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Leo Trotzki 19160303 Gruß an Franz Mehring und Rosa Luxemburg

Leo Trotzki: Gruß an Franz Mehring und Rosa Luxemburg

[Erschienen in „Nasche Slowo“ („Unser Wort") Nr. 53, 3. März 1916, eigene Übersetzung nach dem russischen Text, verglichen mit der englischen Übersetzung]

Am 27. Februar wurde Franz Mehring 70 Jahre alt. Der herausragende Publizist der deutschen Sozialdemokratie und zugleich brillante Historiker ihrer ideologischen und politischen Entwicklung tritt in das achte Jahrzehnt in der Epoche der schwersten Krise des Weltsozialismus und vor allem der deutschen Sozialdemokratie selbst. Und sagen wir es gleich: Wenn Mehring uns jetzt lieb und nahe ist, dann nicht als Historiker und verehrter Publizist des deutschen Sozialismus: Der Boden ist uns allen zu heiß unter unseren Füßen, als dass wir zurückschauen und die Menschen nach ihren historischen Verdiensten betrachten könnten; mit zu vielen „Verdienten" haben wir nicht gezögert, zu brechen – nicht nur als ideologischen Gegnern, sondern als politischen Feinden. Wenn uns der Historiker der inneren Kämpfe der deutschen Sozialdemokratie jetzt so nahe steht, dann weil er im heutigen Kampf mutig und ohne zu zögern den Platz eingenommen hat, den wir als den Posten sozialistischer Pflicht und revolutionärer Ehre betrachten. Mehring trat von Beginn des Krieges an in zahlreichen Artikeln und Reden gegen den von autoritären Eunuchen hastig besiegelten Verrat auf, der den prunkvollen Namen „Burgfrieden" trägt. Zusammen mit Rosa Luxemburg veröffentlichte er eine Ausgabe der Zeitschrift „Internationale", bei der schon der Name Programm und zugleich Herausforderung der Parteipolitik des 4. August war. In der Periode des schrecklichen Zusammenbruchs, des Renegatentums der einen, der passiven Schwäche der anderen, leistete Mehrings Aktion gegen die Politik der „Parteiinstanzen" unverzichtbare Unterstützung für die erwachende Opposition des linken Flügels, der nun der wahre Träger der Ehre des deutschen Proletariats ist.

Zusammen mit Mehring in diesem Kampf stand Rosa Luxemburg, die jetzt nach einer einjährigen Inhaftierung freigelassen wurde – für den neuen Kampf. Beide – Mehring und Luxemburg – sind von uns durch die Schützengräben des Militarismus getrennt, die von den herrschenden Klassen errichtet wurden. Aber in dem einzigen Kampf, den wir führen – gegen den Klassenstaat, der mit neuem Blut und neuen Flüchen bedeckt wird, gegen seine Herren, Verteidiger und begeisterten Sklaven – stehen Mehring und Luxemburg auf der gleichen Seite des Schützengraben, der durch die gesamte kapitalistische Welt verläuft.

In der Person von Franz Mehring und Rosa Luxemburg grüßen wir den geistigen Kern der revolutionären deutschen Opposition, mit der wir durch eine unauflösliche Waffenbruderschaft verbunden sind.


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