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Karl Liebknecht u.a. 19081007 Für eine Vertreterkonferenz der proletarischen Jugendorganisationen Deutschlands

Karl Liebknecht u.a.: Für eine Vertreterkonferenz der proletarischen Jugendorganisationen Deutschlands

Einladung

[Abschrift. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin, Archiv, Nachlass: Karl Liebknecht. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 2, S. 257 f.]

Berlin, den 7. Oktober 1908

Werter Genosse!

Der Leipziger Vertretertag der Jugendorganisationen Deutschlands vom 30. August d. Js.1 hat u. a. beschlossen, baldigst nach dem Parteitage eine abermalige Zusammenkunft von Vertretern der Jugendorganisationen abzuhalten, und zwar in Berlin.

Der Beschluss des Nürnberger Parteitages2, nach dem sich die selbständigen Jugendorganisationen trotz ihres unpolitischen Charakters selbstverständlich werden richten müssen, schafft zwar einen allgemeinen Rahmen für die künftige Organisation und Aktion der Jugend, indessen lässt er bei seiner dehnbaren Fassung einer verschiedenartigen Auslegung gerade über die Gestaltung der selbständigen Jugendorganisationen Raum. In kurzer Zeit wird eine Sitzung des Parteivorstandes, der Generalkommission3 und wohl auch einiger Vertreter der Jugend abgehalten werden, in der aus dem Nürnberger Beschluss die entscheidenden praktischen Konsequenzen gezogen werden sollen.

Es ist unbedingt nötig, dass bereits vorher ein Einvernehmen zwischen den Jugendorganisationen über die Art herbeigeführt wird, in der die selbständigen J[ugend]o[rganisationen] den Nürnberger Beschluss auszuführen und ihre Organisation vom bisherigen Zustand in den künftigen überzuleiten bestrebt sein sollen. Es ist eine Richtschnur für die zu jener entscheidenden Sitzung hinzuzuziehenden Vertreter der Jugend zu schaffen, ebenso wie sich andere an ihr teilnehmende Gremien, z. B. der Parteivorstand und die Generalkommission, vorher vorläufig zu verständigen suchen. Schon um einen möglichst glatten Übergang, aber auch um einen für die J[ugend]o[rganisationen] möglichst günstigen Beschluss zu sichern, ist eine schleunige Konferenz von Vertretern der J[ugend]o[rganisationen] aufs dringendste erforderlich.

Der unterzeichnete Gen. Liebknecht hält sich bis kommenden Montag in Berlin auf. Dass er, auch als Mitglied des Internationalen Büros4, ein lebhaftes Interesse besitzt, an der Konferenz teilzunehmen, ist selbstverständlich.

Die Unterzeichneten laden Sie daher für Sonntag, den 11. Oktober, vorm. 10 Uhr, nach dem Büro des Gen. Liebknecht, Berlin N4, Chausseestr. 121 ein.

Tagesordnung:

Der Beschluss des Nürnberger Parteitages und die künftige Gestaltung der selbständigen Jugendorganisationen.

Als Referent ist in Aussicht genommen: Dr. Karl Liebknecht.

Die Reisekosten stehen hier bereits zur Verfügung und werden jedem Delegierten ersetzt.

Wenn außer Ihnen noch andere geeignete Jugendgenossen auf eigene Kosten an der Konferenz teilzunehmen wünschen, so steht dem selbstverständlich nichts im Wege.

Wir bemerken, dass die Konferenz vom 11. Oktober nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist.

Mit Parteigruß

gez.

Dr. K. Liebknecht K. Lüpnitz Max Peters

PS: Die Zeit Ihrer Ankunft wollen Sie gefl. mit Angabe des Bahnhofes dem Genossen Peters, Berlin C 2, Stralauer Straße 13/14, mitteilen.

1 Die Leipziger Konferenz der freien proletarischen Jugendorganisationen wurde am 30. August 1908 vor allem aus Protest gegen die von der opportunistischen Gewerkschaftsführung angestrebte Beseitigung der Selbständigkeit der Jugendorganisationen durchgeführt. Sie nahm eine Resolution an, in der die Notwendigkeit von selbständigen proletarischen Jugendorganisationen hervorgehoben wurde. Auf ihr waren vertreten das Zentralkomitee für Jugendagitation Mannheim, die Vereinigung der freien Jugendorganisationen Deutschlands, Sitz Berlin, die Jugendvereine Königsberg, Leipzig, Dresden, Stuttgart und das internationale Sekretariat der sozialdemokratischen Jugendorganisationen.

2 Der Nürnberger Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands befasste sich am 14. und 19. September 1908 mit der Frage der Jugendorganisationen und stimmte dem Antrag Haases zu, sämtliche Anträge über die Jugendorganisation einer Kommission zu überweisen. Vom Wahlkreis Potsdam-Spandau-Osthavelland war dem Parteitag eine unter Karl Liebknechts Einfluss entstandene Resolution zugegangen.

Der von Hermann Müller vorgetragene Vorstandsbericht sowie der Resolutionsentwurf des Parteivorstandes zur Jugendfrage lagen in der Linie des Beschlusses des Hamburger Gewerkschaftskongresses zur Jugendfrage, in dem sie die Selbständigkeit der Jugendorganisationen unter den Bedingungen des Reichsvereinsgesetzes verneinten. Der Beschluss des Parteitages entsprach inhaltlich dem Resolutionsentwurf des Parteivorstandes, er bot jedoch durch die dazu gefügte Deklaration Haases die Möglichkeit, ihn für die Selbständigkeit der proletarischen Jugendorganisationen auszunutzen. Die Deklaration lautete: „Diese Resolution ist so aufzufassen, dass der Betätigung von lokalen Jugendorganisationen unpolitischen Charakters, die unter Mitbestimmung Erwachsener ihre Verwaltung selbst führen, nichts im Wege steht." (Antrag 139.)

3 der Gewerkschaften Deutschlands. Die Red.

4 Gemeint ist das Internationale Büro der Sozialistischen Jugendinternationale, das auf der Ersten Internationalen Konferenz der Sozialistischen Jugendorganisation in Stuttgart 1907 gewählt wurde. Die Red.

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