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Politische Briefe Nr. 15 19160309

NR. 15 VOM 9. MÄRZ 1916

[nach: Spartakusbriefe, Berlin 1958, S. 118-126]

POLITISCHE BRIEFE

9. März 1916

W. G.!

Wir bitten Sie, zu Ihrer gefälligen Information von folgenden Mitteilungen Kenntnis zu nehmen.

Mit Parteigruß

Spartacus

DIE GEGENSÄTZE IN DER „OPPOSITION"

Innerhalb der Berliner „Opposition" bestanden seit Anbeginn starke prinzipielle und taktische Meinungsverschiedenheiten, die sich in den letzten Monaten immer deutlicher herausbildeten und in Anknüpfung an den 21. Dezember und die Beschickung der Schweizer Februarkonferenz1 zuspitzten. Im Februar dieses Jahres vollzog sich eine Auseinandersetzung, die damit endete, dass eine Anzahl Genossen die weitere Zusammenarbeit mit uns ablehnten, mit uns, d. h. mit den Teilnehmern an der Januar-Besprechung und denen, die hinter den „Leitsätzen" und ihrer Versendung nach Bern sowie den Spartakusbriefen stehen.

Folgende Punkte spielten bei der Auseinandersetzung die Hauptrolle: Die erwähnten Genossen, mit denen wir uns im Sommer 1915 zur Erledigung gewisser Angelegenheiten zusammengefunden hatten, beanspruchten, dass sie als die ausschließliche Vertretung der Großberliner „Opposition" anerkannt würden, dass sie und sie ausschließlich durch Majoritätsbeschluss über alle Aktionen zu bestimmen hätten, dass keine selbständige Betätigung der verschiedenen unter ihnen vertretenen Anschauungen zulässig sei, auch dort nicht, wo es sich um wichtige und grundlegende Meinungsverschiedenheiten handelt; sie erachteten sogar die Zusammenkünfte unserer engeren Gesinnungsfreunde und ihre Verständigung über die großen politischen Probleme für unzulässig.

Sie stellten als Ziel der „Opposition" auf, die Mehrheit auf dem Parteitag zu erlangen; erst dann sei an die Klärung und Entscheidung jener Probleme zu gehen, bis dahin müssten alle Differenzen in der „Opposition" zurücktreten.

Sie wandten sich dagegen, dass zur Frage der Landesverteidigung, d. h. zum Angelpunkt des Internationalismus und der ganzen Politik während des Krieges, eindeutig Stellung genommen werde, schon weil sie meinten, die große Masse stehe nur wegen der jetzt vollzogenen Sicherung der Landesgrenzen zur „Opposition".

Sie erklärten die „Leitsätze" für unannehmbar, weil diese eine „neue", anders geartete, d. h. eine wirklich internationale Internationale fordern.

Wir erklärten uns zur weiteren Zusammenarbeit im Bereich unserer gemeinsamen Anschauungen bereit, lehnten aber die beanspruchte Hemmung unserer freien Initiative ab und vertraten die in den Spartakusbriefen vom 27. Januar und 3. Februar niedergelegte Auffassung. Wir verwarfen den Plan, auf Grund einer nebelhaft-unklaren Parole zunächst eine nebelhaft-unklare „Mehrheit" und dann erst Klarheit und Übereinstimmung anzustreben, als widersinnig und verderblich, stellten diesem Plan entgegen die Losung „erst Klarheit", dann „Mehrheit" und bezeichneten eine scharf kritische Haltung gerade auch zu den Schwächen der „Opposition" als eine unserer taktischen Hauptaufgaben.

Inzwischen sind u. a. die Vertrauensleute der „Opposition" im Kreise Teltow-Beeskow einmütig auf unsere Seite getreten, ebenso die Parteiorganisation von Spandau. Die Scheidung der Geister vollzieht sich über ganz Groß-Berlin in für uns erfreulicher Weise.

Ein ähnlicher Prozess wie in Groß-Berlin vollzieht sich in anderen Teilen Deutschlands im Schoße der „Opposition".

Vor einigen Tagen haben die Genossen Adolf Hoffmann und Ledebour ein Flugblatt gegen die Spartakusbriefe geschrieben. Darin ist von „unserer Sache", von der „oppositionellen Bewegung" und von Bestrebungen nach einer „grundsätzlichen sozialdemokratischen Taktik" die Rede, ohne dass doch klar wäre, was das für eine „Sache", „Bewegung" oder „Taktik" sein soll. Gerade darum aber handelt es sich. Die in dem Flugblatt gegen die „Leitsätze" gerichteten Angriffe zeigen die Tiefe der sachlichen Differenz. Die Genossen Hoffmann und Ledebour können sich noch nicht entschließen, den Zusammenbruch der Zweiten Internationale als endgültig vollzogene Tatsache anzuerkennen; sie verstehen noch immer nicht, dass die künftige Internationale gerade im Kampf gegen Imperialismus und Krieg und gerade im Krieg ihre Existenz zu erweisen, ihre Hauptkraft zu entfalten haben wird, sie haben noch nicht eingesehen, dass die künftige Internationale eine Internationale der Wirklichkeit, nicht des Scheins sein wird oder nicht sein wird.

Sie verfallen dem absonderlichen Missverständnis, als erstrebten die „Leitsätze" eine mechanisch-zentralistisch zusammenkommandierte Internationale. In Wirklichkeit fordern die „Leitsätze" vielmehr die Entwicklung der proletarischen Massen zur „lebendigen revolutionären Macht" und denken so wenig an eine formalistisch-gewaltsame Disziplin als Grundlage der internationalen Aktion, dass sie in ihrem wichtigsten Passus lauten:

Das Hauptaugenmerk der Taktik der nationalen Sektionen ist somit darauf zu richten, die breiten Massen zur politischen Aktionsfähigkeit und zur entschlossenen Initiative zu erziehen, den internationalen Zusammenhang der Massenaktion zu sichern, die politischen und gewerkschaftlichen Organisationen so auszubauen, dass durch ihre Vermittlung jederzeit das rasche und tatkräftige Zusammenwirken aller Sektionen gewährleistet… wird."

Wenn die Genossen Ledebour und Hoffmann meinen, die überwiegende Mehrheit der Berner Konferenz vom Februar 1916 habe die „Zumutung" der „Leitsätze" zurückgewiesen, so befinden sie sich auch da im Irrtum. In Wahrheit wurden die „Leitsätze" von der überwiegenden Mehrheit der Konferenz als geeignete Grundlage für weitere Verhandlungen erachtet, und die Internationale Sozialistische Kommission zu Bern hat in ihr gerade jetzt versandtes Rundschreiben eben die von Hoffmann und Ledebour am hitzigsten angefeindeten Gedanken der „Leitsätze" bereits aufgenommen. Es enthält die „Leitsätze" 10 und 12 b fast wörtlich, erklärt die Pflicht der Disziplin in der internationalen Aktion als diejenige, die allen anderen Organisationspflichten vorangeht und betont, dass die nationalen Sektionen, die diese Pflicht vergessen, ihre Mitglieder von allen Verpflichtungen sich gegenüber entbinden.

Damit können wir die Genossen Hoffmann und Ledebour und ihre engeren Gesinnungsfreunde getrost verlassen. Wir hegen die Zuversicht, dass die Masse des deutschen Proletariats der Fahne folgen wird, auf der geschrieben steht: Rücksichtslose Klärung, rücksichtsloser Klassenkampf, rücksichtsloser und konsequenter Internationalismus!

RUNDSCHREIBEN AN ALLE ANGESCHLOSSENEN PARTEIEN UND GRUPPEN

(AUSZUG)2

Werte Genossen!

Im September 1915 haben Vertreter sozialistischer Organisationen und Gruppen in Zimmerwald einen ersten praktischen Schritt zur Wiederherstellung der internationalen proletarischen Beziehungen auf der Grundlage der Klassensolidarität vollzogen, die weder staatliche noch nationale Grenzen kennt, welche die Arbeiter in dem Kampfe für den Sozialismus einigt zur Zeit des Friedens wie zur Zeit des Krieges. -

Die Ereignisse haben gezeigt, dass für keine der unterdrückten Nationen aus der Hand der imperialistischen Staaten und aus dem imperialistischen Kriege Freiheit und Unabhängigkeit hervorsprießen können. Wie das Beispiel der Balkanländer und insbesondere das tragische Schicksal Serbiens und Armeniens beweist, sind die kleinen Staaten und unterdrückten Nationen nur Schachfiguren in dem imperialistischen Spiel der Großmächte und werden, ebenso wie die arbeitenden Volksmassen aller beteiligten Länder, während des Krieges als Werkzeuge missbraucht, um nach dem Kriege auf dem Altar kapitalistischer Bestrebungen geopfert zu werden.

Unter diesen Umständen bedeutet der gegenwärtige Weltkrieg bei jeder Niederlage und bei jedem Siege stets eine Niederlage des Sozialismus und der Demokratie. Ausgenommen bei einer revolutionären Intervention des internationalen Proletariats führt er bei jedem Ausgang zur Neubelebung des Militarismus, des imperialistischen Heißhungers, zu einer Verschärfung der internationalen Gegensätze, zur Häufung und Verwicklung der nationalen Probleme, die angeblich durch diesen Krieg gelöst werden sollten. Der Krieg bewirkte eine nie gesehene, stets steigende Reaktion im Innern der Staaten, eine Schwächung der öffentlichen Kontrolle und damit eine Erniedrigung der Parlamente zu gehorsamen Werkzeugen des Militarismus in allen Ländern.

Die Arbeitermassen selbst, die instinktiv das ihnen durch den Krieg beschiedene Los begreifen, erheben sich spontan gegen seine Urheber und seine Konsequenzen. In Deutschland haben Tausende von Männern und Frauen, in der Hauptstadt wie in der Provinz, wiederholt gegen die Teuerung demonstriert und den Ruf nach Frieden erhoben. In England protestieren die Arbeitermassen mit wachsender Energie gegen die obligatorische Wehrpflicht. In Petersburg haben sich mehr als 100.000 Arbeiter gegen die Beteiligung an den kriegstechnischen Kommissionen ausgesprochen und sich dadurch geweigert, irgendwelche Verantwortlichkeit für den Krieg zu übernehmen. Gleichzeitig sind in Petersburg, in Moskau, in Nishni-Nowgorod, in Charkow usw. politische Streiks ausgebrochen, von Hunderttausenden von Proletariern durchgeführt, die den Willen der russischen Arbeiterklasse gegen den Burgfrieden und für die Fortsetzung des Kampfes gegen den Zarismus manifestierten. Sogar in den Schützengräben äußert sich der Wille zum Protest gegen den Krieg, wo die Fälle urwüchsig hervorbrechender Verbrüderung unter den Soldaten der kriegführenden Armeen nicht selten sind. In allen kriegführenden Ländern glauben die Völker nicht mehr an die Legende des Befreiungskrieges und werden sich bewusst, dass die sogenannte nationale Verteidigung in diesem Kriege nichts anderes ist als ein grobes Täuschungsmittel, um die Völker dem Imperialismus tributpflichtig zu machen.

Die Instanzen jener offiziellen sozialistischen Parteien, die ihren Teil der Verantwortung für diesen Krieg übernahmen, gezwungen mit der wachsenden Protestbewegung zu rechnen, haben einige Gesten gemacht, um die Ungeduld der organisierten Massen zu stillen. Aber diese Gesten mussten nicht nur wirkungslos bleiben. Ausgeführt auf der Grundlage einer Politik der Klassenversöhnung und des Burgfriedens, konnten sie nur die freiwillige Unterordnung des Proletariats unter die Gebote der herrschenden Klassen festigen und zur Verlängerung des Krieges beitragen.

Um die Opposition der Arbeiter gegen die Durchhaltepolitik zu lähmen, hat die Mehrheit der sozialistischen Führer in Deutschland eine Friedensinterpellation3 gestellt, die zugleich als Vorwand dienen musste, um der Reichsregierung das Vertrauen in ihre Kriegspolitik und ihre pazifistischen Kriegsziele auszusprechen, und zwar in einem Zeitpunkt, da die Regierung offen ihre annexionistischen Bestrebungen in Belgien und Polen kundgab. Für die Arbeiterklasse aber hat diese nationalistisch gesinnte Mehrheit nichts als Ratschläge zur Mäßigung, zur Sparsamkeit, und vertritt die Erziehung zur Entbehrung und Bedürfnislosigkeit während des Krieges, unter Verzicht auf die ökonomischen und politischen Klassenforderungen des Proletariats.

In Frankreich hat die offizielle sozialistische Partei auf das Friedensbedürfnis der Massen mit leeren Redensarten über einen „dauerhaften" Frieden geantwortet, dessen Verwirklichung um den Preis der Fortführung der Durchhaltepolitik den kapitalistischen Diplomaten und Imperialisten der Entente überlassen wird. Der Parteitag proklamierte die „Union sacrée", die Notwendigkeit der Kriegskreditbewilligung, befürwortete die Auslieferung der sozialistischen Führer als Geiseln im Bourgeoisministerium und eröffnete den Kampf gegen die sozialistische Minderheit, die mutvoll und tapfer den Krieg gegen den Krieg führt.

Auf dem gleichen Boden des Sozialpatriotismus verbleibt die Mehrheit der österreichischen und englischen Sozialisten, während eine kleine Minderheit von Sozialdemokraten und Sozialistenrevolutionären4 Russlands einen nationalistischen Pakt mit dem Zarismus geschlossen hat.

Was hat in dieser Zeit das Internationale Sozialistische Büro getan? Schon in Zimmerwald wurde sein vollständiges Versagen gegenüber den ihm durch die Kongressbeschlüsse von Stuttgart, Kopenhagen und Basel auferlegten Pflichten festgestellt. Seine lange Untätigkeit wie seine jüngste Erklärung bei Anlass des Kongresses der holländischen Arbeiterpartei beweisen, dass es keine Änderung seiner Haltung vornehmen will. Im Namen des Exekutivkomitees versucht dessen Sekretär den Glauben zu erwecken, dass man die Pflicht zur sogenannten nationalen Verteidigung, das heißt die Unterstützung bürgerlich-kapitalistischer Regierungen, predigen und gleichzeitig eine Internationale „lebendiger denn je" schaffen könne. Das ist nicht wahr und bedeutet nichts anderes als eine Irreführung der Massen.

Indem das Proletariat gemeinsam mit der imperialistischen Bourgeoisie seines Landes den Imperialismus des anderen Landes durch den Krieg bekämpft, stärkt es seinen erbittertsten Feind, die eigene herrschende Klasse, arbeitet es an seinem Untergang wie an der Vernichtung des Proletariats der anderen kriegführenden Staaten. Die Internationale kann nicht bestehen, indem ihre Sektionen die Mordwerkzeuge bewilligen, mit denen das Proletariat der anderen Länder massakriert wird; sie kann nicht bestehen, indem ihre Teile die Kampfbereitschaft der Massen preisgeben und sie in der Gegenwart auch für die Zukunft zerstören; sie kann nicht bestehen, indem sie fromme Wünsche für den kommenden Frieden an die Regierungen richtet, hinter diese Forderungen aber nicht den zweckbewussten Willen und die Tat im Geiste des Klassenkampfes und der Internationale setzt.

Jeder Versuch, die Internationale durch eine gegenseitige Amnestie der kompromittierten opportunistischen Führer wieder aufzurichten, unter gleichzeitiger Anerkennung und Fortführung der Politik des Burgfriedens, ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein Pakt gegen den Sozialismus und ein Schlag gegen das Wiedererwachen der revolutionären Arbeiterbewegung.

Die Klassenaktion des Proletariats aller Länder muss im Kriege wie im Frieden auf die gemeinsame Bekämpfung des Imperialismus gerichtet werden. Die parlamentarische und die gewerkschaftliche Aktion wie die gesamte Tätigkeit der Arbeiterbewegung muss dem Zwecke untergeordnet werden, das Proletariat in jedem Lande aufs schärfste der nationalen Bourgeoisie entgegenzustellen, den politischen und geistigen Gegensatz zwischen beiden auf Schritt und Tritt hervorzukehren sowie gleichzeitig die internationale Zusammengehörigkeit der Proletarier aller Länder in den Vordergrund zu schieben und zu betätigen.

Die Hauptaufgabe des Sozialismus muss heute darauf gerichtet sein, das Proletariat aller Länder zu einer lebendigen revolutionären Macht mit einheitlicher Auffassung seiner Interessen und Aufgaben, mit einheitlicher Taktik und Handlungsfähigkeit im Frieden wie im Kriege zusammenzufassen und es zu dem entscheidenden Faktor des politischen Lebens zu machen, zu dem es durch die Geschichte berufen ist.

Die Pflicht der Disziplin gegenüber diesen Lebensgeboten des internationalen Proletariats geht allen anderen Organisationspflichten voran. Wer diesen Geboten zuwiderhandelt, stellt sich in Gegensatz zum sozialistischen Proletariat, und die nationalen Sektionen der Internationale, die so pflichtvergessen handeln, entbinden ihre Mitglieder von allen Verpflichtungen sich gegenüber.

In den Kämpfen gegen den Krieg kann die entscheidende Wirkung nur von den Arbeitermassen aller Länder selbst hervorgebracht werden. Jetzt, da die Folgen der Katastrophe mit ihrer vollen Wucht über die Arbeiterklassen aller Länder, der kriegführenden wie der neutralen, kommen und immer größere Verheerungen anrichten, muss sich der Widerstand des Proletariats organisieren, von der geistigen Sammlung ausgehend, ohne Rücksicht auf die strategische Lage die Ablehnung der Kriegskredite und jede freiwillige Anteilnahme der Arbeiter an den der Landesverteidigung dienenden Organisationen, den Austritt aus den bürgerlichen Ministerien, den bewussten Bruch des Burgfriedens von ihren Abgeordneten fordernd, bis zum offenen ökonomischen und politischen Kampfe der Massen gegen die herrschenden Klassen und ihre Regierungen.

Indem die zielbewussten Arbeiter aller Länder in privaten Besprechungen wie in den Versammlungen ihrer gewerkschaftlichen und politischen Organisationen über den wahren Charakter des Krieges und der Durchhaltepolitik Aufklärung schaffen, indem sie durch Verbreitung geeigneter Literatur, durch mündliche Agitation und Propaganda auf die indifferenten oder nationalistisch gesinnten Arbeitermassen wie auf die öffentliche Meinung einzuwirken suchen, indem sie, in fortwährendem Kontakt mit dem kriegsfeindlichen Proletariat der anderen Staaten und unterrichtet über die Vorgänge im Auslande, die so gewonnene geistige und materielle Kraft zu Streiks und Demonstrationen, Volksbewegungen gegen die Teuerung, für Lohnerhöhungen, für den Bruch des Burgfriedens und für die sofortige Einleitung von Friedensverhandlungen verdichten, werden sie im Sinne der von der Internationale in Stuttgart aufgestellten, in Kopenhagen und Basel einstimmig bestätigten Losung wirken, „dass für den Fall, da ein Krieg ausbrechen sollte, es die Pflicht des Proletariats ist, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunützen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen".

Demgemäß fordern wir die der ISK angeschlossenen Parteien, Organisationen und Gruppen zu unablässiger Arbeit auf. Ihre Tätigkeit wird um so erfolgreicher sein, je mehr sie sich in Gemeinschaft und fortwährender Fühlung mit den klassenbewussten Arbeitern der übrigen Länder vollzieht. Das kann geschehen durch eine regelmäßige Berichterstattung über die Vorgänge in jedem einzelnen Lande an unsere Kommission, die ihrerseits die angeschlossenen politischen und gewerkschaftlichen Organisationen über die Lage der im Rahmen der Zimmerwalder Beschlüsse entstandenen internationalen Bewegung gegen den Krieg fortlaufend unterrichtet und so den internationalen Zusammenhang der proletarischen Aktion zu festigen versucht.

Im Einverständnis mit den Vertretern der affiliierten Organisationen wird die ISK zu Bern ferner eine zweite internationale sozialistische Konferenz vorbereiten, die das in Zimmerwald eingeleitete Werk fortführen und festigen soll. Wir ersuchen schon jetzt darum, dass die Tagesordnung dieser zweiten Konferenz in allen Organisationen und Versammlungen besprochen werde, um ihr einen Erfolg zu sichern, der es gestattet, die im September 1915 begonnene Bewegung in die breitesten Massen des Proletariats hineinzutragen.

Bern, im Februar 1916

Mit sozialistischem Gruß und Handschlag

Im Namen der Zimmerwalder Konferenz:

Die ISK zu Bern

TAGESORDNUNG DER 2. INTERNATIONALEN SOZIALISTISCHEN KONFERENZ

1. Wahl des Büros und der Mandatsprüfungskommission;

2. Festlegung der Geschäftsordnung;

3. Tätigkeitsbericht der Internationalen Sozialistischen Kommission zu Bern;

4. Berichte der Delegierten;

5. Der Kampf für die Beendigung des Krieges;

6. Die Stellung des Proletariats zu den Friedensfragen;

7. Agitation und Propaganda:

a) Parlamentarische Aktion;

b) Massenaktion;

8. Die Frage der Einberufung des Internationalen Sozialistischen Büros in Den Haag;

9. Verschiedenes.

1 Gemeint ist eine erweiterte Beratung der Internationalen Sozialistischen Kommission, die vom 5. bis 8. Februar 1916 in Bern stattfand und der Vorbereitung der II. Zimmerwalder Konferenz diente, die dann vom 24. bis 30. April 1916 in Kienthal tagte.

2 Voller Wortlaut in: Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, hrsg. von Carl Grünberg, Zwölfter Jg., Leipzig 1926, S. 327-332.

3 Gemeint ist die sogenannte Friedensinterpellation der Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktion, die Scheidemann nach einer Vereinbarung mit dem Reichskanzler am 9. Dezember 1915 im Reichstag vortrug und begründete.

4 Gemeint sind die Sozialrevolutionäre.

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