen Publikationen. Eine von ihnen war offen genug, um das Etikett „kommunistisch“ aus ihrem Namen zu entfernen. Das können wir nur begrüßen. Etiketten müssen den Inhalten entsprechen, nicht nur in einer Apotheke, sondern auch in Organisationen. Es gibt absolut keinen Grund, diejenigen, die sich im Sinne von Loriot auf passives Gewerkschaftertum zurückziehen, als Kommunisten zu bezeichnen. Es ist wahr, dass R.P. ihren Syndikalismus „revolutionär“ nennt. Aber es ist hinreichend bekannt, dass das Wort „revolutionär“ – ohne Grundprinzipien, ohne Programm – vor allem in Frankreich leicht zu erlangen ist. „Le Cri du peuple“ fällt in eine zweite Kategorie. Wenn wir einen Spiegel bräuchten, der all die theoretischen und politischen Verwirrungen widerspiegelt, die ein Epigonenregime hervorruft, dann wäre es dieses Organ der syndikalistischen Opposition. Diese Publikation hat die Bedeutung einer vorübergehenden Phase. Keiner der Teilnehmer wird in dieser Phase lange bleiben. Einige von ihnen werden zu einem revolutionären Kurs zurückkehren; dann werden wir sie wieder sehen. Andere werden den ganzen Weg zum „reinen“ Syndikalismus gehen, d.h. zum bürgerlichen Gewerkschaftertum. Es lohnt sich fast nicht, den Namen eines weiteren fast „kommunistischen“ und fast „oppositionellen“ Organs zu nennen, das nichts ausdrückt und niemandem dient – außer bestimmten Individuen mit Ansprüchen, die ebenfalls auf nichts basieren. Noch bevor La Vérité erschien, gab es keinen Mangel an Propheten, die ihr Ende voraussagten. Einige Vordenker, die aus ihren eigenen Akten des Desertierens etwas „Tiefgründiges“ zu machen versuchten, erklärten, dass die Bedingungen für eine kommunistische Partei im Allgemeinen derzeit nicht gegeben seien. La Vérité wächst dennoch und gewinnt nicht nur an Stärke, sondern hat auch eine so wertvolle Verbündete im Kampf wie La lutte de classes gewonnen. La Vérité selbst erhält ein klareres und ausgeprägteres Erscheinungsbild. Man kann sich nur unserem chinesischen Genossen N. anschließen, der vor kurzem aus Shanghai schrieb, dass die Pariser La Vérité und der New Yorker Militant die besten Publikationen der Internationalen Linken Opposition seien. Loriot, in dem leider nichts bleibt, was entweder revolutionär oder marxistisch ist, glaubt, dass der Kommunismus überhaupt keine Zukunft habe. Der Beweis? In Frankreich hat die Opposition in den letzten fünf Jahren keine Fortschritte gemacht. Das ist die Geschichtsphilosophie eines Mannes, der den Halt verloren hat! Mehr als einmal haben die proletarische Avantgarde und der Marxismus zusammen mit ihr Perioden des deutlichen Niedergangs durchgemacht. Vielen Loriots der Periode 1907-10 schien es, dass der Bolschewismus zum Scheitern verurteilt sei. Das letzte halbe Jahrzehnt war eine Zeit schrecklicher Fehler der Komintern und Niederlagen für die internationale Revolution. Die Ergebnisse wirkten sich am stärksten auf den linken Flügel aus. Wir sind heute schwach, ja; aber warum? Weil das deutsche Proletariat 1923 eine schreckliche Niederlage erlitten hat; weil die Abenteuer in Bulgarien und Estland mit einer Niederlage endeten; weil die britischen Gewerkschafter, die Verbündeten Stalins, 1926 eine mächtige revolutionäre Massenbewegung ruinierten; weil die Kommunistische Partei in Polen im selben Jahr eine bedauernswerte Rolle spielte; weil Tschiang Kaischek 1927 mit Hilfe von Stalin und Bucharin die chinesische Revolution niedergeschlagen hat; weil das Proletariat in einer Reihe anderer Länder Niederlagen erlitten hat, weniger dramatisch, aber nicht weniger tief greifend; und weil in der UdSSR die Bürokratie die Partei erstickt hat. Deshalb ist der linke Flügel heute schwach! Aber egal wie groß die gerade aufgezählten Ereignisse jetzt sein mögen, sie haben einen vorübergehenden Charakter. Wir müssen eine Politik auf lange Sicht haben. Es gab jedoch einen spezifischeren, aber sehr wichtigen Grund für die Schwäche der Opposition. In einer Reihe von Ländern, vor allem in Frankreich, haben sich Seite an Seite mit den echten Revolutionären zufällige Elemente der Partei angeschlossen, d.h. diejenigen, die müde und desillusioniert sind, oder noch schlimmer, überhebliche Lehnstuhlkommunisten, die für irgendeine Art von ernsthaftem revolutionärem Kampf ungeeignet sind und die durch ihr ganzes Verhalten nur das Banner der Opposition in den Augen der Arbeiter kompromittieren können. Die russische Opposition war im Ausland am häufigsten durch diese zufälligen Elemente vertreten, die nicht selten zufällige Allianzen schlossen, zufällige Publikationen unterstützten und dazu beitrugen, zufällige Reputationen zu schaffen. All dies führte zu einem Zustand der Verwirrung, den die Arbeiter nicht analysieren konnten. Die einzelnen Machwerke des einen oder anderen Unzufriedenen, der sich der Opposition aus zufälligen Motiven angeschlossen hatte, wurden von der offiziellen stalinistischen Parteipresse veröffentlicht, als wären sie die Ansichten der Opposition insgesamt. Die offizielle Presse unterstützt und fördert damit bewusst ideologisches Chaos, das die einzige Möglichkeit ist, wie die gegenwärtige Bürokratie bestehen kann. La Vérité hat, in dieses Chaos Ordnung gebracht oder, bescheidener gesagt, begonnen es zu bringen. Während des kurzen Zeitraums des Bestehens dieser Publikation hat sich vollständig bestätigt, dass die Vérité-Gruppierung nicht zufällig ist, dass sie jetzt der grundlegende Kern der kommunistischen Linken in Frankreich ist und dass die Konsolidierung der kommunistischen Elemente der Avantgarde um diese Gruppierung herum stattfinden wird. Nach den anstrengenden Bemühungen der ersten Zeit wird die Zusammenführung der Kräfte immer schneller erfolgen. Die revolutionären Arbeiter, die nach der richtigen revolutionären Führung suchen, müssen aus eigener Erfahrung davon überzeugt werden, dass die Opposition sie – im Gegensatz zu den Lügen und Verleumdungen der Stalinisten – nicht zum Syndikalismus oder nach rechts zum Reformismus zurückziehen wird und dass sie keineswegs versucht, die Geschichte von Anfang an zu beginnen, d.h. eine neue Partei an einem neuen Ort aufzubauen, als ob der Krieg, die Oktoberrevolution und der Aufstieg der Dritten Internationale nie stattgefunden hätten. Nicht nur innerhalb der Partei mit all ihrer zahlenmäßigen Schwäche, sondern auch im Umfeld der Partei, unter ihren Sympathisanten und unter den Millionen oder so, die für die Partei stimmen, gibt es Tausende und Zehntausende von Arbeitern, die viel gelernt haben, die ernsthafte Erfahrungen hinter sich haben und die über die katastrophale Politik der Kominternführung zutiefst besorgt sind. Es fehlt ihnen nur die theoretische Beleuchtung ihrer Erfahrung, um überzeugt zu sein, dass sie die gleichen Ansichten wie die Opposition vertreten. La Vérité wird Hand in Hand mit La Lutte de classes politische Klarheit in ihre Mitte bringen. |
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