Leo Trotzki: Die Aufgaben der kommunistischen Erziehung Rede des Genossen Trotzki anlässlich des fünfjährigen Jubiläums der kommunistischen Universität „J. M. Swerdlow" in Moskau am 18. Juni 1923 [Nach Jugend-Internationale. Kampforgan der Kommunistischen Jugendinternationale, 4. Jahrgang Nr. 12 (August 1923) S. 384-388] I. Der „neue Mensch" und der Revolutionär. Genossen! In unserem gesamten Sowjetbunde – und wir müssen immer daran denken, dass unser Staat ein Bund ist, – hat jetzt eine Periode der fünfjährigen Jubiläen eingesetzt. Was mich betrifft, so muss ich zugeben, dass, wenn man schon so ziemlich über das eigene vierzigjährige Jubiläum hinaus ist, man überhaupt den Geschmack an Jubiläen etwas verliert. Wenn aber irgendeines unserer fünfjährigen Jubiläen Aufmerksamkeit verdient und eine wirklich freudige gehobene Stimmung hervorrufen kann, so ist es das Jubiläum der kommunistischen Universität, in der Verkehrssprache Sweerdlowia genannt, der Lieferantin der jungen Parteikräfte. Genossen! Man sagt zuweilen, dass die Aufgabe des kommunistischen Bildungswesens in der Erziehung eines neuen Menschen besteht. Das ist etwas zu allgemein, übermäßig pathetisch. Gewiss sind auf Jubiläen pathetische Ausdrücke nicht nur zulässig, sondern werden auch gerne gehört. Wir sollen aber auch auf Jubiläen keine formlos humanitäre Auslegung des Begriffes „neuer Mensch" und der Aufgaben des kommunistischen Erziehungswesens zulassen. Es besteht kein Zweifel darüber, dass der Mensch der Zukunft, der Bürger der Kommune, ein sehr interessantes und anziehendes Wesen sein wird, er wird aber eine Psychologie besitzen – ich muss die futuristischen Genossen um Entschuldigung bitten: ich glaube, dass auch der Mensch der Zukunft immerhin eine Psychologie besitzen wird (Heiterkeit) – er wird, sage ich, eine Psychologie besitzen, die von der unsern im Grunde verschieden sein wird. Heute aber – wenn Sie wollen leider – besteht unsere Aufgabe noch nicht in der Erziehung dieses Menschen der Zukunft. Der utopische humanitär-psychologische Standpunkt ist der Ansicht, dass zuerst der neue Mensch durch die Erziehung geschaffen werden muss und dass dieser dann die neuen Bedingungen schaffen wird. Wir glauben das nicht; wir wissen, dass der Mensch das Produkt der gesellschaftlichen Verhältnisse ist und aus ihnen nicht herausspringen kann. Wir wissen aber auch so manches andere, und zwar, dass es eine komplizierte, aktiv-wirkende gegenseitige Beziehung zwischen den Verhältnissen und dem Menschen gibt: der Mensch selbst ist ein Mittel der historischen Wirkung, und zwar nicht das letzte an Wichtigkeit. In dieser komplizierten historischen gegenseitigen Beeinflussung des Milieus und des aktiv wirkenden Menschen schaffen wir nun, darunter auch im Wege der Swerdlowschen Universität, nicht den abstrakten, harmonischen und vollkommenen Bürger der Kommune, – o nein, wir bilden den konkreten Menschen unserer Epoche, der erst kämpfen soll für die Schaffung der Bedingungen, aus denen der harmonische Bürger der Kommune entstehen wird. Das ist aber nicht das gleiche, schon aus dem Grunde, weil, wenn wir offen sprechen wollen, unser Urenkel, der Bürger der Kommune, kein Revolutionär sein wird. Auf den ersten Blick mag das unrichtig, fast verletzend scheinen, es ist aber so. In den Begriff „Revolutionär" legen wir alle unsere Gedanken und unseren Willen, die Gesamtsumme unserer besten Leidenschaften und daher ist das Wort „Revolutionär" für uns mit dem höchsten geistigen und moralischen Inhalt gefüllt, den uns die gesamte vorhergehende Entwicklung der Kultur gegeben hat. Daher fühlen wir, gleichsam unwillkürlich, ein Bedauern gegenüber unseren Nachkommen, die den Namen eines Revolutionärs nicht mehr besitzen werden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass der Revolutionär das Produkt bestimmter historischer Bedingungen, das Produkt der Klassengesellschaft ist. Der Revolutionär ist keine psychologische Abstraktion. Die Revolution selbst ist kein abstraktes Prinzip, sondern eine materielle historische Tatsache, die aus den Klassengegensätzen, aus der gewaltsamen Überwindung einer Klasse durch die andere entsteht. Dementsprechend ist auch der Revolutionär ein konkreter, historischer und folglich vorübergehender Typus. Wir alle sind mit Recht stolz auf die Zugehörigkeit zu diesem Typus, wir bereiten aber durch unsere Arbeit Existenzbedingungen einer Gesellschaft vor, in der es keinen Klassengegensatz, keine Revolutionen und folglich auch keine Revolutionäre geben wird. Gewiss kann das Wort „Revolutionär" selbst in einem Maße ausgebreitet werden, dass es jedes bewusste menschliche Schaffen, das auf die Bezwingung der Natur, auf die Vervielfältigung der technischen und kulturellen Eroberungen und auf die Schaffung von jetzt noch für uns unbekannten und ungeahnten Verbindungen mit anderen kosmischen Welten gerichtet ist, umfassen soll. Wir, Genossen, haben aber auf eine solche Abstrahierung, auf eine solche grenzenlose Ausbreitung des Wortes „Revolutionär" keinerlei Recht, denn wir haben unsere konkrete historische, politische, revolutionäre Aufgabe, die in dem Sturz der Klassengesellschaft besteht, noch bei weitem nicht vollbracht. Folglich besteht unsere Aufgabe auf dem Gebiete des Erziehungswesens – ich glaube, es ist nicht überflüssig, das auf der Feier der Swerdlow-Universität mit besonderem Nachdruck zu betonen, – keinesfalls darin, dass wir auf laboratorischem Wege in dieser von Grund aus unharmonischen Übergangsgesellschaft – denn unsere Gesellschaft hat von der kapitalistischen Knechtschaft einen großen Sprung nach vorwärts gemacht, aber noch ist nicht einmal die Schwelle der kommunistischen Harmonie zu sehen, – dass wir, wiederhole ich, unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf laboratorischem Wege den harmonischen Bürger der Kommune schaffen. Eine solche Aufgabe wäre jetzt eine klägliche, kindische Utopie. Wir wollen Kämpfer, Revolutionäre schaffen, die Befolger und Fortsetzer einer historisch noch nicht vollzogenen revolutionären Tradition sein sollen. II. Nep1, imperialistische Umkreisung, Internationale. Wenn wir die Frage von einem solchen richtigen, konkreten, historischen Standpunkt aus betrachten, so entfallen von selbst gewisse Befürchtungen, die man zuweilen auch von manchen – wie soll ich's nur sagen? – übermäßig humanitär gestimmten kommunistischen Genossen zu hören bekommt. Es handelt sich um die Gefahren des Nep. Ist es möglich – wird uns gesagt – unter den Verhältnissen des Nep den neuen Menschen zu erziehen? Aber, Genossen, unter welchen Verhältnissen wurden denn wir selbst erzogen? Unsere Generation, die schon über ihr vierzigjähriges Jubiläum hinaus ist und überhaupt unsere ganze Partei wurde unter kapitalistischen Bedingungen aufgezogen, und sie wäre zu keiner revolutionären Partei mit ihrer in der ganzen Welt beispiellos dastehenden revolutionären Stählung geworden, wenn sie sich nicht unter den Bedingungen eines um das Regime des Zarismus noch gesteigerten bürgerlichen Regimes entwickelt hätte. Und wenn es jetzt bei uns einen Nep, d. h. Warenmarktbeziehungen und folglich auch die Möglichkeit – ja, Genossen, die theoretische und historische Möglichkeit! – einer Restauration des Kapitalismus gibt (im Fall wir als Partei unseren Aufgaben ausweichen und fahrlässig werden), wenn eine solche Gefahr besteht, wie sollen wir uns dann die Erziehung des harmonischen Bürgers der Kommune zur Aufgabe stellen? Handelt es sich aber um die Erziehung eines Kämpfers für den Kommunismus, so möchte ich fragen, in welchem Sinne die uns durch den Gang des Kampfes aufgezwungenen Warenmarktbeziehungen die Entwicklung einer Psychologie des unerbittlichen Kampfes bei der jungen Generation hindern können. Bei den Spartanern hat man seinerzeit der Jugend betrunkene Heloten, Sklaven gezeigt, um in ihr einen Abscheu gegenüber der Trunksucht zu erwecken. Ich glaube nicht, dass die Swerdlowianer in dieser Beziehung so anschauliche Unterrichtsmethoden benötigen würden (Heiterkeit), aber in sozialer Hinsicht, damit wir nicht in Selbstzufriedenheit einschlummern und nicht der Meinung sind, dass wir schon völlig und endgültig die Schwelle des Sozialismus überschritten haben, zeigt uns die Geschichte den Heloten des Marktes, sie zeigt uns zuweilen den nüchternen und zuweilen auch den betrunkenen Nep-Mann. Heute ist er – sagt sie uns – ein halbes Gespenst, – morgen kann er sich aber zur Tatsache der Restauration des Kapitalismus entfalten, wenn wir alle, wenn unsere Partei vor den Schwierigkeiten der historischen Entwicklung kapitulieren wird. In welchem Sinne, frage ich, könnte denn der Nep die Entwicklung des revolutionären Kämpfers hindern? Nein, er kann das nicht, er konkretisiert nur unsere historischen Aufgaben und ist jetzt durch das Bild, das er als Gegensatz unseres angestrebten Zieles darbietet, eine der wichtigsten Methoden in der Erziehung der revolutionären Arbeiter- und Bauernjugend. Der Nep ist aber nicht das einzige Moment, das uns daran erinnert, dass wir noch nicht in das ruhige und glückliche Reich der Kommune eingetreten sind. Zu unserer Belehrung gibt es außerhalb unseres Landes Heloten in sehr hoher Stellung, die die Geschichte von Zeit zu Zeit berauscht, so dass sie uns Noten senden, um uns zu erinnern, dass die Bourgeoisie, dass das Privateigentum und das Kapital noch machtvolle Faktoren darstellen. Bezüglich dieser Heloten in hoher Stellung, die ich aus völlig begreiflichen Gründen internationaler Höflichkeit nicht mit Namen nennen werde, ist in der heutigen Nummer der „Junoscheskaja Prawda" („Jugend-Wahrheit") ein Leitartikel mit einer sehr ausdrucksvollen Überschrift enthalten, die ich ebenfalls nicht zu wiederholen wage (wer neugierig ist, wird ersucht, in der neuesten Nummer der Zeitung nachzusuchen2, diese schwer benennbaren Gentlemans sind es, die uns durch ihre Handlungen daran erinnern, dass der Klassenkampf jetzt bei uns eine diplomatische und militärische Form angenommen hat, weil wir jetzt – nach dem Ausdrucke Engels – ein zum Staat organisiertes Proletariat und von allen Seiten von der zu einer Reihe von Staaten organisierten Bourgeoisie umgeben sind und unsere Beziehungen zu den anderen Staaten nichts anderes darstellen, als gerade den Klassenkampf, der in gewissen Momenten eine offen revolutionäre, d. h. militärische, und in anderen Momenten eine reformistische, d. h. diplomatische, Form annimmt. Das ist nicht nur eine Metapher, ein bildlicher Ausdruck, sondern eine lebendige und unbezweifelbare historische Tatsache! Wir führen mit den Methoden der Diplomatie, mit den Methoden des Außenhandels, mit den Methoden der militärischen Verteidigung einen ununterbrochenen Klassenkampf, – einen Klassenkampf, der sich an unseren gesamten Grenzen, d. h. an einer Front von ungefähr 50.000 Werst, die somit größer ist als der Äquator der Erdkugel, entfaltet. Auch das ist ein Faktor von nicht geringer Wichtigkeit, der einerseits jede Möglichkeit einer humanitären Abstraktion ausschließt und uns andererseits mit äußerst rauer Gewalt zwingt, unser Augenmerk auf einen konkreten, revolutionären Kämpfer zu richten. Als wir an den inneren Fronten des Bürgerkrieges kämpften, hatten wir hinter jeder Front Freunde: die Arbeiter und Bauern. Auch jetzt im internationalen Maßstabe, hinter dieser Front von 50.000 Werst unserer kontinentalen und Seegrenzen haben wir Freunde, die den Feind von hinten angreifen: die Arbeiterbewegung der Welt. Das Band, das uns mit dieser Arbeiterbewegung verbindet, ist für unsere revolutionäre Jugend die grundlegende Bedingung einer wirklich kommunistischen Erziehung. Gewiss ist Marx, gewiss ist Engels, gewiss ist Lenin die Grundlage, das Fundament, der Grundstein der Theorie, wer aber nur das Buch berücksichtigt, ist eben bloß ein Schriftgelehrter! Der revolutionäre Kämpfer kann sich nur dann heranbilden, wenn er, auf den Granit der Theorie gestützt, sich eng, unzertrennbar mit der Praxis des revolutionären Klassenkampfes in der ganzen Welt verknüpft. Aufmerksamste Verfolgung des Kampfes, Eindringen in seine Logik, Erfassen seiner inneren Gesetzmäßigkeit, ist die allererste Voraussetzung der Ausbildung des jungen Revolutionärs in unserer Epoche, in der die gesamte Politik, die gesamte Kultur, selbst in ihren teuflischen, blutigen Antagonismen immer mehr international wird. III. Der Revolutionär und der Mystizismus. Die Swerdlow-Universität soll Revolutionäre heranbilden. Was ist aber der Revolutionär? Welches sind seine Grundzüge? Ich sagte schon, dass wir nicht das Recht haben, den Revolutionär auch nur in Gedanken dem Klassenboden, auf dem er zur Gestaltung gelangt ist und ohne den er eben nichts ist, zu entreißen. Der Revolutionär, der in unserer Epoche nur mit der Arbeiterklasse verbunden sein kann, hat aber seine besonderen psychologischen Züge, Geistes- und Willenseigenschaften Der Revolutionär bricht, wenn das nötig und möglich ist, die historischen Hindernisse mit Gewalt nieder, ist das unmöglich, – umgeht er sie und wenn das nicht möglich ist, setzt er seine volle Beharrlichkeit und Geduld daran, um sie zu untergraben und zu zerbröckeln. Er ist Revolutionär, weil er sich nicht fürchtet zu sprengen und schonungslose Gewalt anzuwenden, deren historischen Wert er kennt. Er ist stets bestrebt, seine zerstörende und schaffende Arbeit in vollem Umfange zu entfalten, d. h. in jeder gegebenen historischen Lage ihr das Maximum zur Förderung der Vorwärtsbewegung der revolutionären Klasse zu entnehmen. In seinen Handlungen ist der Revolutionär nur durch äußere Hindernisse, aber durch keine inneren beschränkt. Das bedeutet, dass er in sich die Fähigkeit entwickeln muss, die Gesamtlage, den Schauplatz seiner Handlungen in ihrer vollen materiellen, konkreten Wirklichkeit mit allen ihren Vorteilen und Nachteilen richtig einzuschätzen und die politische Bilanz der Gesamtlage stets richtig aufzustellen. Wenn aber in ihm subjektive Hindernisse des Handelns, ein Mangel an Verständnis oder an Willen vorhanden ist, wenn er durch innere Reibungen, Vorurteile, ob es nun religiöse, nationale, Gruppen- oder Berufsvorurteile sind, paralysiert ist, so ist er im besten Falle nur ein halber Revolutionär. In der objektiven Gesamtlage, Genossen, sind auch ohnehin schon viel zu viele Hindernisse enthalten, als dass ein wahrer Revolutionär sich den Luxus erlauben könnte, die objektiven Hindernisse und Reibungen zu steigern. Die Erziehung des Revolutionärs besteht daher vor allem in seiner Befreiung von allen Überresten der Unwissenheit und des Aberglaubens, die in Hülle und Fülle und auch in sehr „verfeinten" Köpfen erhalten geblieben sind. Wir verhalten uns daher mit der größten Schroffheit jedem gegenüber, der es wagt, auch nur mit einem Wort zu behaupten, dass Mystizismus, religiöse Gefühle und Stimmungen mit dem Kommunismus zu vereinbaren sind. Ihr wisst, dass vor kurzem ein führender schwedischer Genosse über die Vereinbarkeit der religiösen Gesinnung, nicht nur mit der Zugehörigkeit zu der kommunistischen Partei, sondern auch mit der marxistischen Weltanschauung geschrieben hat. Wir aber halten den Atheismus als ein unverrückbares Element der materialistischen Weltanschauung, für eine unumgängliche Bedingung der theoretischen Erziehung des Revolutionärs. Wer an andere Welten glaubt, der ist nicht imstande, seine volle Begeisterung und Leidenschaft dem Umbau dieser Welt zu widmen. IV. Darwinismus und Marxismus. Daher die riesige Bedeutung der Naturwissenschaft in der Swerdlow-Universität: ohne Darwin keinen Schritt! Genossen, ich kann mich erinnern, wie ich vor – wie lange ist es nur her? – ja, fast vor einem Vierteljahrhundert – im Gefängnis in Odessa zum ersten mal Darwins „Entstehung der Arten" und „Geschlechtswahl" in die Hände nahm. Ich erinnere mich lebhaft an die kolossale Erschütterung, mit der ich diese Bücher las. Ich weiß nicht, ob es in der „Entstehung der Arten" oder in der „Geschlechtswahl" ist, wo Darwin die Entwicklung der Feder eines Pfaus oder irgendeines anderen buntgefiederten Vogelmännchens schildert und zeigt, wie aus den ersten, fast unmerkbaren Abweichungen in Farbe und Form das komplizierteste Prunkgefieder entsteht. Ich muss sagen, dass erst in diesem Augenblick, als ich mit meinem theoretischen Fassungsvermögen mit dieser Pfaufeder in ihrer darwinistischen Auslegung in Berührung kam, ich mich gehörig als Atheist fühlte. Denn, wenn die Natur imstande ist, eine so kunst- und prachtvolle Arbeit mit den eigenen „blinden" Methoden durchzuführen, wozu dann das Eingreifen überirdischer Kräfte? Als ich dann nachher, einige Monate später, die Selbstbiographie Darwins las, wo – all das ist mir fest im Gedächtnis geblieben! – ungefähr ein solcher Satz enthalten ist: „Wiewohl ich, Darwin, die biblische Schöpfungstheorie aufgegeben habe, habe ich meinen Glauben an Gott unabänderlich bewahrt," war ich tief erschüttert – über Darwins und nicht über meine Stellung. Auch jetzt noch weiß ich nicht, ob das bei dem alten Gelehrten, einer der genialsten Gestalten in der Geschichte der Menschheit, eine konventionelle Lüge, eine diplomatische Verbeugung vor der heuchlerischsten öffentlichen Meinung der ganzen Welt: der der englischen Bourgeoisie, war, oder ob in seinem eigenen Gehirn von dem Darwinismus nicht durchgearbeitete Zellen geblieben sind, in die in seiner Jugend, als man ihn zum Geistlichen heranbilden wollte, der religiöse Glaube sich einnistete. Ich unternehme es nicht, Genossen, diese psychologische Frage zu lösen. Ist denn aber das nicht gleichgültig? Wenn Charles Darwin nach seinen eigenen Worten den Glauben an Gott bewahrt hat, so hat sich der Darwinismus in diesen Glauben nie gefügt. In dieser Beziehung wie auch in anderen ist der Darwinismus eine Voraussetzung des Marxismus. Im breiten materialistischen und dialektischen Sinne ist der Marxismus eine Anwendung des Darwinismus an die menschliche Gesellschaft. Ihr wisst, dass es liberale manchesterische Versuche zur mechanischen Übertragung des Darwinismus auf das Gebiet der Soziologie gegeben hat, die nur zu kindischen Analogien führten, hinter denen eine böswillige bürgerliche Apologetik verborgen war: die Marktkonkurrenz wurde als das „ewige" Gesetz des Kampfes ums Dasein usw. erklärt. Es erübrigt sich, über diese Plattheiten zu sprechen. Aber nur der innere Zusammenhang zwischen Marxismus und Darwinismus gibt uns die Möglichkeit, den lebendigen Prozess des Seins in seinem anfänglichen Zusammenhang mit der anorganischen Natur, in seiner weiteren Absonderung, Entwicklung und Dynamik, in der Differenzierung der Existenzbedürfnisse der ersten elementaren Pflanzen- und Tierarten, in ihrem Kampfe, in ihren Wandlungen, in der Entwicklung und der Komplikation ihrer Formen, in dem Erscheinen des „ersten" Menschen oder menschenähnlichen Wesens, das sich mit den ersten primitiven Arbeitsinstrumenten ausrüstete, im Auftauchen der einfachsten Zusammenarbeit, die sich künstlicher Organe bediente, in der weiteren Gliederung der Gesellschaft auf Grundlage der Entwicklung der Produktionsmittel, d. h. der Mittel zur Bezwingung der Natur, im Klassenkampfe und schließlich im Kampfe um Abschaffung der Klassen zu begreifen. Die Welt von einem so breiten materialistischen Standpunkt zu erfassen, – das heißt, Genossen, sein Bewusstsein zum ersten Mal von allen Überresten des Mystizismus zu befreien und sich einen festen Boden unter den Füßen zu sichern. Das bedeutet das Gefühl, dass man nunmehr keine inneren subjektiven Bedürfnisse im Kampfe für die Zukunft hat, sondern nur äußere Widerstände und Hindernisse, die man, den Bedingungen des Kampfes entsprechend, in dem einen Falle untergraben, in dem anderen umgehen und im dritten sprengen muss. V. Theorie der revolutionären Aktion. Letzten Endes siegt immer die Praxis, sagen wir nicht selten Das ist auch richtig, in dem Sinne, dass die kollektive Erfahrung der Klasse und der gesamten Menschheit allmählich die Illusionen, falschen Theorien und übereilten Verallgemeinerungen, wegfegt. Aber in einem anderen, nicht weniger wahren Sinne, kann gesagt werden, dass letzten Endes die Theorie siegt. Es ist nur nötig, dass die Theorie wirklich die gesamte Erfahrung der Menschheit konzentriert. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, verschwindet der Gegensatz zwischen Theorie und Praxis, denn die Theorie ist eben die richtig verwertete und verallgemeinerte Praxis. Die Theorie besiegt nicht die Praxis, sondern die ideenlose, rein empirische, unbeholfene Einstellung derselben. Gewiss, wir können mit vollem Recht sagen: Rüstet Euch mit Theorie aus, denn letzten Endes siegt die Theorie. Um die Bedingungen des Kampfes, darunter auch die Lage der eigenen Klasse, richtig einzuschätzen, ist eine verlässliche Methode der politischen, historischen Orientierung notwendig. Das ist der Marxismus oder, in der Anwendung auf die neueste Epoche, der Leninismus. Marx und Lenin sind die beiden größten Wegweiser auf dem Gebiete der gesellschaftlichen Theorie. Das sind die beiden Namen, die jene materialistische und dialektisch wirksame Weltanschauung, die dem Programm der kommunistischen Universität Swerdlow zugrunde gelegt ist, verkörpern. Marx – Lenin! Diese beiden Namen schließen jeden Gedanken an „Akademismus" aus. Ich denke hierbei an jene Diskussionen über Akademismus, die bei uns auf der Schule stattfanden und dann auf die Spalten der allgemeinen Parteipresse übertragen wurden. Der Akademismus im Sinne einer Theorie von selbständigem Wert und Bedeutung ist für uns Revolutionäre ein doppelter Unsinn. Die Theorie dient dem kollektiven Menschen, sie dient der Revolution. Allerdings hat es in gewissen Momenten unserer gesellschaftlichen Entwicklung Versuche gegeben, den Marxismus von der revolutionären Aktion abzulenken. Das war die Zeit des sogenannten legalen Marxismus. In jener Periode entwickelte sich ein besonderer Typus des legalen Marxisten. Das war in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die russischen Marxisten teilten sich zu dieser Zeit in zwei Lager: die legalen Marxisten in den Petrograder und Moskauer Zeitschriften-Salons und die Unterirdischen, die Marxisten im Gefängnis, in der sibirischen Verbannung, in der Emigration: die illegalen Marxisten. Die legalen waren im Allgemeinen gebildeter als wir, die damaligen jungen Marxisten. Gewiss gab es bei uns auch damals schon eine Gruppe tief gebildeter revolutionärer Marxisten, aber nur ein kleines Häuflein, während wir, die Jugend, in erdrückender Mehrheit, wenn wir es aufrichtig sagen wollen, ziemlich unwissend waren und das Lesen Darwins ein erschütterndes Erlebnis für uns war. Und nicht viele hatten die Gelegenheit, auch nur bis Darwin zu kommen. Und trotzdem kann ich Euch mit Bestimmtheit erklären, wenn ein solcher illegaler junger, neunzehn- oder zwanzigjähriger Marxist Stirn an Stirn mit einem legalen Marxisten zusammenstieß, bei den jungen nachher immer das Gefühl erwachte: und doch sind wir die Gescheiteren. Das war nicht einfach eine kindische Selbstüberhebung. Nein, die Erklärung dieses Gefühls bestand darin, dass der Marxismus nicht in vollem Sinne angeeignet werden kann, wenn man keinen Willen zur revolutionären Aktion hat. Nur in dem Falle, wenn der theoretische Gedanke mit einem auf Überwindung der bestehenden Verhältnisse gerichteten Willen gepaart ist, durchdringt und durchbohrt die Waffe des Marxismus alle Hindernisse. Wenn es aber an diesem aktiven revolutionären Willen mangelt, so ist der Marxismus ein Pseudomarxismus, ein Holzmesser, das nicht spaltet und nicht schneidet. So war er in den Händen unserer legalen Marxisten, die sich allmählich in Liberale umwandelten. Der Wille zur revolutionären Aktion ist die unumgängliche Voraussetzung zur Erfassung der marxistischen Dialektik. Das eine ist ohne das andere nicht lebensfähig. Der Marxismus kann zu keinem Akademismus werden, ohne gleichzeitig aufzuhören, Marxismus, d. h. die theoretische Waffe der revolutionären Aktion zu sein. Die Swerdlow-Universität ist vor der akademischen Entartung schon dadurch bewahrt, dass sie die Institution einer Partei darstellt, die noch immer die Garnison einer belagerten revolutionären Festung ist. VI. Das Andenken Swerdlows. Nicht umsonst, Genossen, trägt Eure Universität den Namen Swerdlows! Das Andenken Jakob Michailowitschs ehren wir liebend, nicht als das eines Theoretikers – er war es nicht –, sondern als eines Revolutionärs, der für die Erfordernisse der revolutionären Aktion in genügendem Maße die Methode des Marxismus beherrschte. Wie auch die erdrückende Mehrheit unter uns hat er die marxistische Theorie nicht selbständig weiterentwickelt, er hat sie zu keinen neuen wissenschaftlichen Eroberungen geführt, dafür hat er aber die marxistische Methode mit voller Überzeugung angewendet, um der bürgerlichen Gesellschaft materielle Schläge zu versetzen. So kannten wir ihn, so ist er in das Grab gesunken. Was charakteristisch für ihn war, ist der tätige Mannesmut. Ohne diese Eigenschaft, Genossen, gibt und kann es keinen Revolutionär geben. Nicht in dem Sinne, dass ein Revolutionär kein Feigling sein darf – das ist viel zu elementar und zu einfach, inwiefern Mut in physischem Sinne in Betracht kommt – der Revolutionär muss etwas Höheres besitzen, und zwar einen geistigen Mut, die Kühnheit im Handeln, die Entschlossenheit zu Handlungen, die es in der Geschichte noch nicht gegeben hat, die in der Praxis noch nicht geprüft sind und aus diesem Grunde als etwas Ungeheuerliches scheinen. Die Idee des Oktobers nach Oktober ist eine Sache für sich, die gleiche Idee vor Oktober ist etwas ganz anderes. Jedes große Ereignis trifft in gewissem Sinne die Leute unvorbereitet. Die Idee der Oktoberrevolution unmittelbar vor Oktober, – schien sie etwa nicht als die Verkörperung eines Unmöglichen, Undurchführbaren, und gab es etwa wenig Marxisten, die entsetzt vom Oktober zurückwichen, wiewohl sie scheinbar die ganze Zeit hindurch ihm entgegengingen? Gerade darin offenbarte sich die Bedeutung der Oktoberrevolution, dass die Geschichte in diesen Tagen Klassen, Parteien und einzelne Leute auf der Hand abgewogen und die für zu leicht befundenen weggefegt hat. Swerdlow gehörte nicht zu diesen. Er war ein wahrer Kämpfer, aus gutem Material, und handhabte genügend die Waffe des Marxismus, um fest und sicher die Tage des Oktobers durchzumachen. Ich sah ihn in verschiedenen Milieus: in großen Massenversammlungen, in Sitzungen des ZK in kritischen Zeitpunkten, in Kommissionen, im Revolutionären Kriegskomitee und in den Sitzungen der Allrussischen Sowjetkongresse; ich hörte oft seine Posaunenstimme eines Massenredners und seine „Zimmerstimme" bei den Sitzungen des ZK, – und, Genossen, ich kann mir auf seinem Gesicht für keinen Augenblick den Ausdruck der Verlegenheit, der Verwirrung, vom Schrecken gar nicht zu sprechen, vorstellen. In den schwersten Stunden war er immer der gleiche; mit der Ledermütze auf dem Kopf, mit einer Zigarette im Munde, lächelnd, mager, klein, beweglich, nervös und in seiner Nervosität überzeugt und ruhig. So sah ich ihn im Juli 1917 zur Zeit des Wütens der Weißgardisten in Petersburg, so war er in den kritischsten Stunden unmittelbar vor Oktober, so blieb er in den Tagen der deutschen Invasion nach den Verhandlungen in Brest-Litowsk und in den Tagen des Juli-Aufstandes der Linken SR, als ein Teil des Rates der Volkskommissare, die links-sozialrevolutionäre Minderheit, dem anderen Teil der Volkskommissare, der bolschewistischen Mehrheit, von einer der Moskauer Straßen nach dem Kreml Artilleriegeschosse sandte. Ich kann mich erinnern, wie Jakob Michailowitsch, wie immer mit seiner Ledermütze auf dem Kopfe, lächelnd fragte: „Nun, wir werden wohl vom Rat der Volkskommissare wieder zu einem Revolutionären Kriegskomitee übergehen müssen?" Selbst in den Stunden, als die Tschechoslowaken Nischni-Nowgorod bedrohten und Genosse Lenin, von der Kugel der SR zu Falle gebracht, darnieder lag, erbebte Swerdlow nicht. Sein ruhiges und sicheres Selbstvertrauen verließ ihn auf keinen Augenblick. Und das, Genossen, ist eine unschätzbare, wahrlich wertvolle Eigenschaft eines wirklichen Revolutionärs. Wir alle können es nicht wissen, welche Tage und Stunden uns noch bevorstehen, welche Kämpfe unserer harren, welche Barrikaden wir noch zu nehmen oder vielleicht vorübergehend auch aufzugeben haben werden. Wir haben schon vielmals Stellungen genommen, aufgegeben und dann wiedergewonnen. Die Linie der revolutionären Entwicklung ist sehr kompliziert. Wir müssen zu allem bereit sein. Der Mannesmut Swerdlows soll die Swerdlow-Universität begeistern, – dann werden wir ruhig auf die Aufrechterhaltung des Kämpfergeistes unserer Partei vertrauen. VII. Die Partei im Osten. Ich sagte vorher, Genossen, dass Mystizismus und Religiosität mit der Zugehörigkeit zur KP. nicht vereinbar sind. Das war ein ungenauer Ausdruck, den ich richtigstellen möchte, – nicht aus irgendwelchen abstrakten Erwägungen, sondern aus dem Grunde, weil für uns, für die KP des Bundes der Sowjetrepubliken, diese Frage von riesiger praktischer Bedeutung ist. Moskau ist das unbestrittene Zentrum des Bundes, wir haben aber auch eine umfangreiche Peripherie in unserem Bunde, die von früher unterdrückten Nationalitäten, von Völkern bewohnt ist, die nicht aus ihrer eigenen Schuld rückständig sind, und die Schaffung und Entwicklung von kommunistischen Parteien in diesen Gebieten ist gegenwärtig eine unserer wichtigsten und kompliziertesten Aufgaben, die auf den jungen Schultern der Swerdlowianer im Laufe ihrer nächsten Tätigkeit lasten wird. Wir stehen mit der äußeren Welt und vor allem mit dem vielmillionenköpfigen Osten durch die Vermittlung rückständiger Sowjetrepubliken in Berührung. Durch das Gesetz und die Vernunft der revolutionären Diktatur verhindern wir in den Ländern des Bundes das Aufkommen jeglicher Partei, die eine offene oder verkappte Interessenvertretung der Bourgeoisie darstellt. Mit anderen Worten: wir gestehen in der revolutionären Übergangsperiode das Recht auf die Macht nur der KP zu. Demzufolge gestehen wir in Turkestan, Aserbaidschan, Georgien, Armenien und in allen übrigen Teilen unseres Bundes nur der betreffenden, sich auf die werktätigen unteren Schichten der Bevölkerung stützenden KP das Recht zu, in der Übergangsperiode das Schicksal ihres Volkes zu leiten. Dort ist aber die soziale Grundlage, aus der in den Städten unsere sich nachher in den Kämpfen stählende Partei entstanden ist, noch sehr schwach. Das Proletariat ist dort nicht stark. Diese Gebiete besitzen nicht einmal jene dürftige politische vorrevolutionäre Geschichte, die wir in Moskau und Petrograd besitzen. Dort hat erst die Oktoberrevolution die rückständigen und früher unter schwerem Druck leidenden Bauernmassen zu einem bewussten oder halb bewussten politischen Leben erweckt. Diese Bauernmassen streben jetzt, nachdem sie erwacht sind, der KP als ihrer Erretterin zu, sie sind bestrebt, ihre besten Elemente in ihre Reihen zu stellen, – Elemente, die aufrichtig und revolutionär sind, aber in der Vergangenheit keine Schule des Klassenkampfes durchmachten und keine Erfahrungen aus Streiks, Aufständen, Barrikadenkämpfen, Zirkelpropaganda, aus eigener und fremder Presse besitzen – Elemente, die unmittelbar dem halbnomadischen Barbarentum, dem Lamaismus, Schamanentum, der Herrschaft des Islam entstammen und jetzt an die Tür der KP pochen. Vor diesen besten Elementen der rückständigen Völkerschaften öffnen wir die Tür unserer Partei, und es ist nicht verwunderlich, wenn wir der Tatsache gegenüberstehen, dass in Turkestan und in einigen anderen nationalen Republiken ein ziemlich hoher Prozentsatz, in manchen bis zu 15 Prozent, aus gläubigen Leuten besteht. Hat das etwas gemein mit jener Theorie, die manche „Führer" über die Vereinbarkeit der Religion mit dem Marxismus entwickeln? Nicht das Geringste. Es ist doch eine Sache für sich, wenn ein aufgeklärter Intellektueller, der durch das Schicksal in die KP geschleudert wurde, sich aber unbefriedigt fühlt oder an einem ideologischen Rückfall oder infolge einer schlechten theoretischen Verdauung an Magenbrennen leidet, der Meinung ist, dass er von Zeit zu Zeit gegen ein ideologisches Magenbrennen oder sonstiges Missbehagen mystischer Medikamente bedarf. Das ist ideologische Bummelei, das ist kleinbürgerlicher Snobismus, das ist dem Scheine nach ein äußerst feiner, in Wirklichkeit aber der platteste Aristokratismus. Etwas ganz anderes aber ist das historisch noch nicht bearbeitete turkestanische oder aserbaidschanische revolutionäre Rohmaterial, das jetzt an unsere Türen pocht und das wir aufnehmen und erziehen müssen. Gewiss wäre es besser, wenn wir dort Proletarier hätten, die schon Streiks durchgemacht haben, mit der Kirche in Konflikte geraten sind, ihre alten Vorurteile aufgegeben haben und erst nachher zum Kommunismus gelangt sind. Das findet jetzt in Europa statt und das hat in gewissem Grade bei uns im Zentrum stattgefunden und das ist es, was jetzt bei uns im Gange ist. Dort im Osten mangelt es aber an dieser ganzen vorhergehenden Schulung. Dort ist unsere Partei die erste Schule und sie muss ihre diesbezügliche Pflicht in Anpassung an die Lage erfüllen. Wir nehmen dort auch solche Genossen in unsere Reihen auf, die mit der Religion noch nicht gebrochen haben, aber nicht zu dem Zwecke, um den Marxismus mit dem Islam in Einklang zu bringen, sondern um mit entsprechendem Taktgefühl, aber beharrlich das Bewusstsein dieser rückständigen Mitglieder der Partei von dem Aberglauben, der seinem eigensten Wesen nach ein Todfeind des Kommunismus ist, zu befreien. Mit allen unserer Partei zur Verfügung stehenden Mitteln müssen wir ihnen helfen, dass sie ihr Bewusstsein in allen seinen Gebieten entsprechend bearbeiten, sich geistig heben und zu einer völlig geschlossenen aktiv materialistischen Weltanschauung gelangen. Und es wird, Genossen von der Swerdlow-Universität, eine Eurer wichtigsten Aufgaben sein, das Band des Westens mit dem Osten zu erweitern und zu stärken. Denkt immer daran: Wir sind die Quelle und die Träger der Kultur für den ungeheuren asiatischen Kontinent. Unsere Mission in Bezug auf den Osten müssen wir vor allem im Rahmen unseres eigenen Sowjetbundes erfassen und entfalten. Ist es schwer, einen bejahrten oder im Mannesalter stehenden Turkmenen, Baschkiren oder Kirgisen eine neue Überzeugung beizubringen, so ist das in Bezug auf die eingeborene Jugend in vollem Umfange möglich. Das ist vor allem die Aufgabe unseres KJV, unserer Swerdlow-Universität. Die Revolution zieht sich durch mehrere, durch eine ganze Reihe von Jahren hin, sie wird im Laufe von Jahrzehnten zur Entfaltung und Vollendung gelangen. Ihr werdet ihre Fortsetzer sein. Ich weiß nicht, ob Ihr alle auch ihren Endsieg erleben werdet, aber, Genossen, auch das ist ein großes Glück, dass Ihr alle Teilnehmer der Revolution sein werdet, dass Ihr das ununterbrochene Fortdauern der revolutionären Ideologie sichern und nach Erlernen der Handhabung der theoretischen Waffe des Kampfes diese auf einer immer breiter werdenden Arena in Anwendung bringen werdet. In dieser allseitigen Ausrüstung der Vertreter der jungen Generation besteht die Hauptaufgabe der Swerdlow-Universität. Denken wir immer daran: Letzten Endes siegt die Theorie! VIII. Die Swerdlow-Universität und Lenin. Ich bin voll überzeugt, dass das Band zwischen der Swerdlow-Universität einerseits und dem Lenin-Institut und Marx-Institut andererseits in den nächsten Jahren immer mehr erstarken wird. Der Weg zu Marx führt für die jüngere Generation durch Lenin. Der unmittelbare Weg wird immer schwieriger, weil die Jugend durch eine immer größere Epoche von den genialen Gründern des wissenschaftlichen Sozialismus: Marx und Engels getrennt ist. Der Leninismus ist die höchste Konzentration des Marxismus zur unmittelbaren revolutionären Aktion in der Epoche der imperialistischen Agonie der bürgerlichen Gesellschaft. Das Lenin-Institut in Moskau muss zur höchsten Akademie der revolutionären Strategie werden. Das Band der Swerdlow-Universität mit diesem Institut muss von allem Anfang an geschaffen werden, um sich nachher weiter zu entwickeln und zu erstarken. Genossen, bei diesem Feste unseres fünfjährigen Jubiläums betrübt uns nichts so sehr, als der Umstand, dass unser Ehrenvorsitzender Iljitsch nicht hier unter uns sitzt. Der Gedanke an seine lange und schwere Krankheit verlässt unser Bewusstsein auf keinen Augenblick. Diese Betrübnis wird aber durch die feste Überzeugung gemildert, dass unsere KP und mit ihr zusammen auch die Swerdlow-Universität, eine der wertvollsten Zellen der Partei, fest und unerschütterlich vom machtvollen Geist Lenins durchdrungen ist. In diesem Sinne können wir daher sagen, dass, wenn unser Führer und Lehrer sich noch immer nicht hier unter uns befindet, so ist sein revolutionärer Genius mit uns, er schwebt hier über dieser Feier der Swerdlow-Universität. Wir atmen hier bei dieser Feier die Atmosphäre der besten und höchsten Doktrin ein, die die bisherige Entwicklung des menschlichen Geistes geschaffen hat. Daher ist auch unser Vertrauen auf unsere unmittelbare Zukunft so fest. Ich kann, Genossen, die an Euch im Namen des ZK unserer Partei gerichtete Begrüßung nicht anders enden, als mit dem Ausdrucke unseres gemeinsamen brüderlichen Grußes und der begeisterten Liebe von Schülern gegenüber unserem Lehrer Iljitsch! (Beifall, das Orchester spielt die Internationale.) 1 Abkürzung für „Neue ökonomische Politik" in Russland 2 In dieser Nummer ist ein Leitartikel mit der Überschrift: „Schurken" veröffentlicht |
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