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Leo Trotzki 19211227 Resolution des IX. Sowjetkongresses über die Rote Armee und die Rote Flotte

Leo Trotzki: Resolution des IX. Sowjetkongresses über die Rote Armee und die Rote Flotte

[Nach der Broschüre Leo Trotzki, Die rote Armee der Sowjetrepublik auf der Wacht, Hamburg 1922, S. 42-46]

Der Allrussische Sowjetkongress der Arbeiter-, Bauern-, Rotarmisten- und Kosaken-Deputierten bestätigt von neuem die Bereitschaft der Sowjetrepublik, mit allen Völkern der Erde in Frieden zu leben. Neue Verlegungen der staatlichen Grenzen nach dieser oder jener Seite, können den Hungrigen kein Brot geben und auch die Wunden der Weltwirtschaft nicht heilen. Nur die systematische Arbeit, nur der zweckmäßig organisierte Austausch von Gütern und Diensten unter allen Völkern können die Wirtschaft auf den zweckmäßigeren Grundlagen der Brüderlichkeit und Solidarität wieder aufbauen.

Unter diesen Verhältnissen neue Kriege zu planen, d. h., neues Gemetzel und neue Verwüstungen im Namen der Gewalt einer Nation über die andere, bedeutet ein Hinausstoßen der Menschheit auf den Weg der endgültigen Verarmung, Verwilderung und Vernichtung.

Die Allrussische Sowjetkonferenz billigt durchaus alle Bestrebungen und Maßnahmen der Arbeiter und Bauern-Regierung, die darauf gerichtet sind, die erste nach Frieden und Arbeit strebende sozialistische Republik vor neuen Kriegen zu bewahren.

Der IX. Allrussische Sowjetkongress billigt die gemäß der Beschlüsse des VIII. Allrussischen Sowjetkongresses durchgeführte Verringerung der Armee, die gegenwärtig um zwei Drittel kleiner ist, als vor einem Jahre.

Schon jetzt ist die Rote Armee, der Bevölkerungszahl nach, mehr als um zwei Drittel kleiner, der Größe des Gebiets nach um neun Zehntel kleiner als die französische Armee.

Der Sowjetkongress weist vor allen Völkern, die man betrügen will, die Verleumdungen der kapitalistischen Minister, Diplomaten, Journalisten vor allen Dingen Frankreichs mit Entrüstung zurück, die fortfahren, zumal auf der Konferenz von Washington, trotz den gegenteiligen Tatsachen zu behaupten, die Sowjetregierung plane Angriffskriege gegen ihre Nachbarn, insbesondere gegen Polen. Die ganze Politik der Sowjetregierung und vor allem die fortdauernde Verminderung der Roten Armee liefern den unbestreitbaren Beweis für den Eigennutz und die verbrecherische Tendenz der Lügen, mit deren Hilfe die noch nicht zur Verantwortung gezogenen Schuldigen des imperialistischen Gemetzels den Versuch machen, im europäischen Osten wieder neu den Kriegsbrand zu entfachen.

Der IX. Sowjetkongress hält es gleichzeitig für seine Pflicht, die arbeitenden Massen Russlands und der befreundeten Republiken darüber aufzuklären, dass weder die heroischen Siege der Roten Armee, noch die beharrlichen und entschlossenen Anstrengungen der Sowjetdiplomatie, noch der wachsende Widerstand der arbeitenden Massen der ganzen Welt gegen neue Kriege, bisher Garantien gegeben haben für die wirkliche Unantastbarkeit der ersten Republik der Arbeit. Die räuberischen und abenteuerlichen Elemente der imperialistischen Bourgeoisie der großen und kleinen Staaten finden aus den Gegensätzen der ökonomischen Krisis und des imperialistischen Kampfes keinen Ausweg und fahren daher fort, Hand in Hand mit russischen Gutsbesitzern, Kapitalisten und Emigrantengeneralen immer wieder neue Schläge gegen den Arbeiter- und Bauernstaat vorzubereiten.

Die Weigerung der rumänischen Regierung, Verhandlungen auf der Grundlage einer entschiedenen Aufgabe der Politik der militärischen Anschläge zu beginnen, das aktive Bestreben einflussreicher Gruppen und Personen in Polen, die friedlichen Beziehungen mit den Sowjetrepubliken zu stören, das andauernde Hinüberwerfen von konterrevolutionären Banden auf unser Gebiet unter Mitwirkung der einflussreichsten militärischen und politischen Kreise in Polen und Rumänien, das Betreten desselben Weges seitens Finnlands, das gegenrevolutionäre Banden unter dem Deckmantel eines Karelischen Aufstandes in das Sowjetland wirft, feindselige japanisch-weißgardistische militärische Operationen im Fernen Osten, die von Tokio aus zu einer Zeit inszeniert wurden, da in Washington Abrüstungsfragen erörtert und Vereinbarungen ohne die Teilnahme Russlands getroffen werden, das sind die grellen und um bestreitbaren Tatsachen und Ereignisse des heutigen Tages, die davon zeugen, dass die unversöhnliche Feindschaft der Bourgeoisie gegen die Sowjetrepublik auch weiterhin ihren Ausdruck in offenen, gegen die Sicherheit Russlands, sowohl im Westen als auch im Osten, gerichteten militärischen Aktionen findet.

Im Hinblick auf alle diese Umstände muss die Sowjetregierung, in der Politik des Kampfes um den Frieden, um ökonomische Verträge und geordnete internationale Verhältnisse fortfahrend, gleichzeitig bereit sein, jeden Anschlag auf die Unantastbarkeit und Unabhängigkeit der Sowjetföderation mit bewaffneter Hand zurückzuweisen.

Die Rote Armee vermindernd und dadurch den Arbeitern und Bauern die durch den Krieg aufgezwungenen Lasten erleichternd, sind die Sowjetregierung und alle örtlichen Organe der Sowjetmacht verpflichtet, alle Kräfte aufzubieten, um die Armee möglichst zu stärken, ihre materielle Lage zu bessern, ihr allgemeines politisches und militärisches Niveau zu heben, um auf diese Weise ihre Kampffähigkeit bei verminderter zahlenmäßiger Stärke zu steigern.

Der Allrussische Sowjetkongress erklärt die volle Bereitschaft der Werktätigen, die für den Unterhalt der Roten Armee erforderlichen Opfer zu tragen, und billigt die von der Regierung gefassten oder geplanten, auf die Besserung der Lebensmittel- und Wohnungsversorgung und der sanitären Lage der Rotarmisten und auf die Erhöhung ihrer Geldbezüge gerichteten Maßnahmen.

Der Sowjetkongress macht es den Regierungsorganen zur Pflicht, Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, für den führenden Bestand der Armee solche Existenzbedingungen zu schaffen, die die höchst verantwortliche Arbeit der Kommandeure und Kommissare auf dem Gebiete der Ausbildung und Erziehung der Roten Armee erleichtern.

Der Allrussische Sowjetkongress betrachtet die Herstellung einer engen geistigen Beziehung zwischen den örtlichen Organen der Sowjetmacht und den in ihrem Gebiet stehenden Roten Truppen als durchaus richtig. Der Sowjetkongress fordert auf, das System der Zuteilung von militärischen Truppenteilen an die örtlichen und zentralen Sowjetorgane bis zu Ende durchzuführen und erwartet von dieser Maßnahme sowohl für die Festigung des Kontaktes der Roten Armee mit der arbeitenden Bevölkerung der Städte und Dörfer als auch für den inneren Zusammenschluss und die politische Aufklärung der rotarmistischen Teile und für die Erleichterung ihrer Existenzbedingungen die allergünstigsten Folgen.

Die technische Versorgung der Roten Armee, als eine der wichtigsten Voraussetzungen ihrer Kampffähigkeit, erfordert von Seiten der Regierung, zumal von ihren wirtschaftlichen Organen die angespannteste Sorge um die Ausstattung der militärischen Industrie mit allen erforderlichen Mitteln und Materialien.

Der Kongress bestätigt die außerordentliche staatliche Wichtigkeit der weiteren Verbesserung der militärischen Lehranstalten und fordert das Kriegskommissariat und die Regierung in ihrer Gesamtheit dazu auf, dieser Frage besondere Beachtung zu schenken.

Die Prüfung der Statuten, Programme und Instruktionen hat systematisch zu geschehen im Einklang mit der Erfahrung der Roten Armee und den herangereiften neuen Bedürfnissen, dessen eingedenk, dass die neuen Feinde besser organisiert, geschult und bewaffnet sein können, als jene, über die die Rote Armee so viele herrliche Siege errungen hat.

Die Heranziehung der Roten Armee zu der wirtschaftlichen Arbeit, vor allem auf dem Gebiete der Selbstversorgung für durchaus richtig und notwendig erachtend, billigt der Sowjetkongress gleichzeitig die Beschlüsse des Rates der Volkskommissare und des Arbeits- und Verteidigungsrates, dahingehend, dass die wirtschaftliche Arbeit der Roten Armee nicht auf Kosten der militärischen Ausbildung und Erziehung, d. h. auf Kosten der Kampffähigkeit der Armee erfolgen darf.

Der Kongress erachtet es für notwendig, die Maßnahmen des militärischen Ressorts weiter fortzusetzen, die darauf gerichtet sind, in dieser Friedenszeit zweckmäßig organisierte Beziehungen in der Armee herzustellen, eine strenge Registrierung des militärischen Volkseigentums, seine sparsamere und wirtschaftlichere Behandlung einzuführen, außer der politisch bewussten Wirtschaftlichkeit, auch die Sauberkeit und Präzision sowohl des Kommando- und Kommissarbestandes, als auch jedes einzelnen Kämpfers zu steigern.

Die Vergünstigungen hinsichtlich der Wehrpflicht, nicht nur im Sinne der Befreiung, sondern auch des Aufschubs, müssen auf das durchaus notwendige Minimum gebracht werden. Die Gleichheit auf dem Gebiet der Wehrpflicht muss mit äußerster Konsequenz durchgeführt werden. Die roten Kasernen müssen sowohl in materieller als auch in geistiger Hinsicht eine der wichtigsten Schulen nicht nur der militärischen, sondern auch der bürgerlichen Erziehung der Arbeiter- und Bauernjugend werden.

Die schweren Schläge in Rechnung stellend, die durch die Treulosigkeit der russischen und die Raubgier der ausländischen Gegenrevolution über die Kriegsflotte hereingebrochen sind, vermerkt der Kongress mit Befriedigung die Bemühungen der besten militärischen Kämpfer, den lebendigen Kern der Flotte unter den gegenwärtigen schwierigen Verhältnissen zu erhalten, und drückt die feste Überzeugung aus, dass die beginnende Gesundung des wirtschaftlichen Lebens des Landes es der Roten Flotte ermöglichen wird, ihre Pflicht der Verteidigung der Seewege der sozialistischen Republik durchzuführen.

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