Leo Trotzki: Thesen über die Organisierung der Industrie [Nach Internationale Presse-Korrespondenz, 3. Jahrgang Nr. 74 (7. Mai 1923), S. 636-641] 1. Die allgemeine Rolle der Industrie im sozialistischen Aufbau. Die bei uns vorhandenen gegenseitigen Beziehungen zwischen der Arbeiterschaft und der Bauernschaft beruhen in letzter Linie auf den gegenseitigen Beziehungen zwischen der Industrie und der Landwirtschaft. Die Arbeiterklasse kann ihre führende Lage in letzter Linie nicht durch den Staatsapparat, nicht durch die Armee, sondern durch die Industrie, die das Proletariat selbst reproduziert, behalten und befestigen. Die Erziehung und Vorbereitung der neuen Generation der Arbeiterklasse ist die Aufgabe der Partei, Gewerkschaften, Jugendverbände, unserer Schulen usw. Aber diese ganze Aufgäbe wäre auf Sand gebaut, wenn wir uns nicht auf eine sich immer erweiternde industrielle Basis stützen könnten. Nur die Entwicklung der Industrie schafft die unerschütterliche Grundlage der proletarischen Diktatur. Obwohl unsere Landwirtschaft noch immer auf einem niedrigen technischen Niveau steht, hat sie eine vorwiegende Bedeutung für das ganze Wirtschaftsleben Sowjetrusslands Nur im Maße der wirklichen Erfolge der Fabrikindustrie und der Wiederherstellung der Schwerindustrie – dieser einzig festen Basis der Diktatur des Proletariats – und in dem Maße, in dem wir uns der Vollendung der Elektrifikationsarbeiten nähern, ist es möglich und unvermeidlich, das Gewichtsverhältnis der Landwirtschaft zum ganzen Wirtschaftsleben des Landes zu ändern und den Schwerpunkt von der Bauernwirtschaft auf die Industrie zu verlegen. Die Partei muss, ohne vor Opfern zurückzuschrecken, und ohne ihre Kräfte zu schonen, an der Beschleunigung dieses Prozesses mit Hilfe des möglichst schnellen Wiederaufbaues der Industrie, insbesondere der Schwerindustrie arbeiten. Wie lange die Periode der vorwiegenden Bedeutung der Bauernwirtschaft im Wirtschaftsleben unserer Föderation dauern wird, das wird nicht nur durch unsere inneren wirtschaftlichen Erfolge bestimmt – diese können vielmehr hinsichtlich der erwähnten allgemeinen Bedingungen nur einen zweitklassigen Charakter haben –, sondern auch durch den Lauf der Entwicklung außerhalb der russischen Grenzen, das heißt vor allem durch den Entwicklungsgang der Revolution im Westen und im Osten. Die Niederwerfung der Bourgeoisie in irgendeinem der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder würde schon auf das ganze Tempo unserer wirtschaftlichen Entwicklung rückwirken durch die Vermehrung der materiellen technischen Mittel des sozialistischen Aufbaues. Unsere Partei muss sich stets diese internationale Perspektive vor Augen halten, aber sie darf bei keinem Schritt, den sie unternimmt, die vorwiegende Bedeutung der Landwirtschaft nur auf eine Minute vergessen oder bloß außer acht lassen. Nicht nur die Ignorierung, sondern auch die unzureichend aufmerksame Beachtung dieses Umstandes würde unzählige, sowohl wirtschaftliche als auch politische Gefahren in sich bergen, da sie jenes Bündnis des Proletariats mit der Bauernschaft jenes Vertrauen der Bauernschaft zum Proletariat unvermeidlich untergraben wurde, das in der gegebenen historischen Übergangsperiode eine der wichtigsten Stützen der Diktatur des Proletariats darstellt und dessen, Schutz und Befestigung die Grundbedingung der Standhaftigkeit der Sowjetmacht, folglich die Grundaufgabe unserer Partei ist. Die Beschlüsse der früheren Parteitage müssen in Erinnerung gebracht werden. Diese haben mit Recht betont, dass die Anerkennung der sozialistischen Wirtschaftsmethoden durch die Bauern nur im Wege des anschaulichen Unterricht erreicht, werden kann, das heißt, indem wir der Bauernschaft im Laufe einiger Jahre praktisch beweisen, dass die kollektive Wirtschaft ökonomisch vorteilhafter, rationeller usw. ist. Auf dem Gebiete der Finanzen kann die jetzige Politik – das Sparen mit Staatsmitteln, ein richtiges Steuersystem, ein richtiges Budget – die auch in der Zukunft mit ungeschwächter Energie durchgeführt werden muss und wird, entscheidende Erfolge nur unter der Voraussetzung der Rentabilität der Staatsindustrie und ihrer Entwicklung erzielen. Die Aufgaben der Landesverteidigung mit einer äußerst, fast bis zum Kaderbestand reduzierten Armee und bei dem daraus folgenden allmählichen Übergang zum Milizsystem sind im Grunde genommen mit den Fragen der Transportmittel und der Kriegsindustrie verknüpft. Daher muss unser Budget, die Kreditpolitik des Staates, das System der Maßnahmen zum militärischen Schutze des Staates, überhaupt die ganze Staatstätigkeit, das Sorgen für die planmäßige Entwicklung der Staatsindustrie in den Vordergrund stellen. Die Wiedergeburt der Staatsindustrie – bei der allgemeinen wirtschaftlichen Struktur unseres Landes – wird sich notwendigerweise in enger Abhängigkeit befinden von der Entwicklung der Landwurfschaft. Die nötigen Zirkulationsmittel müssen durch die Landwirtschaft geliefert werden in der Form der Überschüsse der landwirtschaftlichen Produkte über die Bedürfnisse des Dorfes hinaus, bevor die Industrie einen entscheidenden Schrift vorwärts machen kann. Aber ebenso wichtig ist es für die Staatsindustrie, dass sie nicht hinter der Landwirtschaft zurückbleibe, sonst würde auf dem Boden der letzteren eine Privatindustrie entstehen, die letzten Endes die Staatsindustrie verschlucken oder aufsaugen würde. Siegreich kann sich nur eine solche Industrie behaupten, die mehr gibt, als verschluckt. Eine Industrie, die auf Kosten des Budgets, also auf Kosten der Landwirtschaft lebt, könnte keine feste und dauernde Stütze für die proletarische Diktatur bedeuten. Die Frage der Bildung von Mehrwert in der Staatsindustrie ist die Schicksalsfrage der Sowjetmacht, d. h. die Schicksalsfrage des Proletariats. Die erweiterte Reproduktion der Staatsindustrie ist undenkbar ohne die Akkumulation von Mehrwert durch den Staat, diese ist aber ihrerseits die Bedingung der Entwicklung unserer Landwirtschaft in sozialistischer und nicht kapitalistischer Richtung: Durch die Staatsindustrie geht daher der Weg zur sozialistischen Gesellschaftsordnung. 2. Die Aktiva und Passiva der ersten Periode der neuen Wirtschaftspolitik. Der gesunde Einfluss der neuen Wirtschaftspolitik auf das Wirtschaftsleben des Landes steht außer jedem Zweifel. Er kommt in der Belebung der Industrietätigkeit, in der Zunahme der Produktion vieler wichtiger Industriezweige, in der Erhöhung der Produktivität der Arbeit und der Qualität der Produkte, in der unbestreitbaren und sehr bedeutenden Besserung der Lage der Arbeiter und vor allem in einem viel richtigeren Herantreten sowohl an die grundlegenden wie an die Detailaufgaben unseres Wirtschaftslebens zum Ausdruck. Und das ist die Grundbedingung der wirklichen Lösung dieser Aufgaben in der Zukunft. Nichtsdestoweniger ist die Lage der Industrie noch immer im höchsten Grade schwer. Die Belebung in der Leichtindustrie, die naturgemäß in der Tatsache der Wiederherstellung des Marktes unter den Verhältnissen einer befriedigenden Ernte ihre Erklärung findet, trägt bei weitem noch nicht in allen Unternehmungen und Industriezweigen der Leichtindustrie die Bürgschaft für die weitere richtige Entwicklung in sich, Trotz ihrer übermäßigen Höhe, besonders im Vergleiche mit den Preisen der landwirtschaftlichen Produkte, erreichen die Preise der Erzeugnisse der Leichtindustrie bei weitem nicht immer den Wiederherstellungspreis, d. h., sie garantieren die Erweiterung der Produktion nicht. Die Steigerung der Aktivität wurde erreicht mit Hilfe alter Rohmaterialvorräte, deren Reproduktion heute eine der wichtigsten Aufgaben der staatlichen Wirtschaftspolitik ist. Andererseits kommt die Schwerindustrie mit dem Markte kaum in Berührung. Sie hängt wesentlich von Bestellungen des Staates ab und bedarf zu ihrem Wiederaufbau großer und richtig kalkulierter Geldanlagen des Staates. Das bezieht sich im bedeutenden Grade auch auf den Eisenbahn- und Wassertransport In dieser Weise ist – infolge der Gesamtheit der wirtschaftlichen Voraussetzungen – eine gesunde Preisregulierung in der Leichtindustrie (die Preise sind allzu hoch und erreichen dennoch oft nicht den Wiederherstellungspreis) noch immer nicht erreicht worden. Das und das. Zurückbleiben der Schwerindustrie hinter der leichten bilden die Hauptpassiva der ersten Periode der neuen Wirtschaftspolitik. Sie sind die Folgen sowohl der allgemeinen Lage der Wirtschaft, wie sie vor der neuen Politik war, wie auch des unvermeidlichen Holperns der Wirtschaftsverhältnisse beim Übergang zur neuen Wirtschaftspolitik. Das Erzielen einer den Bedürfnissen der Industrie mehr entsprechenden Preisregelung, die Schaffung normalerer Beziehungen zwischen den Leichtindustriezweigen und jenen Zweigen der Industrie und der Landwirtschaft, die ihr das Rohmaterial liefern, endlich die Ausgleichung der Front der Schwer- und der Leichtindustrie – das sind die Grundaufgaben des Staates auf dem Gebiete der Industrietätigkeit in der beginnenden zweiten Periode der neuen Wirtschaftspolitik. Diese Aufgaben können nur bei einem richtigen Verhältnis zwischen dem Markt und der Planwirtschaft gelöst werden. 3. Aufgaben und Methoden der Planwirtschaftstätigkeit. In Sowjetrussland, wo die Hauptmittel der Industrie und des Transportes einem einzigen Besitzer – dem Staat – gehören, muss die Einmischung des Staates in das Wirtschaftsleben notwendigerweise einen Planwirtschaftscharakter bekommen. In Anbetracht der herrschenden Rolle des Staates als Eigentümer und Leiter der Wirtschaft, hat die Planwirtschaft schon in den ersten Zeilen eine ausschließliche Bedeutung. Die ganze bisherige Erfahrung zeigt jedoch, dass der Plan der sozialistischen Wirtschaft nicht a priori auf theoretischem oder bürokratischem Wege festgesetzt werden kann. Ein wirklich sozialistischer Wirtschaftsplan, der sich auf alle Zweige der Industrie, auf ihre gegenseitigen Beziehungen und auf die Beziehungen der gesamten Industrie zur Landwirtschaft erstreckt, ist nur möglich als Resultat einer längeren Vorbereifung und wirtschaftlichen Erfahrung auf dem Gebiete der Nationalisierung, als Resultat einer unaufhörlichen Kraftanstrengung zur praktischen Kombinierung der Arbeit verschiedener Wirtschaftszweige und einer richtigen Einschätzung der Ergebnisse. In der nächsten Periode besteht daher unsere Aufgabe in einer allgemein richtunggebenden und im bedeutenden Grade vorbereitenden Arbeit. Sie darf nicht durch irgendeine Formel bestimmt werden, sondern setzt eine ständige und wachsame Anpassung des führenden Wirtschaftsapparates, seiner Grundaufgaben, Methoden und Praxis an die Erscheinungen und Erziehungen des Marktes voraus. Nur in der Abschlussphase ihrer Entwicklung können und müssen die Methoden der Planwirtschaft sich den Markt unterwerfen und ihn zugleich vernichten. Es ist vollkommen klar, dass mit der Anwendung der Methoden der staatlichen Planwirtschaft in der jetzigen Epoche zwei Gefahren verknüpft sind: a) Bei dem Versuche, mittels einer planwirtschaftlichen Einmischung in die wirtschaftliche Entwicklung die regelnde Funktion des Marktes durch administrative Maßnahmen zu ersetzen, die sich noch nicht auf eine lebendige Erfahrung stützen, sind teilweise oder allgemeine Wirtschaftskrisen desselben Typus unvermeidlich, die wir in der Epoche des Kriegskommunismus hatten. b) Bei einer zentralisierten Regelung, die hinter den herangereiften Bedürfnissen nach einer solchen Regelung zurückbleibt, werden wirtschaftliche,Fragen auch in jenen Fällen mit nicht-wirtschaftlichen Methoden des Marktes gelöst, wenn ein rechtzeitiger administrativ-wirtschaftlicher Eingriff in einer kürzeren Zeit und mit weniger Kräfte- und Geldaufwand dieselben Resultate erreichen würde. Insoweit wir zu den Marktformen der Wirtschaft übergingen, muss der Staat den einzelnen Unternehmungen den notwendigen freien Spielraum auf dem Markte gewähren, ohne zu versuchen, diese freie Tätigkeit auf administrativem Wege zu beeinflussen. Aber wenn einerseits jeder Trust, um erfolgreich arbeiten zu können, fühlen muss, dass er sich frei orientiert und die volle Verantwortung für seine Arbeit trägt, muss andererseits der Staat die Trusts und andere Vereinigungen als seine untergeordneten Organe betrachten, mit deren Hilfe er als Ganzer sich auf dem Markte orientiert und dadurch die Voraussetzungen verschiedener praktischer Maßnahmen schafft, die über die Orientierung einzelner Unternehmungen oder Vereinigungen auf dem Markte hinausgehen. Das wirtschaftliche Zentralorgan kann z. B. die Schlussfolgerung ziehen, dass die Liquidierung einzelner Trusts nötig ist, und zwar schon lange bevor letztere sich selbst von der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage überzeugen. Die gegenseitigen Beziehungen der Leicht- und der Schwerindustrie dürfen nicht allein der regelnden Einwirkung des Marktes überlassen werden, da das in den nächsten Jahren zur Zerstörung der Schwerindustrie führen würde, wohl mit der Aussicht einer späteren Wiederherstellung durch die elementare Rückwirkung des Marktes, aber schon auf der Grundlage des Privateigentums. Auf diese Weise wird bei uns zum Unterschiede von den kapitalistischen Ländern das Gebiet der Anwendung der planwirtschaftlichen Methoden nicht durch die Rahmen einzelner Trusts oder Syndikate beschränkt, sondern auf die ganze Industrie als eine Einheit ausgedehnt. Nicht genug damit: Der staatliche Wirtschaftsplan muss sich auf die gegenseitigen Beziehungen einerseits der Industrie, andererseits der Landwirtschaft, des Finanzwesens, des Transports und des Innen- und Außenhandels erstrecken. Mit anderen Worten: Inwiefern der Staat nicht nur Eigentümer, sondern in Bezug auf die Mehrheit der Produktivkräfte der Industrie und des Transports und auf die Kreditmittel auch wirtschaftendes Subjekt bleibt, insofern wird die planwirtschaftliche Grundlage unter der neuen Wirtschaftspolitik sich dem Umfange nach von der planwirtschaftlichen Grundlage in der Epoche des Kriegskommunismus nicht in allzu vielem unterscheiden. Aber in der radikalsten Weise unterscheidet sie sich in den Methoden. Die zentrokratische Administration muss durch das wirtschaftliche Manövrieren ersetzt werden. Die administrative Anwendung der planwirtschaftlichen Methoden darf nur mit außerordentlicher Vorsicht, nach einer sorgfältigen Prüfung des Bodens angewendet werden. Die Vorbereitung muss im Treffen wirtschaftlicher Vorkehrungen und in der Instruierung der entsprechenden Wirtschaftsorgane, hinsichtlich dieser oder jener Erscheinungen, die unvermeidlich oder aller Wahrscheinlichkeit nach in irgendeinem wirtschaftlichen Moment eintreten werden, bestehen (im Zusammenhange mit dem Erscheinen der neuen Ernte auf dem Markte, mit dem Abfluss der Geldmittel in das Dorf usw.) Dabei sind diese Vorkehrungen womöglich auf einzelne Industriezweige und Gebiete zu konkretisieren, mit kalendarischen Musterdirektiven in Bezug auf die notwendigen Maßnahmen zur Ausnutzung der erwarteten Situation. Es ist ganz klar, dass die grundsätzliche Durchführung der Planwirtschaft und der Industrie nicht innerhalb der Industrie selbst erzielt werden kann, das heißt, durch die alleinige Tätigkeit ihres führenden administrativen Organs (oberster Volkswirtschaftsrat), sondern muss die Aufgabe eines besonderen planwirtschaftlichen Organs sein, das die Organisierung der Industrie leitet und die Industrie mit dem Finanz-, Transportwesen usw. verbindet. Ein solches Organ ist die staatliche Planwirtschaftsbehörde (Gosplan). Diese Behörde muss aber einen bestimmteren Wirkungskreis, eine festere Organisation, klarere und unumschnittene Rechtsbefugnisse, besonders aber Verpflichtungen erhalten. Es muss unerschütterlich festgelegt werden, dass keine allgemein-staatlichen Wirtschaftsfragen durch die obersten Organe der Republik ohne Heranziehung der Planwirtschaftsbehörde erledigt werden dürfen. Letztere muss unabhängig davon, ob die Initiative von ihr oder von einer anderen Behörde ausging, jede neue Frage, jedes neue Projekt oder jeden neuen Vorschlag mit Rücksicht auf die gesamte übrige Wirtschaftstätigkeit durchprüfen und dadurch ihre Bedeutung und Wichtigkeit feststellen. Es ist unerlässlich, dass man den Versuchen von Behörden und Institutionen, sowohl im Zentrum wie in der Provinz, diese oder jene Beschlüsse auf Umwegen, unter dem Vorwand der Unaufschiebbarkeit, auf dem Wege der Improvisierung usw. zu erwirken, auf das energischste Einhalt gebietet. Solche Versuche müssen als Erscheinungen der wirtschaftlichen Unvorsichtigkeit und als die schädlichsten Überreste einer administrativen Cliquenwirtschaft betrachtet werden. Die Wirksamkeit der Arbeit einer jeden Behörde muss hauptsächlich unter der Berücksichtigung dessen eingeschätzt werden, in welchem Maße sie ihre Vorschläge der Planwirtschaftsbehörde rechtzeitig vorlegt, damit sie allseitig bearbeitet und mit der Gesamtwirtschaft in Einklang gebracht werden können. Um so mehr muss die Wirksamkeit der Tätigkeit der Planwirtschaftsbehörde aus dem Gesichtspunkte der rechtzeitigen Aufrollung der Wirtschaftsfragen, der richtigen Einschätzung der Möglichkeiten des morgigen Tages und des Veranlassens der einzelnen Behörden zu einem rechtzeitigen Ineinklangbringen in der Kalkulation und in der Praxis jener Gebiete und Zweige ihrer Arbeit, die einer solchen Einheitlichkeit bedürfen, bewertet werden. Es muss durch Vermittlung der Planwirtschaftsbehörde gegen die Bildung jeder Art provisorischer und gelegentlicher Kommissionen (Untersuchungs-, Prüfungs-, Vorbereitungs- usw. Kommissionen) gekämpft werden, die das größte Übel unserer Staatsarbeit darstellen. Die richtige Arbeit muss durch die normalen und ständigen Organe gesichert werden. Nur so ist eine Besserung dieser Organe und die Entwicklung der notwendigen Elastizität möglich: durch ihre allseitige Anpassung an die sich vor ihnen erhebenden Aufgaben mit Hilfe der fortwährenden Erfahrung. Ohne die Frage im Voraus zu entscheiden, ob es notwendig sei, das führende Organ der Planwirtschaft – den Hauptstab der Staatswirtschaft – mit diesen oder jenen administrativen Rechtsbefugnissen auszustatten, und wenn ja, mit welchen genügt es für die nächste Periode, festzustellen, dass in den Fällen, in denen die planmäßige Führung einer zwingenden Kraft bedarf, die Sanktion von den entsprechenden Organen der Zentralmacht ausgehen muss (einzelne Wirtschaftskommissariate, Rat der Arbeit und Verteidigung, Rat der Volkskommissare, Präsidium des Zentralexekutivkomitees). 4. Die Trusts, ihre Rolle und ihre notwendige Umbildung. Der Staat ist der Eigentümer der wichtigsten Produktions- und Transportmittel. Die einzelnen Wirtschaftsbehörden und innerhalb dieser Behörden die einzelnen Organe, Anstalten und Vereinigungen (Trusts) verwalten die ihnen unterstellten Teile der Staatswirtschaft zwischen jenen Grenzen der Selbständigkeit, die durch die Bedürfnisse des Wirtschaftens unter den heutigen Marktverhältnissen erfordert werden und die von oben, d. h. durch die höherstehenden Staatsorgane, bestimmt sind. Das Recht des Staates, über das ganze schuldenfreie Vermögen der Trusts, Eisenbahnen usw. zu verfügen, bleibt uneingeschränkt aufrecht. Die faktische Grenze und Form des Eingreifens der Staatsmacht in die laufende Arbeit der Wirtschaftsorgane und des Eingreifens dieser letzteren in die laufende Arbeit der einzelnen bevollmächtigten Stellen, Trusts usw., wird ausschließlich mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit bestimmt und durch entsprechende Verordnungen geregelt. Ein großer Teil der Staatsindustrie ist in der Form von Trusts, d. h. mit weitgehender wirtschaftlicher Autonomie ausgestatteter Vereinigungen, organisiert, die auf dem Markte als selbständige Warenproduzenten auftreten. Die wichtigste Aufgabe dieser Wirtschaftsvereinigungen wie auch ihrer einzelnen Unternehmungen, ist die Produktion und Realisierung von Mehrwert zwecks Akkumulation durch den Staat, der allein das erhöhte materielle Niveau des Landes und den sozialistischen Umbau der ganzen Wirtschaft sicherstellen kann. Die Staatsunternehmungen, die unmittelbar für die Befriedigung der wichtigsten Staatsbedürfnisse arbeiten, wie die Kriegsindustrie, müssen ebenfalls auf Erhöhung der Arbeitsproduktivität und die Verringerung des Selbstkostenpreises eingestellt sein. In Anbetracht dessen, dass der Übergang vom Kriegskommunismus zur neuen Wirtschaftspolitik in bedeutendem Maße durch die Methoden des Kriegskommunismus vollzogen wurde, hat die Gruppierung der Unternehmungen, deren Einreihung in Trusts, die Verteilung der Mittel unter die Trusts, die Gewährung von Krediten für die Trusts bis heute noch einen bürokratischen Charakter. Vom Gesichtspunkte der planwirtschaftlichen Arbeit sind diese nur erste grobe Versuche. Diese Versuche müssen und können korrigiert und umgearbeitet werden, und zwar nicht mehr a prioristisch, sondern auf Grund der bereits gemachten Erfahrungen, mit Hilfe der Kombinierung der Elemente, der auf dem Markte und in der Administration gemachten Erfahrungen – von Tag zu Tag. Die Klagen über den Mangel an Zirkulationsmitteln beweisen nur, dass der Staat beim Übergang zur neuen Politik die Leitung einer größeren Anzahl von Industrieunternehmungen übernahm, als seine Kräfte bei der allgemeinen Wirtschaftslage des Landes, wie sie nach einigen Jahren Bürgerkrieg und Blockade war, gestatteten. Das war die Ursache der Unbeständigkeit der Unternehmungen, der öfteren Unterbrechung der Arbeit und hauptsächlich der unzureichenden Belastung der Betriebe mit Arbeit, was zur außerordentlichen Erhöhung des Selbstkostenpreises und zur Verengerung des Marktes mit allen hieraus entspringenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten führte. Der Ausweg aus dieser Lage liegt in der Richtung der radikalen Konzentration der Produktion auf die technisch am besten ausgerüsteten und geographisch bestgelegenen Unternehmungen. Die dagegen erhobenen vielen Einwände, mögen sie an sich noch so wesentlich sein, müssen vor der wichtigsten wirtschaftlichen Aufgabe: der gesicherten Versorgung der Staatsindustrie mit den notwendigen Zirkulationsmitteln, der Erniedrigung des Selbstkostenpreises, der Ausdehnung des Marktes, der Gewinnung von Mehrwert, in den Hintergrund treten. Die Revision des Aufbaues und des Personalbestandes der Trusts, die sowohl aus Gesichtspunkten der Produktion an sich wie aus konventionellen Gesichtspunkten durchgeführt werden soll, muss frei sein von den Vorurteilen der bürokratischen Gleichförmigkeit die die Unternehmungen nur nach dem horizontalen oder nach dem vertikalen Prinzip kombiniert. Die Revision darf sich in Bezug auf die Verbindung und die gegenseitige Abhängigkeit der Unternehmungen äußeren geographisches Verhältnis zueinander und auf ihr Verhältnis zum Markt usw. nicht durch formelle, sondern nur durch materielle Erwägungen leiten lassen. Bei Ansprüchen der Zentral- oder Ortsstellen, die zu dem Prinzip der vorteilhaftesten, gewinnbringendsten Organisation der Produktion im Widerspruch stehen, muss die Meinung der an den Angelegenheit meist interessierten Trusts und einzelner Fabriken gehört und in Betracht gezogen und daraus beurteilt werden, inwieweit Zugeständnisse in Bezug auf den Organisationsschematismus notwendig seien. Die Herabsetzung der Produktionskosten darf nicht mit Rücksicht auf vorübergehende Erfolge auf dem Markt, sondern nur in der Perspektive des Wiederaufbaues und des Wachsens der wirtschaftlichen Macht des Landes vorgenommen werden. Eine Kalkulation, die das Rohmaterial zu fiktiven Preisen des gestrigen Tages berechnet, hat nichts mit der Herabsetzung des Selbstkostenpreises zu tun und muss sich in der Form der Vergeudung des Staatsvermögens streng rächen. Ebenfalls ganz unrichtig und gefahrvoll wäre die Politik einer zeitweiligen Verbilligung der Preise die direkt oder indirekt der schweren Industrie schaden wurde. Ohne die Wiederherstellung der letzteren wäre die leichte Industrie wie auch der ganze Wirtschaftsaufbau seines Fundamentes beraubt. Kohle, Naphtha, Metall – das sind jene Industriezweige, die sowohl das wirtschaftliche Aufblühen der Republik wie ihre äußere Sicherheit garantieren. Nur bei einer fortwährenden und festen Führung der Trusts seitens des obersten Volkswirtschaftsrates, der im Sinne der erwähnten Direktiven alle Grundelemente der Industrie kombiniert, die notwendigen Kombinationen berechnet, vorbereitet und die richtige und gleichzeitige Ausnützung aller Faktoren der Produktion in allen ihren Stadien (Heiz- und Rohmaterial Halbfabrikat, Maschinen, Arbeitskraft usw.) sicherstellt, sind nicht nur Teil-, sondern auch allgemeine Erfolge an der Industriefront möglich. 5. Industrie und Handel. Ohne eine richtige Organisierung des Absatzes werden die Erfolge der Produktion auch weiterhin zu teilweisen Erschütterungen, d. h. zu Krisen der kommerziellen Unbehilflichkeit, führen, die nicht einmal in den heutigen, allzu engen Marktverhältnissen ihre Begründung finden. Die Ausarbeitung der unteren Glieder des Handelsapparates, die fähig sind, eine wirkliche, aber womöglich nicht allzu vielfältige Verbindung der Industrie mit dem Bauernmarkte zu sichern, muss im Vordergrund stehen. Was die Syndizierung betrifft, so muss sie in der nächsten Periode mit der größten Vorsicht und in vollem Einklang mit dem Zustand des Marktes und mit den materiellen Mitteln der Trusts vorgenommen werden. Die Verwandlung der Syndikate in Handels-„Zentralstellen" würde nichts anderes als eine Beschränkung der Handelstätigkeit und eine Erhöhung der Betriebskosten bringen. Die zwangsmäßige Syndizierung muss wirtschaftlich vorbereitet und kommerziell gerechtfertigt werden. Eine größere Selbständigkeit der Trusts und der einzelnen Unternehmungen bei ihren Operationen, größere Elastizität der Syndikate und im Allgemeinen die Lage unserer Industrie fordern ein viel größeres Übereinstimmen der rein produktiven Tätigkeit mit der rein kaufmännischen. Das bezieht sich sowohl auf den Innen- wie auch auf den Außenhandel. Ohne die Organisationsformen dieser Übereinstimmung im Voraus festzulegen, muss schon heute festgestellt werden, dass ein systematisches Studium der auf diesem Gebiete aufgehäuften Erfahrungen und die Ausarbeitung der praktischen Methoden der Übereinstimmung der Industrie- und Handelstätigkeit eine Lebensfrage ist, deren Lösung nur bei einer ständigen Koordinierung der Arbeit des obersten Volkswirtschaftsrates, des Kommissariats für den Außenhandel, des Kommissariats, für den Innenhandel, und bei einer aktiven Teilnahme des Instituts für Planwirtschaft unter der allgemeinen Führung des Rates für Arbeit und Verteidigung möglich ist. 6. Die Fabrik. Die Wurzeln des Erfolges oder des Misserfolges der Industrie sind in der grundlegenden Industrieeinheit, d. h. in der. Fabrik, verankert. Eine richtige Einrichtung der Arbeit in jeder einzelnen Unternehmung; und zwar nicht nur von der technisch-produktiven, sondern auch von der kommerziellen Seite, ist eine Frage von entscheidender Wichtigkeit. Indem der Trust die allgemeine Leitung der Unternehmungen in seinen Händen behält und jene Zweige und Organisationen der Produktion und des Handels, die hierfür reif sind, zentralisiert, muss er gleichzeitig eine erstickende Zentralisation, das Zurückdrängen der Initiative und mechanische Einmischung auf die Arbeit seiner Unternehmungen, unbedingt vermeiden. Die selbständige Kalkulation jeder einzelnen Fabrik muss nicht nur die Feststellung des Grades ihrer Rentabilität, ihrer Prosperierung oder ihres Verfalles ermöglichen, sondern auch als die allgemeine Grundlage eines Prämiensystems dienen, das streng an die Besonderheiten der Unternehmung angepasst werden soll. 7. Kalkulation, Bilanz und Kontrolle. Die unter den heutigen Verhältnissen einzig ernste und geeignete empirische Prüfung der Richtigkeit des Verhältnisses der Unternehmungen zueinander, zum Trust, zum Staat und überhaupt der Richtigkeit des ganzen Wirtschaftens kann nur durch die materiellen Resultate der Wirtschaftstätigkeit gegeben werden, wie diese in der Handelsbilanz zum Ausdruck kommen. Ohne eine richtige Rechnungsführung, die die ganze Staatswirtschaft umfasst, ohne eine wissenschaftlich angeregte Kalkulation, die den reellen Selbstkostenpreis der Produktion der Staatsindustrie feststellt, gibt es keine Garantie gegen das allmähliche Verpulvern und Ausplündern des nationalisierten Eigentums, wobei die Trusts die Abflusskanäle des Staatseigentums in private Hände bilden können. Die richtige Organisation der staatlichen Kontrolle über die industrielle Kalkulation und über die Handels- und Industriebilanz ist eine wesentliche Aufgabe des Rates für Arbeit und Verteidigung. Das Fehlen einer solchen kompetenten und qualifizierten Kontrolle macht alle anderen Zweige der wirtschaftlichen Aufsichtstätigkeit illusorisch und gibt dem Gefühl der Unverantwortlichkeit Raum, was mit einer richtig eingerichteten Wirtschaft unvereinbar ist. 8. Der Arbeitslohn. Die Praxis der Arbeitslohnpolitik in der letzten Periode bestätigte im Großen und Ganzen die Richtigkeit der Beschlüsse; des 11. Parteitages und der Beschlüsse des 5. Gewerkschaftskongresses, insbesondere was den Abschluss von Kollektivverträgen zwischen den Gewerkschaften und Wirtschaftsorganisationen betrifft. Im Laufe des letzten Jahres machte sich ein bedeutendes Wachsen des Arbeitslohnes in allen Kategorien der Arbeiter fühlbar, was auch zu einer bedeutenden Erhöhung der Arbeitsproduktivität führte. Die allgemeine Lohnpolitik muss sich im Weiteren in der Richtung eines annähernden Ausgleiches des Durchschnittslohnes in allen Industriezweigen, und zwar mit notwendigen Korrekturen bezüglich der mittleren Qualifikation bewegen. Die Arbeiter von gleicher oder gleichwertiger Qualifikation sollen in den verschiedenen Industriezweigen annähernd gleichmäßig bezahlt werden. Und zwar womöglich unabhängig von einzelnen Schwankungen des Marktes wäre der Arbeitslohn an die tatsächliche Arbeitsleistung anzupassen. Die entsprechenden Staatsorgane müssen Hand in Hand mit den Gewerkschaften darauf bedacht sein, dass eine günstige Konjunktur eines gewissen Industriezweiges nicht nur den Arbeitern dieses Industriezweiges zugute kommen soll, sondern auch der ganzen Arbeiterklasse, durch die Erhöhung des Arbeitslohnes auch in den übrigen Industriezweigen und in erster Linie in der Schwerindustrie und beim Transport. Die Staatsorgane und die Gewerkschaften, die unaufhörlich an der Besserung der Lage der Arbeiterklasse arbeiten müssen, dürfen nicht außer Acht lassen, dass eine dauernde und umfassende Besserung nur auf der Grundlage einer sich entwickelnden, d. h. rentablen Industrie möglich ist. Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, stellen solche Maßnahmen, wie das Arbeitenlassen von Unternehmungen mit einer Teilbelastung, oder die Beschäftigung einer solchen Anzahl von Arbeitern, die nicht der tatsächlichen Produktivität der Unternehmung entspricht, die nachteiligste und irrationalste Form der sozialen Fürsorge dar und haben daher eine Spitze gegen den morgigen Tag der Arbeiterklasse. Verschuldete Industrieunternehmungen jeder Art, deren Verschuldung nicht aus der Produktion entspringt, und für deren Deckung nicht durch Gesetze gesorgt wird, bringen – wie wichtig sie auch sonst seien – der Wirtschaft und dem Staate einen unberechenbaren Schaden, da sie die Möglichkeit einer richtigen Kalkulation untergraben und dem Staate in halb maskierter Form solche Ausgaben auferlegen, denen er unter den heutigen Verhältnissen nicht gewachsen ist. Die willkürlichen, d.h. durch Gesetze nicht vorgesehenen und durch den Staat nicht geregelten „Opfer" der Trusts sind nicht als eine Vergeudung des Staatsvermögens und müssen als solche, laut Gesetz, bestraft werden. Unerlässlich ist eine aufmerksame Kontrolle der wirklichen Durchführung des Arbeitsgesetzbuches und überhaupt aller Verordnungen in Bezug auf die Arbeitskraft, den Arbeitslohn, den Arbeitstag für verschiedene Arbeiterkategorien, den Abzügen für soziale Versicherung, kulturelle Bedürfnisse usw. Das hat einerseits den Zweck, die Interessen der Arbeiter in größtmöglichstem Grade innerhalb jener Möglichkeiten die die heutige Lage der Industrie zulässt zu befriedigen, andererseits solche Verfügungen, die bei der heutigen Lage der Wirtschaft unerfüllbar sind, zu zu beseitigen oder aber zeitweise außer Kraft zu setzen. Die Volkswirtschaftler und die Gewerkschaftler müssen gemeinsam – mit der größten Objektivität – streng geprüftes Tatsachenmaterial sammeln, woraus die Notwendigkeit der erwähnten gesetzlichen Änderungen oder administrativen Maßnahmen beurteilt werden kann. 9. Finanzierung, Kreditierung, Steuer und Zollgebühren. Eine unerlässliche Bedingung der Gesundung und der Entwicklung der Industrie, besonders der Schwerindustrie, ist ein wirklich geordnetes Staatsbudget, das mit den realen Quellen des Staates und mit deren planmäßiger Verwendung wenigstens annähernd im Einklang steht. Es muss, als mit dem größten Missstand, energisch Schluss gemacht werden, mit jener in bedeutendem Maße durch objektive Bedingungen hervorgerufenen Praxis, dass unsere Produktionspläne und jene Quellen, die uns zu ihrer Durchführung wirklich zur Verfügung stehen, nicht in Einklang gebracht werden. Diese Praxis führt unvermeidlich zur Vereitelung jedes finanziellen oder industriellen Planes und erschüttert die Leistungsfähigkeit unserer wichtigsten wirtschaftlichen Unternehmungen. Dieselben Folgen hat die Praxis der unentgeltlichen Veräußerung der Industrieprodukte (Heizmaterial, Metallurgische und Maschinenbauprodukte) an den Staat hauptsächlich an den Transport und die Kriegsbehörden, oder die Berechnung, solcher Preise, die nicht einmal den Selbstkostenpreis der betreffenden Produkte decken. Wenn in der Zukunft ein Missverhältnis zwischen den tatsächlichen und den durch das Budget festgesetzten Einkünften wahrgenommen wird, und hieraus die Notwendigkeit einer Verringerung der Ausgabenseite des Budgets entspringt, muss diese Reduktion nicht in verhüllter Form sondern offen, durch die Umstellung des Budgets im Sinne einer planmäßigen Reduktion des Transportes der Industrieunternehmungen, der Armee usw. durchgeführt werden. Das System der Kreditierung der Industrie ist nicht nur eine finanzielle, nicht nur eine Bankaufgabe, sondern der wichtigste Teil der Organisierung und der Leitung der Industrie. Es ist daher notwendig, dass die Finanzierung der Staatsindustrie womöglich auf eine einzige Kreditanstalt konzentriert wird, die mit dem Obersten Volkswirtschaftsrat in engster Verbindung zu stehen hätte. In der sorgfältigsten Weise muss die Frage der Übereinstimmung der direkten und indirekten Steuern mit der Zahlungsfähigkeit der Industrie und Aufnahmefähigkeit des Marktes, ferner die Frage über die Bedeutung dieser oder jener Zollgebühren auf Importwaren für den Schutz der entsprechenden inländischen Industriezweige durchgearbeitet werden. Auf Ankäufe und Bestellungen im Auslande, selbst unter den Inlandspreisen, muss in allen jenen Fällen entschieden verzichtet werden, in denen sie nicht unbedingt notwendig sind, und wenn eine entsprechende Bestellung im Inlande der Entwicklung des betreffenden Zweiges unserer Staatsindustrie einen ernsten Antrieb geben würde. Nur eine konsequente und zähe Durchführung des Systems des sozialistischen Protektionismus kann in der gegenwärtigen Übergangsperiode die wirkliche Entwicklung der Industrie des Sowjetstaates gewährleisten, der von kapitalistischen Staaten umgeben ist. 10. Das ausländische Kapital. Die Erfahrung des verflossenen Jahres bestätigte, dass mit dem sozialistischen Staatsaufbau unter der neuen Wirtschaftspolitik ein gewisses und zwar breites Tätigkeitsfeld des privaten, darunter auch des ausländischen Kapitals mit der Sphäre der Industrie in Einklang gebracht werden kann. Notwendig sind: weitere systematische Maßnahmen zur Heranziehung fremden Kapitals an die Industrie in allen jenen Formen, deren Zweckmäßigkeit bisher bereits festgestellt würde: Konzessionen, gemischte Gesellschaften, Pachtverträge. – Die sorgfältige Durcharbeitung der Fragen: welche Gebiete der Industrie und welche Unternehmungen, und zwar in welcher Weise, dem ausländischen Kapital zum Vorteil der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung des Landes überlassen werden können, ist eine der wesentlichsten Aufgaben der planwirtschaftlichen und überhaupt der leitenden Wirtschaftlichen Organe der Republik. 11. Die Wirtschaftsfunktionäre, ihre Lage und Aufgaben, Erziehung einer neuen Generation von Technikern, und Wirtschaftern. Die durch die Beschlüsse des 11. Parteitages festgelegten gegenseitigen Beziehungen der Gewerkschaftern und der Wirtschaftsorgane, deren Richtigkeit die Erfahrung des letzten Jahres bestätigt hat, müssen im Geiste der erwähnten Beschlüsse fortentwickelt werden. Das System einer wirklich einheitlichen Führung muss in den Industrieorganisationen von oben nach unten durchgeführt werden. Die Auswahl der Funktionäre, ihre Versetzung und Entlassung durch die führenden Wirtschaftsorgane ist eine unerlässliche Bedingung der wirklichen Leitung der Industrie; und der Verantwortlichkeit für ihr Schicksal. Die Empfehlungen und Zeugnisse der Gewerkschaftsorgane müssen aufs sorgfältigste in Betracht gezogen werden, aber können keinesfalls die Verantwortung der entsprechenden Wirtschaftsorgane vermindern, denen, die geltenden Verfügungen die volle Freiheit der Auswahl und der, Ernennung der Funktionäre sichern. Die schwache Seite der Staatsindustrie und des Staatshandels ist ihre Schwerfälligkeit, der Mangel an Elastizität und Unternehmungslust. Die Ursache hiervon liegt in der noch bei weitem nicht tadellosen Auswahl der Wirtschaftsfunktionäre, in deren ungenügender Erfahrung und ungenügender Interessiertheit an den Erfolgen der eigenen Arbeit. Es müssen richtige, systematische Maßnahmen in allen diesen Richtungen in Angriff genommen werden. Insbesondere muss die Entlohnung der Leiter der Unternehmungen von der Bilanz, wie der Arbeitslohn von der Arbeitsleistung abhängig gemacht werden. Die Arbeit der führenden Wirtschaftsfunktionäre (Werkmeister, Fabrikdirektoren, Vorsitzende und Mitglieder der Trustverwaltungen usw.), insofern ihre Aufgabe in der Verminderung der Produktionskosten und in der Erzielung einer möglichst großen Rentabilität besteht, stößt oft auf außerordentliche Schwierigkeiten, die nicht selten Konflikte, Entlassungen oder Versetzungen zur Folge haben. Der Wirtschafter steht immer vor zwei Gefahren: a) entweder führen seine erhöhten Forderungen zu einem Konflikt mit den Arbeitern der Unternehmung und den vertretenden Organen der Arbeiter, den Parteiortsgruppen und Sowjetbehörden oder b) verfolgt er in den Fragen der Arbeitsproduktivität, des Arbeitslohnes usw. die Linie des kleinsten Widerstandes und macht somit Zugeständnisse auf Kosten der Rentabilität der Unternehmung und folglich auf Kosten seiner Zukunft. Selbstverständlich muss ein Direktor einer Sowjetfabrik auf die materiellen und geistigen Interessen der Arbeiter, auf ihre Gefühle und Stimmungen stets auf das Sorgfältigste bedacht sein. Aber dabei darf er nie außer Acht lassen, dass seine höchste Pflicht gegenüber der gesamten Arbeiterklasse in der Erhöhung der Arbeitsproduktivität und in der Verringerung des Selbstkostenpreises des Produktes, in der Vermehrung des materiellen Wohlstandes des Arbeiterstaates besteht. Die Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre sind verpflichtet, den Sowjetdirektor auf diesem Wege zu unterstützen. Aufmerksamkeit, Standhaftigkeit und gute Rechnungsführung sind die notwendigsten Eigenschaften eines Sowjetwirtschafters. Sein bestes Zeugnis ist eine aktive Bilanz der Unternehmung. Man muss der Arbeitermasse zu verstehen geben, dass der Direktor, der einen Gewinn anstrebt, ebenso den Interessen der Arbeiterklasse dient, wie der Gewerkschaftsfunktionär, der das Lebensniveau der Arbeiter heben und ihre Gesundheit schützen will. Die Vorbereitung neuer Wirtschaftsfunktionäre muss einen systematischen, gleichzeitig aber tief spezialisierten Charakter erhalten. Die summarischen Methoden, wobei man aufs Geratewohl, oberflächlich gelernt hat, müssen durch systematisches, planmäßiges, stufenweises Lernen ersetzt werden. Den Funktionären, die in der ersten Periode ernannt wurden, und noch nicht die notwendigen Kenntnisse erwerben konnten, muss Gelegenheit gegeben werden, die wesentlichsten Lücken auszufüllen Die Spezialisierung nach den Zweigen der praktischen Tätigkeit muss eng verbunden werden mit der Erhöhung des theoretischen und politischen Niveaus und der Parteiangehörigkeit, sonst könnte die Spezialisierung der Partei zum Schaden sein, ebenso wie das Alleswissenwollen der Wirtschaft schadet. Die Partei und die Gewerkschaften müssen mit der größten Aufmerksamkeit die Vergrößerung der Kaders der Wirtschaftsfunktionäre, insbesondere der Kommunisten, in den Verwaltungsorganen der Industrie auf allen Stufen der wirtschaftlichen Hierarchie anstreben. Das technische Studium muss für die neue Generation nicht nur eine Frage der Spezialisierung, sondern auch eine revolutionäre Pflicht sein. In den Verhältnissen eines Arbeiterstaates muss sich jene ganze Begeisterung, die früher die Arbeiterjugend dem revolutionären, politischen Kampfe zuwandte, in die Beherrschung der Wissenschaft und der Technik verwandeln. Es ist notwendig, dass ein Student, der sein Studium nachlässig betreibt, ebenso behandelt werde, wie ein Deserteur oder ein Streikbrecher im Kampfe gegen die Bourgeoisie. Die Organisierung der sozialistischen Wirtschaft ist für den proletarischen Vortrupp keine Karriere, sondern ein Sieg. 12. Partei- und Wirtschaftsorgane. Ohne ihre ständigen revolutionären Erziehungsaufgaben auf eine einzige Minute zu vergessen, muss sich die Partei darüber Rechenschaft geben, dass in der heutigen, aufbauenden Wirtschaftsperiode der Revolution die Führung der Arbeit der Wirtschaftsorgane an den Hauptpunkten der Sowjetordnung der wichtigste Inhalt der Parteitätigkeit ist und sein muss. Die Partei erfüllt ihre historische Mission nur dann, wenn die wirtschaftliche Erfahrung der ganzen Partei mit dem Wachsen und mit der Komplizierung der wirtschaftlichen Aufgaben, vor denen die Sowjetmacht steht, in gleichem Tempo wachsen wird. Darum erklärt der 12. Parteitag, dass nicht nur eine richtige Verteilung der Funktionäre, sondern die Führung der Arbeit der Wirtschaftsorgane selbst, – besonders unter den Verhältnissen der neuen Wirtschaftspolitik, die die Gefahr der inneren Entartung eines Teiles des Kaderbestandes der Wirtschafter und die Gefahr der Entgleisung der proletarischen Linie im Wirtschaftsbau in sich trägt – Pflicht der Partei ist. Diese Führung darf sich keinesfalls in eine öftere Versetzung und Ablösung der Wirtschaftsfunktionäre, in eine Einmischung in die laufende Tagesarbeit der Wirtschaftsorgane, oder in einen Versuch unmittelbarer administrativer Eingriffe verwandeln. Nebst den unter den gegebenen Verhältnissen unvermeidlichen und notwendigen Direktiven, die die Parteiorganisationen in konkreten Fragen den Wirtschaftsorganen erteilen, müssen die Parteiorganisationen der Führung der Wirtschaftsorgane einen allseitigen, planmäßigen Charakter geben. Das würde zur Verminderung jener Fälle führen, in denen ein unmittelbarer, administrativer Eingriff in Bezug auf verschiedene Detailfragen der laufenden Praxis notwendig ist. Die führende Rolle der Partei wird um so vollständiger gesichert, je richtiger die administrative und Wirtschaftsarbeit der Staatsorgane die durch die Partei aufgestellten planwirtschaftlichen Aufgaben erfüllen werden. Der 12. Parteitag bestätigt die Beschlüsse des 11. Parteitages in Bezug auf die Notwendigkeit der Abgrenzung der Parteitätigkeit von der Sowjet-, insbesondere der Wirtschaftstätigkeit und besteht auf einer vollständigeren und systematischeren Durchführung dieser Beschlüsse sowohl im Zeitrum wie in der Provinz. Der 12. Parteitag erwähnt insbesondere, dass nach den Beschlüssen des 11. Parteitages die Parteiorganisationen „die Wirtschaftsfragen nur dann und insoweit selbst zu lösen haben, wenn und inwieweit diese Fragen wirklich einen prinzipiellen Beschluss der Partei fordern". Eine der wichtigsten Aufgaben der Partei ist die Unterstützung einer solchen Ordnung, bei der die kompetenten Wirtschaftsorgane nicht nur das formelle Recht, sondern auch die faktische Möglichkeit haben, Wirtschaftsfunktionäre allmählich zu erziehen und sie im Maße der durch sie angehäuften Erfahrungen und der Entwicklung ihrer Fähigkeiten höher zu befördern. Das ist nur bei einer systematischen Auswahl der Funktionäre auf Grund der wirtschaftlichen Erfahrung, Tatkräftigkeit und Geschicklichkeit und bei der Beobachtung der Disziplin und bei einem entsprechenden System der Ko- und Subordinierung der einzelnen Zweige der Arbeit und der an der Spitze dieser Zweige stehenden Funktionäre möglich. Angesichts der außerordentlichen Wichtigkeit und Verantwortlichkeit der Arbeit der Wirtschaftsfunktionäre in der gegenwärtigen Periode muss die ganze Partei und alle ihre Organisationen die Wirtschafter in dieser Arbeit mit allen Mitteln unterstützen und systematisch für die Schaffung einer solchen Lage sorgen, die die Möglichkeit der Abkehr einzelner Kreise der Wirtschafter von der Partei ausschließt. 13. Das Druckereiwesen. Die Frage der richtigen Einstellung des Druckereiwesens hat nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine riesige kulturelle Bedeutung. Der Parteitag erkennt die heutige Lage des Druckereiwesens als unbefriedigend an und hält energische Maßnahmen zu ihrer Besserung für notwendig. Vor allem muss die Technik jener Erzeugnisse erhöht werden, die für Massenabsatz bestimmt sind. Die Frage der Organisation der typographischen Industrie muss in der kürzesten Frist in der Richtung gelöst werden, dass die größten, wichtigsten Staatsverlagsanstalten eine richtige, technisch befriedigende Arbeit entfalten können. |
Leo Trotzki > 1923 >