Leo Trotzki und Wladimir I. Lenin: An alle kriegführende Völker! [Nach Ernst Drahn (Hg.): Brest-Litowsk. Berlin 1920, S. 13 f.] Als Antwort auf unseren Vorschlag sofort Waffenstillstand auf allen Fronten zu erklären, um Frieden zu schließen auf demokratischer Grundlage ohne Annexionen und Kontributionen mit der Garantie des Rechts der Selbstbestimmung der Völker antwortete der deutsche Höchstkommandierende, er gehe auf Friedensbesprechungen ein. Der Höchstkommandierende der Republik, Leutnant Krylenko, schlug vor, die Friedensbesprechungen erst am 1. Dezember beginnen zu lassen, um den Völkern, die mit,uns im Bunde sind, die Möglichkeit zu geben, sich zu den Friedensbesprechungen zu erklären. Die Kriegsoperationen sind nach beiderseitiger Übereinkunft an der russischen Front unterbrochen. Die Umgruppierung von Streitkräften während der fünf Tage bis zum 1. Dezember muss selbstverständlich unterbleiben. Der entscheidende Schritt ist getan. Die siegreiche Arbeiter- und Bauernrevolution in Russland stellte die Friedensfrage. Die Zeit der Weigerung, der Ableugnung, der bürokratischen Verhandlungen hat ein Ende. Jetzt müssen alle Regierungen, alle Klassen, alle Parteien aller kriegführenden Länder eine kategorische Antwort geben auf die Frage, ob sie einverstanden sind, mit uns gemeinsam am 1. Dezember die Friedensverhandlungen zu beginnen? Ja oder nein; von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob die Fabrik- und Landarbeiter eine neue Winterkampagne mit allen ihren Schrecknissen sich ersparen können oder ob Europa weiter bluten wird. Wir, der Rat der Volkskommissare, wenden uns mit dieser Frage an die Regierungen unserer Verbündeten, an Frankreich, England, Italien, die Vereinigten Staaten, Belgien, Serbien, Rumänien, Japan, China. Wir fragen sie, vor dem Angesicht ihrer Völker, vor dem Angesicht aller Welt, ob sie bereit sind, am 1. Dezember mit den Friedensverhandlungen zu beginnen? Wir, der Rat der Volkskommissare, wenden uns an die Völker, die mit uns im Bunde sind und vor allem an ihre Arbeitermassen: Wollen sie noch weiter diesen Kampf führen ohne Sinn und Zweck, blind dem Untergange aller europäischen Kultur entgegen? Wir fordern, dass die Arbeiterparteien unserer Alliierten sofort Antwort geben auf die Frage, ob sie wollen, dass die Kapitulationsverhandlungen am 1. Dezember beginnen? Die Frage ist gestellt, Soldaten, Proletarier, Arbeiterfrauen, wollt ihr mit uns zusammen den entscheidenden Schritt zum Frieden aller Völker tun? Wir, der Rat der Volkskommissare, wenden uns an die Arbeitermassen Deutschlands, Österreichs, der Türkei und Bulgariens. Der Friede, den wir vorschlagen, muss ein Friede aller Völker sein. Er muss ein ehrlicher Vertrag sein, welcher jedem Volke die Freiheit der ökonomischen Entwicklung sichert. Solch ein Frieden kann nur nach einem dem Ziel entsprechenden tapferen Kampfe der revolutionären Massen gegen die imperialistischen Pläne und annexionistischen Bestrebungen geschlossen werden. Die Arbeiter- und Bauernrevolution hat ihr Friedensprogramm damit klargelegt. Wir veröffentlichen die geheimen Verträge des Zaren mit der Bourgeoisie der Entente und erklären diese Verträge als ungültig für das russische Volk. Wir schlagen hiermit allen Völkern, einen neuen Vertrag auf der Grundlage der Einigkeit und der gemeinschaftlichen Arbeit vor. Auf unsere Vorschläge erwiderten offizielle und offiziöse Vertreter der herrschenden Klassen unserer Alliierten, dass sie die Regierung der Räte nicht anerkennen und mit ihr in Friedensverhandlungen nicht eintreten können. Die Führer der siegreichen Revolution brauchen keine Anerkennung von Seiten der Vertreter der kapitalistischen Diplomatie. Aber wir fragen die Völker: Entspricht die Ansicht der reaktionären Diplomatie ihren Bestrebungen und ihrer Überzeugung? Gehen die Volksmassen darauf ein, ihrer Diplomatie zu gestatten, die Möglichkeit des Friedens von der Hand zu weisen? Die Antwort auf diese Fragen muss sofort gegeben werden und zwar eine Antwort nicht in Worten, sondern durch die Tat. Die russische Armee und das russische Volk können und wollen nicht länger warten. Am 1. Dezember beginnen wir die Friedensverhandlungen. Wenn unsere Alliierten ihre Vertreter nicht schicken, so werden wir die Friedensverhandlungen allein führen. Wir wollen einen allgemeinen Frieden, aber wenn die Bourgeoisie unserer Alliierten uns zwingt, einen Separatfrieden zu schließen, so fällt die Verantwortung ganz und gar auf sie. Soldaten, Arbeiter und Bauern Frankreichs, Englands, Italiens, der Vereinigten Staaten, Belgiens, Serbiens! Am i. Dezember beginnen die Friedensverhandlungen. Wir warten auf eure Vertreter. Auf zur Tat, verliert keine Stunde. Nieder mit dem Winterfeldzug! Nieder mit dem Kriege! Es lebe der Frieden, die Völkerverbrüderung! Der Volkskommissar des Äußeren: L. Trotzki. Der Präsident der Volkskommissare: W. Uljanow (Lenin). |
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