N. K. Krupskaja: Lenin und die Partei [Zuerst veröffentlicht 1924 in der Zeitschrift „Rabotniza“ Nr. 11, S. 2/3. Nach N. K. Krupskaja: Das ist Lenin. Eine Sammlung ausgewählter Reden und Artikel. Berlin 1966, S. 139-142] Lenins Name ist untrennbar verbunden mit dem Namen der Kommunistischen Partei Russlands (Bolschewiki), der KPR(B). Die Arbeiter und Arbeiterinnen wissen das und nennen die KPR die Partei Lenins. Schon als junger Mann begriff Lenin, dass die revolutionärste Klasse die Arbeiterklasse ist, dass diese Klasse den entschlossensten Kampf gegen die alte Ordnung führen wird, dass diese Klasse früher oder später siegen und das rote Banner der Arbeit über der Erde aufpflanzen wird. Und als Lenin das erkannt hatte, widmete er sich mit voller Hingabe dem Dienst an der Arbeiterklasse. Als er zu arbeiten begann – Anfang der neunziger Jahre – war die Arbeiterklasse Russlands noch völlig unorganisiert. Es gab weder Gewerkschaften noch eine politische Arbeiterpartei. Eine Partei musste erst gegründet werden. Obgleich der erste Parteitag (die Partei nannte sich anfänglich Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands) bereits 1898 stattfand, wurden doch danach fast alle Delegierten auf einen Schlag verhaftet, so dass die Arbeit nur ungeordnet weiterging; bis zum II. Parteitag im Jahre 1903 wurde sie von einzelnen Zirkeln geleistet. Ein ganzes Jahrzehnt also arbeitete Lenin an der schweren Aufgabe, die Partei zusammenzuschließen, die Vereinigung der einzelnen Zirkel von Revolutionären zu erreichen. Das war besonders schwierig, weil sich die Zirkel vor der Polizei versteckt halten mussten, weil ständig Zirkel verhaftet wurden und auseinanderfielen. Alles musste heimlich geschehen, unter Beachtung größter Vorsichtsmaßregeln. Die Sache schien hoffnungslos zu sein, aber Lenin durchdachte den Plan der Vereinigung gut – er reiste ins Ausland, wo man ihn nicht verhaften konnte, und begann dort die „Iskra“ herauszugeben, die nach Russland gebracht wurde. Um diesen Kern, um die „Iskra“, schloss sich dann die Partei zusammen. Die Partei brauchte ein Programm, damit jeder wusste, wofür die Partei kämpft. Ein Programm ist von gewaltiger Bedeutung: Es ist das Banner, unter dem gekämpft wird. Jedes Parteimitglied muss nicht nur das Programm kennen, sondern es auch durchdenken und in die Tat umsetzen. Bis 1903 hatten die Sozialdemokraten kein Programm. Gemeinsam mit der Redaktion der „Iskra“ bereitete Lenin das Parteiprogramm vor, das dann erst 1919, auf dem VIII. Parteitag, als die Werktätigen bereits die Macht in ihre Hände genommen hatten und sich vor neue Aufgaben gestellt sahen, geändert wurde. In dem neuen Programm blieb die Grundlage die alte, aber die praktischen Aufgaben änderten sich entsprechend den neuen Arbeitsbedingungen. Der Beschluss, das Programm zu ändern, wurde schon auf dem VII. Parteitag im Jahre 1918 gefasst, und bei dergleichen Gelegenheit, auf dem VII. Parteitag, wurde auch der Name geändert, so dass sich die Partei nicht mehr wie bisher SDAPR(B), sondern KPR(B) nannte. Der Löwenanteil an der Ausarbeitung des neuen Programms fiel Wladimir Iljitsch zu. Die Partei ist stark nicht nur durch ihr Programm, sondern auch durch ihre Organisiertheit. Sehr wichtig ist, wie sich ihre Mitgliedschaft zusammensetzt, wie weit das Bewusstsein ihrer Mitglieder entwickelt ist, wie weit sie der Sache ergeben, diszipliniert, organisiert sind, wie weit sie begreifen, dass es nichts Höheres gibt als den Namen eines Mitglieds der Kommunistischen Partei, Lenin betrachtete die Partei als die Avantgarde der Arbeiterklasse, als ihren fortgeschrittensten Trupp, der alle Arbeiter, alle Werktätigen mitreißt. Der fortgeschrittene Trupp von Kämpfern – in seiner Gesamtheit und jedes seiner Mitglieder im Einzelnen – muss klar begreifen, was rings um ihn her geschieht, er muss allen ein Beispiel geben durch seine Diszipliniertheit, Festigkeit und Energie, Es gibt nichts Höheres als den Namen eines Mitglieds der Kommunistischen Partei. Deshalb maß Lenin dem Statut eine solche Bedeutung bei und setzte sich bereits auf dem II, Parteitag im Jahre 1903 so leidenschaftlich dafür ein, dass jedes Mitglied der Partei nicht nur das Programm anerkennen, sondern unbedingt auch in einer der Organisationen der Partei arbeiten, das heißt der Sache des Proletariats aktiv dienen müsse. Das war der Grund, weshalb Lenin 1921 die damals vor sich gehende Säuberung der Partei von Elementen begrüßte, die sich eingeschlichen hatten, den Namen eines Parteimitglieds entwürdigten, die Verbindung mit den Massen verloren hatten, von Elementen, die zwar den Namen eines Mitglieds der Partei tragen wollten, ohne jedoch die Pflichten eines Parteimitglieds wahrzunehmen, ohne der Sache der Arbeiterklasse rückhaltlos zu dienen. In der Parteiarbeit sorgte Lenin in erster Linie dafür, dass die Partei klar erkannte, wohin sie geht. Man kann kaum ermessen, wie viel Zeit, wie viele schlaflose Nächte Lenin auf wandte, um zu durchdenken, welchen Weg die Partei einschlagen muss. Das Leben blieb nicht stehen, es entwickelte sich weiter, und es gab sehr schwierige Minuten, sehr komplizierte Situationen, in denen sich häufig viele Parteimitglieder nicht im Klaren waren, wohin man im gegebenen Augenblick gehen musste. Lenin schrieb Briefe und Artikel, er setzte auseinander, erläuterte, sprach in Versammlungen und auf den Parteitagen. Er suchte klarzustellen, welcher Weg der richtige ist. Gegen Parteimitglieder, die die Partei vom wahren Wege abbringen wollten, die die großen, vor der Partei des Proletariats stehenden Ziele vergaßen, die kleingläubig oder mutlos wurden, die die Partei in den Sumpf oder an den Rand eines Abgrunds zerrten, führte Lenin stets einen heftigen, unversöhnlichen Kampf. Die Arbeiter jedoch rief Lenin auf, der Partei zu folgen, er appellierte an die Arbeiter und Bauern, sich enger zusammenzuschließen zum Kampf für eine bessere Zukunft. Und die Partei beschritt den richtigen Weg, sie wurde stark, einmütig, diszipliniert, sie führte die Arbeiter und Bauern zum Sieg, zur Eroberung der Macht, sie wurde mit ihren Feinden fertig. Als die Macht in die Hände der Arbeiter und Bauern übergegangen war, rief Lenin die Massen auf, ein neues Leben zu errichten, er lehrte die Arbeiter und Bauern, auf neue Art an die Arbeit, an die Organisation heranzugehen, neue gesellschaftliche Beziehungen zu entwickeln, ein neues Leben aufzubauen. Lenin ist nicht mehr, aber die Partei hat sich noch fester zusammengeschlossen. Jedes Parteimitglied hat sich geschworen, das Werk Lenins fortzusetzen und den Namen eines Parteimitglieds in Ehren zu tragen. Die Arbeiterklasse aber, die Arbeitermassen, denen Lenin ein so unbegrenztes Vertrauen entgegenbrachte, haben in Hunderten von Versammlungen gesagt: „Wir vertrauen der Partei Lenins, der KPR(B), sie ist die Partei, der wir mit Leib und Leben verbunden sind .. Und sie übersandten der Partei das Leninaufgebot. |
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