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Leo Trotzki 19171020 Die Bolschewiki und das Vorparlament

Leo Trotzki: Die Bolschewiki und das Vorparlament

[Nach Bote der Russischen Revolution. Organ der ausländischen Vertretung des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) Nr. 8, 3. Nov. 1917, S. 4 f.]

In der ersten Sitzung des Vorparlaments (des Provisorischen Rats der Russischen Republik) legte Genosse Leo Trotzki im Namen der bolschewistischen Partei folgende Erklärung ab.

Das offizielle Ziel der Demokratischen Beratung, die von dem Zentral-Vollzugsausschuss einberufen wurde, war die Liquidierung des unverantwortlichen Regimes, das die Kornilowaffäre geboren hat, und die Bildung einer verantwortlichen Regierung, die imstande wäre den Krieg zu beenden, und die Einberufung der Konstituierenden Versammlung zum festgestellten Termin zu sichern. In Wirklichkeit wurden hinter den Rücken der Demokratischen Beratung auf dem Wege der persönlichen Abmachungen zwischen Kerenski und den Führern der Sozialisten-Revolutionäre und Menschewiki Resultate erreicht, die den offiziell angegebenen Zielen vollkommen entgegengesetzt sind: Es wurde eine Regierung gebildet, in derer Mitte und um die herum offene und versteckte Kornilowanhänger sitzen und die führende Rolle spielen. Die Unverantwortlichkeit der Regierung ist jetzt gesetzlich und formell proklamiert. Der Rat der Republik wurde als beratende Institution errichtet. Im 8en Monat der Revolution schafft sich die unverantwortliche Regierung einen Deckmantel in der Neuausgabe der Bulyginschen Duma. Die kapitalistischen Elemente bekamen in dem Provisorischem Rate eine Anzahl von Plätzen, auf die sie, den bisherigen Wahlergebnissen nach, nicht das mindeste Recht haben. Und nichtsdestoweniger sind es die Kadetten, die die Unverantwortlichkeit der Regierung sogar vor dem Vorparlament, das doch zu ihren Gunsten gefälscht wurde, durchgesetzt haben. Dieselbe Partei, die auf die Verantwortung der Provisorischen Regierung vor dem Vorsitzenden der Duma, den Herrn Rodsjanko drängte, setzt jetzt die Unverantwortlichkeit der Regierung vor dem Provisorischen Rate durch. In der Konstituierenden Versammlung werden die kapitalistischen Elemente eine viel kleinere Rolle spielen, als in dem Prov. Rate, Und wenn die Kapitalisten wirklich die Konstituierende Versammlung einberufen wollten, hätten sie keine Ursache gehabt, heute die Unverantwortlichkeit der Regierung durchzusetzen. Der Sinn aber ihrer ganzen Taktik liegt einzig darin, den Zusammentritt der Konstituierenden Versammlung zu verhindern. (Unruhe, rechts Rufe: Lüge.) Auf dem Gebiete der Produktion, der Lebensmittelversorgung, auf dem Agrargebiete verstärkt noch die Politik der Regierung und der herrschenden Klassen die, durch den Krieg natürlich hervorgerufene, wirtschaftliche Anarchie, Die Kapitalisten, die den Bauernaufstand provozieren (lebhafte Unruhe rechts, Rufe: Lüge), die den Bürgerkrieg provozieren, wollen jetzt zu seiner Niederwerfung schreiten und setzen ihre Karte klar und offen auf den Hunger, der die Revolution, in erster Linie die Konst. Versammlung, erwürgen soll.

Nicht weniger verbrecherisch ist die äußere Politik der Bourgeoisie und ihrer Regierung. Nach 40 Monaten des Krieges droht der Hauptstadt die tödliche Gefahr. Der Gedanke, den Deutschen die Hauptstadt zu übergeben, rafft keine Empörung bei der Bourgeoisie hervor. (Unruhe und Proteste). Im Gegenteil dieser Gedanke ist für sie ein natürliches Glied in. der Kette ihrer ganzen Politik, die das Werk der Konterrevolution vorbereiten soll. Angesichts dieser Gefahr wird der Plan der Übersiedlung der Regierung nach Moskau ausgeheckt und statt zuzugeben, dass die Rettung des Landes nur in der Beendigung des Krieges liegt, statt über die Köpfe aller imperialistischen Regierungen und diplomatischen Kanzleien offen allen dank dem Kriege verblutenden Völker den Vorschlag des sofortigen Friedens zu werfen und auf diese Weise die Weiterführung des Krieges faktisch unmöglich zu machen, statt alles dessen schleppt die Prov. Regierung auf Befehl der konterrevolutionären Kadetten und der alliierten Imperialisten, ohne Sinn, ohne Ziel, ohne Plan die Bürde des Krieges weiter, liefert neue Hunderttausende Soldaten und Matrosen dem zwecklosen Verderben aus, bereitet die Übergabe Petrograds und den Untergang der Revolution, und während die Matrosen und Soldaten-Bolschewiki, zusammen mit anderen Soldaten und Matrosen infolge fremder Fehler und Verbrechen umkommen, verfolgt der sogenannte Kriegsoberbefehlshaber die bolschewistische Presse. Die führende Partei des Prov. Rates gibt sich gutwillig als Deckmantel für diese Politik her.

Wir, die Fraktion der Bolschewiki erklären: mit dieser Regierung des Volksverrates (lebhafte Unruhe rechts und im Zentrum, Ruf: Schurke!) mit diesem Rate des konterrevolutionären Hehlertums … (Unruhe, Rufe: raus! nieder! ..)

Der Vorsitzende: ich erteilte dem Redner einen. Ordnungsruf und bitte die Versammlung die Deklaration ruhig anzuhören.

haben wir nichts gemeinsames – spricht weiter Trotzki – wir haben nichts zu tun mit dieser für das Volk verderblichen Arbeit, die hinter den Kulissen geleistet wird. Die Revolution ist in Gefahr. In dem Moment, wo die deutschen Armeen Petrograd bedrohen, flieht die Regierung Kerenskis und Konowalows aus Petrograd, um aus Moskau eine Feste der Konterrevolution zu machen. Wir fordern die Moskauer Arbeiter und Soldaten zur Wachsamkeit auf. Indem wir den Provisorischen Rat verlassen (Unruhe im Zentrum) fordern wir alle Arbeiter, Soldaten und Bauern Russlands zur Wachsamkeit und Mut auf. (Rufe: die Deutschen, nicht Russen!)

Petrograd ist in Gefahr – spricht weiter Trotzki – die Revolution und das Volk sind in Gefahr. Die Regierung steigert diese Gefahr und die herrschenden Klassen helfen ihr dabei. Nur das Volk selbst kann sich und das Land retten. Wir wenden uns an das Volk: es lebe der sofortige ehrliche demokratische Frieden. Die ganze Macht den Sowjets. Der ganze Grund und Boden den Bauern! Es lebe die Konstituierende Versammlung! (Beifall auf den Bänken der Bolschewiki.)

Dieser Erklärung – führt Trotzki weiter aus – schließen sich der Delegierte der zweiten Armee, der Delegierte der Gewerkschaft der Eisenbahner, Mamajew und die Delegierten der nationalen sozialdemokratischen Organisationen Stutschka (lettische Sozialdemokratie) und Unschlicht (Soz.-Dem. Russ. Pol.) an.

Nachdem die Erklärung vorgelesen wird, stehen die Bolschewiki auf und verlassen den Saal.

Zu den Austritt der Bolschewiki aus dem Vorparlament nahm der Petrograder Arbeiter und Soldatendelegiertenrat Stellung in einer besonderen Sitzung. Nicht nur der Vertreter der Sozialpatrioten Liber, sondern auch Gen. Martow, der Vertreter der kleinen Gruppe der Menschewiki-Internationalisten bekämpfte den Boykottbeschluss der Bolschewiki, indem er ausführte, es sei gefährlich sich von der Demokratie zu isolieren und dem unverantwortlichen Walten Kerenskis freie Hand zu lassen. Gen. Trotzki und Kollontai hatten es leicht, diese Ausführungen zu entkräften. Nicht nur die Kadetten, sondern die Führer der rechten Menschewiki und der Soz.-Rev. haben die Interessen der Demokratie endgültig verraten. Eine Bauernpartei, die ein Mitglied nicht ausschließt, das einen Bauernaufstand im Interesse der Junker mit Waffengewalt unterdrückt, eine Arbeiterpartei, die Vertreter in einem Ministerium belässt. dessen Vorsitzender eines Komplotts mit der konterrevolutionären Generalität gegen die Arbeiter überführt worden ist, sind für die Demokratie gestorben. Von ihnen sich abzusondern, ihr Vertuschungsspiel durch eine unmissverständliche Tat den Massen zu denunzieren, bedeutet ihnen klaren Wein einzuschenken und das ist Stärkung, nicht Schwächung der Revolution. Die Zeit der Diskussionen ist vorüber, die Zeit offenes Kampfes naht wieder.

Der Petrograder Sowjet stellte sich mit überwiegender Mehrheit auf die Seite der Bolschewiki, deren Resolution angenommen wurde.

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