Karl Liebknecht: Zur Änderung des Organisationsstatuts Begründung des Antrages 1521 [Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Leipzig vom 12. bis 18. September 1909, Berlin 1909, S. 389-390. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 2, S. 339-341] Im Organisationsstatut ist vorgesehen, dass die vom Parteivorstand zum Parteitag hinzugezogenen Vertreter von Parteiinstitutionen nur beratende Stimme haben, während die Mitglieder der Reichstagsfraktion voll stimmberechtigt sind. Genosse Ebert meinte bei der Begründung der Vorlage, diese Stimmberechtigung der Fraktionsmitglieder rechtfertige sich daraus, dass eine uneingeschränkte Stellungnahme zur Haltung der Fraktion nur dann möglich sei, wenn die Fraktion in eine engere organisatorische Verbindung zur Partei gebracht sei, speziell durch die Art ihrer Vertretung auf dem Parteitage. Das ist durchaus richtig, aber was für die Fraktion gilt, gilt mit genau demselben Recht auch für die Vertreter der Zentralorgane unserer Partei. Ich bin der Meinung, dass die Presse ein ebenso wichtiger Faktor in unserer Partei ist wie die Reichstagsfraktion („Sehr richtig!"), und kann deshalb nicht einsehen, weshalb das, was den Mitgliedern der Fraktion recht ist, nicht auch den Vertretern der zentralen Presse billig sein soll. Nun hat allerdings Genosse Ebert heute die Erklärung abgegeben, dass es selbstverständlich sei, dass der Parteivorstand jederzeit Vertreter dieser zentralen Presseorgane hinzuziehen werde, und ich zweifele natürlich auch nicht im allermindesten daran, dass diese Zusicherung in durchaus loyaler Weise ausgeführt werden wird. Unser Antrag ist also weit entfernt davon, irgendein Misstrauensvotum gegenüber den Absichten des Parteivorstandes darzustellen. Aber ich sehe nicht ein, weshalb wir nicht, wenn wir hier ein neues Organisationsstatut erlassen, auch klipp und klar aussprechen und formulieren, was nach der Angabe des Genossen Ebert der Parteivorstand auch will. Ich sehe nicht ein, weshalb die Anwesenheit dieser Vertreter der Presseorgane erst von der Hinzuziehung durch den Parteivorstand abhängig gemacht werden soll und weshalb sie nicht auch beschließende Stimme haben sollen, genauso gut wie die Mitglieder der Fraktion. Die Presse steht regelmäßig auf den Parteitagen ebenso sehr im Zentrum der Diskussion wie die Tätigkeit der Fraktion. All das spricht für die voll berechtigte Hinzuziehung von Vertretern der erwähnten Presseorgane. („Sehr richtig!") Es ist ein bedauerlicher Zustand, wenn, wie im vergangenen Jahre, der Genosse Kautsky erst von einem von ihm nicht bewohnten Wahlkreis delegiert werden musste und sich daran allerhand Erörterungen in der Presse und in Versammlungen knüpften. Das scheint mir ein entwürdigender Zustand. Ebert betonte, dass noch eine ganze Anzahl anderer Parteiinstitutionen, der Bildungsausschuss usw., für die Hinzuziehung durch den Parteivorstand in Frage kämen, die durch die erwähnte allgemeine Klausel getroffen würden. gewiss, die Zahl dieser Institutionen, die unter Umständen hinzuzuziehen sind, lässt sich heute nicht abgrenzen. Deshalb meine ich auch, dass der Satz, der sich gegenwärtig auch auf die Vertreter der zentralen Presseorgane bezieht, stehen bleiben soll. Ich finde aber keine Ursache, diese Vertreter nicht bereits gegenwärtig aus dieser allgemeinen Klausel herauszuheben. In Bezug auf diese Personen ist heute bereits klar zu übersehen, dass sie auf den Parteitagen stets notwendig sein werden und dass ohne ihre voll berechtigte Anwesenheit als Mitglieder des Parteitages der Parteitag nicht in der Lage ist, seine Aufgabe erschöpfend zu erfüllen. Es handelt sich hier, ganz wie bei der Fraktion, um Institutionen, die mit der gesamten Tätigkeit der Partei dermaßen eng verknüpft sind, dass keine Parteifrage, keine Parteiaktion denkbar ist, in der diese Organe nicht eine wesentliche Rolle spielen. Daher bitte ich Sie dringend, trotz der allgemeinen Abneigung, in diesem Stadium noch Abänderungsanträge anzunehmen, doch unserem Antrage zuzustimmen und die Degradation dieser ungemein wichtigen Presseorgane der Partei aus dem Organisationsstatut zu beseitigen. 1 „Potsdam-Osthavelland: Zu § 7 des Organisationsstatuts: a) Ziffer 4 erhält die Ziffer 5; b) folgende Ziffer 4 ist einzufügen: je ein Vertreter des ,Vorwärts', der ,Neuen Zeit' und der ,Gleichheit'; c) im Absatz 3 wird das Wort ,und' gestrichen und hinzugefügt (hinter geschäftlichen Leitung der Partei) ,und die Vertreter der vier genannten Organe in allen die Leitung dieser Organe usw.'" (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Leipzig vom 12. bis 18. September 1909, Berlin 1909, S. 206.) Da der Entwurf des Organisationsstatuts in der vom Parteivorstand vorgelegten Fassung en bloc angenommen wurde, erklärte Singer alle dazu vorliegenden Anträge – bis auf eine Ausnahme – für erledigt. |
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