Thesen über die Taktik der Kommunistischen Internationale. Zum Bericht des Genossen Sinowjew über die weitere Taktik der Komintern 1. Bestätigung der Resolutionen des 3. Kongresses. Der 4. Weltkongress konstatiert vor allem, dass die Resolutionen des 3. Weltkongresses: 1. über die Weltwirtschaftskrise und die Aufgaben der Komintern und 2. über die Taktik der Komintern — durch den Gang der Ereignisse und die Entwicklung der Arbeiterbewegung im Zeitraum zwischen dem 3. und 4. Kongress vollständig bestätigt worden sind. 2. Die Niedergangsperiode des Kapitalismus. Nach Abschätzung der ökonomischen Weltlage konnte der 3. Kongress mit vollkommener Bestimmtheit konstatieren, dass der Kapitalismus nach Erfüllung seiner Mission, die Entwicklung der Produktion zu fördern, in unversöhnlichen Widerspruch zu den Bedürfnissen nicht nur der gegenwärtigen historischen Entwicklung, sondern auch der elementarsten menschlichen Existenzbedingungen geraten ist. Im letzten imperialistischen Kriege spiegelte sich dieser fundamentale Widerspruch wider, der durch den Krieg noch verschärft wurde und der die Produktions- und Zirkulationsverhältnisse den schwersten Erschütterungen aussetzte. Der überlebte Kapitalismus ist in das Stadium getreten, in dem die Zerstörungsarbeit seiner zügellosen Kräfte die schöpferischen, wirtschaftlichen Errungenschaften, die das Proletariat noch in den Fesseln kapitalistischer Knechtschaft geschaffen hat, lähmt und vernichtet. Das Gesamtbild des Verfalles der kapitalistischen Wirtschaft erleidet keine Abschwächung durch jene unausbleiblichen Schwankungen der Konjunktur, die dem kapitalistischen System sowohl bei seinem Aufschwung wie bei seinem Abstieg eigentümlich sind. Die Versuche bürgerlicher und sozialdemokratischer Nationalökonomen, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1921 in den Vereinigten Staaten und in weit geringerem Maße in Japan und England, teilweise auch in Frankreich und anderen Ländern eingetretene Besserung der Konjunktur als Anzeichen einer Wiederherstellung des kapitalistischen Gleichgewichts zu deuten, beruht teils auf dem Willen zur Fälschung der Tatsachen, teils auf dem Mangel an Einsicht bei den Lakaien des Kapitals. Der 3. Kongress, der noch vor Beginn der gegenwärtigen industriellen Wiederbelebung tagte, sah voraus, dass diese Wiederbelebung unausbleiblich in mehr oder weniger naher Zukunft eintreten wird, und beurteilte sie schon damals in bestimmtester Form als eine oberflächliche Welle auf der Grundlinie der fortschreitenden Zersetzung der kapitalistischen Wirtschaft. Schon lässt sich bestimmt voraussehen dass, wenn die jetzige Belebung der Industrie nicht fähig ist, das kapitalistische Gleichgewicht wiederherzustellen oder auch nur die vom Kriege hinterlassenen klaffenden Wunden zu heilen, die nächste zyklische Krise, deren Wirkung mit der Hauptlinie des kapitalistischen Zerfalls zusammentreffen muss, alle Äußerungen des letzteren verstärken und dadurch die revolutionäre Lage außerordentlich verschärfen wird. Der Kapitalismus wird bis zu seiner Todesstunde zyklischen Schwankungen unterliegen. Nur die Ergreifung der Macht durch das Proletariat und die sozialistische Weltrevolution können die Menschheit vor der Katastrophe retten, die durch das Bestehen des heutigen Kapitalismus hervorgerufen wird. Was der Kapitalismus heute durchmacht, ist nichts anderes als sein Untergang. Der Zusammenbruch des Kapitalismus ist unabwendbar. 3. Die internationale politische Lage. Auch die internationale politische Lage spiegelt den fortschreitenden Zerfall des Kapitalismus wider. Die Reparationsfrage ist immer noch ungelöst. Während eine Konferenz der Ententestaaten nach der anderen stattfindet, geht der wirtschaftliche Zerfall Deutschlands immer weiter vor sich und bedroht die Existenz des Kapitalismus in ganz Mitteleuropa. Die katastrophale Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands wird entweder die Entente zwingen, auf die Reparationen zu verzichten, wodurch die wirtschaftliche und politische Krise Frankreichs beschleunigt wird, oder sie wird zur Schaffung eines deutsch-französischen Industrieblocks auf dem Kontinent führen, und diese Tatsache wird die wirtschaftliche Lage Englands und seine Stellung auf dem Weltmarkt verschlechtern, sie wird England und den Kontinent einander politisch gegenüberstellen. Im Nahen Osten erlitt die Politik der Entente völligen Bankrott. Der Friede von Sèvres wurde durch die türkischen Bajonette zerrissen. Der griechisch-türkische Krieg und die anschließenden Ereignisse haben handgreiflich gezeigt, wie labil das jetzige politische Gleichgewicht ist, Das Gespenst eines neuen. imperialistischen Weltkrieges wurde deutlich sichtbar. Nachdem das imperialistische Frankreich aus Gründen der Konkurrenz gegenüber England geholfen hat, das gemeinsame Werk der Entente im Nahen Osten über den Haufen zu rennen, wird es jetzt wieder durch seine kapitalistischen Interessen in die gemeinsame Front des Kapitalismus gegen die Völker des Orients zurückgetrieben. Dadurch demonstriert aber das kapitalistische Frankreich den Völkern des Nahen Ostens noch einmal, dass sie ihren Verteidigungskampf gegen die Unterdrückung nur auf der Seite Sowjetrusslands und mit der Unterstützung des revolutionären Proletariats der ganzen Welt führen können. Im Fernen Osten versuchten die siegreichen Ententestaaten, den Frieden von Versailles in Washington zu revidieren. Sie waren jedoch nur imstande, sich eine Atempause zu verschaffen, indem sie eine Art der Rüstungen, nämlich die Zahl der großen Schlachtschiffe, für die nächsten Jahre verminderten. Zu irgendeiner Lösung der Frage sind sie nicht gekommen. Der Kampf zwischen Amerika und Japan geht weiter und schürt weiter den Bürgerkrieg in China. Das Gestade des Stillen Ozeans bleibt nach wie vor ein Brandherd großer Konflikte. Das Beispiel der nationalen Befreiungsbewegungen in Indien, Ägypten, Irland und der Türkei zeigt, dass die kolonialen und halb-kolonialen Länder Brandherde einer wachsenden revolutionären Bewegung gegen die imperialistischen Mächte bilden und unerschöpfliche Reservoire revolutionärer Kräfte darstellen, die sich bei der gegebenen Lage objektiv gegen die ganze Existenz der bürgerlichen Weltordnung auswirken. Der Versailler Frieden wird durch die Tatsachen liquidiert. Er macht aber nicht Platz einer allgemeinen Verständigung der kapitalistischen Staaten, einem Abbau des Imperialismus, sondern schafft neue Gegensätze, neue imperialistische Gruppierungen und neue Rüstungen. Der Wiederaufbau Europas ist bei der gegebenen Lage unmöglich. Das kapitalistische Amerika will für den Wiederaufbau der europäischen kapitalistischen Wirtschaft keine Opfer bringen. Das kapitalistische Amerika steht da als Aasgeier des kapitalistischen Zerfalls in Europa und es wird sein Erbe sein. Amerika wird das kapitalistische Europa versklaven, falls die europäische Arbeiterklasse nicht die politische Macht ergreift und nicht an die Aufräumung der Trümmer des Weltkrieges geht und mit dem Aufbau einer föderativen Räterepublik Europas beginnt. Die letzten Ereignisse in einem an sich kleinen Lande wie in dem gegenwärtigen Österreich sind als Symptom der politischen Lage in Europa von großer Bedeutung. Auf das von der österreichischen Bourgeoisie freudig begrüßte Diktat des Entente-Imperialismus ist die ganze ominöse Demokratie, die den Stolz der Führer der 2½ Internationale bildete, deren Schutz ihnen zum Vorwand für jede Preisgabe der Arbeiterinteressen diente und deren Obhut sie auch den rechtesten Monarchisten, den Christlich-Sozialen und Großdeutschen anvertrauten, denen sie nur zur Wiederherstellung ihrer Macht diente, durch einen Federstrich in Genf vernichtet und durch die unverhüllte Diktatur eines einfachen Bevollmächtigten der Entente ersetzt worden. Sogar das bürgerliche Parlament ist tatsächlich ausgeschaltet worden, sein Platz hat ein von den Entente-Bankiers eingesetzter Kommis eingenommen. Die Sozialdemokraten haben nach kurzem demagogischem Schein-Widerstand kapituliert und freiwillig mitgeholfen, den Schandantrag zu verwirklichen. Sie haben sich sogar bereit erklärt, in nur schlecht verhüllter Form in die Koalition wieder einzutreten, um einen Widerstand des Proletariats nach Möglichkeit zu verhindern Diese Ereignisse im kleinen Österreich, wie auch der letzte faschistische Umsturz in Italien beleuchten blitzartig die Unsicherheit der ganzen Lage und beweisen am besten, dass die Demokratie nur ein Scheingebilde ist und in Wirklichkeit eine verschleierte Diktatur der Bourgeoisie bedeutet, an deren Stelle die Bourgeoisie, wo es ihr zweckdienlich zu sein scheint, die brutale Form der weißgardistischen terroristischen Reaktion setzt. Zu gleicher Zeit hat sich die internationale politische Lage Sowjetrusslands, des einzigen Landes, wo das Proletariat die Bourgeoisie besiegt hat und fünf Jahre lang unter den Anstürmen der Feinde die Macht behauptet, in ungeheurem Maße gestärkt. In Genua und in Den Haag versuchten die Ententekapitalisten die russische Sowjetrepublik zu zwingen, auf die Nationalisierung der Industrie zu verzichten, und ihr eine Schuldenlast aufzubürden, die Sowjetrussland in der Tat zu einer Kolonie der Entente machen würde. Der proletarische Staat Sowjetrussland war jedoch stark genug, dieser Anmaßung Widerstand zu leisten. In dem Chaos des verfallenden kapitalistischen Staatensystems steht Sowjetrussland von der Beresina bis Wladiwostok, von Murmansk bis zu den .Bergen Armeniens da als ein wachsender Machtfaktor in Europa, dem Nahen und Fernen Osten. Trotz des Versuches der kapitalistischen Welt, Sowjetrussland durch eine finanzielle Blockade zu erdrosseln, wird es imstande sein, an seinen wirtschaftlichen Wiederaufbau heranzugehen. Es wird zu diesem Zwecke ebenso seine eigenen wirtschaftlichen Hilfsquellen ausnutzen, wie auch die Konkurrenz der kapitalistischen Mächte untereinander, die sie nötigen wird, Sonderverhandlungen mit Sowjetrussland zu führen. Ein Sechstel des Erdballes befindet sich in der Macht der Sowjets. Schon die Existenz der Sowjetrepublik Russland wirkt auf die bürgerliche Gesellschaft als ein beständiges Element der Schwächung, als wichtigster Faktor der Weltrevolution. Je mehr Sowjetrussland ökonomisch wiederaufersteht und erstarkt, umso mächtiger wird dieser hervorragendste revolutionäre Faktor der internationalen Politik an Einfluss wachsen. 4. Offensive des Kapitals. Da das Proletariat aller Länder, ausgenommen in Russland, den durch den Krieg geschaffenen Schwächezustand des Kapitalismus nicht zu entscheidenden Schlägen ausnutzte, konnte die Bourgeoisie — dank der Hilfe der Sozialdemokraten — die kampfbereiten revolutionären Arbeiter niederschlagen, ihre eigene politische und ökonomische Macht befestigen und eine neue Offensive gegen das Proletariat beginnen. Alle Versuche der Bourgeoisie, die internationale Warenproduktion und Warenverteilung nach den Stürmen des Weltkrieges wieder in Gang zu bringen, geschahen allein auf Kosten der Arbeiterschaft. Die im Weltmaßstabe systematisch organisierte Offensive des Kapitals gegen alle Errungenschaften der Arbeiterklasse erfasste im Wirbel alle Länder. Überall baut das reorganisierte Kapital schonungslos den realen Arbeitslohn der Arbeiter ab, verlängert den Arbeitstag, beschneidet die bescheidenen Rechte der Arbeiterschaft im Betriebe und zwingt in den Ländern mit niedriger Valuta die bettelarmen Arbeiter, das Unheil zu bezahlen das im Wirtschaftsleben durch die Geldentwertung entsteht, u. a. m. Die Offensive des Kapitals, die in den letzten Jahren Riesendimensionen angenommen hat, zwingt die Arbeiterschaft in allen Ländern zu Abwehrkämpfen. Tausende und Abertausende von Arbeitern der wichtigsten Produktionsgebiete nahmen den Kampf auf. In den Kampf treten immer neue Gruppen von Arbeitern, die für das Wirtschaftsleben von entscheidender Bedeutung sind (Eisenbahnen, Bergarbeiter Metallarbeiter, Staats- und Gemeindearbeiter) Die meisten dieser Streiks führten bisher zu keinem unmittelbaren Erfolg. Aber dieser Kampf erzeugt bei neuen gewaltigen Scharen der früher rückständigen Arbeiter unendlichen Hass gegen die Kapitalisten und die sie schützende Staatsmacht. Diese, dem Proletariat aufgezwungenen Kämpfe zerstören die von den Sozialreformisten und Gewerkschaftsbürokraten betriebene Politik der Arbeitsgemeinschaft mit den Unternehmern. Diese Kämpfe zeigen selbst den rückständigsten Schichten des Proletariats den offensichtlichen Zusammenhang zwischen Ökonomie sind Politik. Jeder große Streik wird heute zu einem großen politischen Ereignis. Dabei hat sich gezeigt, dass die Parteien der 2. internationale und die Führer der Amsterdamer Gewerkschaften den in schweren Abwehrkämpfen stehenden Arbeitermassen nicht nur keine Hilfe leisteten, sondern sie direkt im Stiche ließen und sie an das Unternehmertum und die bürgerlichen Regierungen verrieten. Es ist eine der Aufgaben der kommunistischen Parteien, diesen unerhörten fortwährenden Verrat an den Pranger zu stellen und an den täglichen Kämpfen der Arbeitermassen zu illustrieren. Es ist Pflicht der kommunistischen Parteien aller Länder, die zahlreich ausbrechenden wirtschaftlichen Streiks auszuweiten, zu vertiefen und sie, wenn möglich, in politische Streiks und Kämpfe ausmünden zu lassen. Es ist selbstverständlich Pflicht der kommunistischen Parteien, die Abwehrkämpfe und die revolutionäre Erkenntnis und den Kampfeswillen der proletarischen Massen derart zu stärken, dass diese bei genügender Stärke von der Defensive zur Offensive übergehen. Die systematische Verschärfung der Gegensätze zwischen Proletariat und Bourgeoisie ist mit der Ausdehnung dieser Kämpfe unausbleiblich. Die Lage bleibt objektiv revolutionär und selbst der geringste Anlass kann heute der Ausgangspunkt großer revolutionärer Kämpfe werden. 5. Der internationale Faschismus. Im engsten Zusammenhang mit der Offensive des Kapitals auf ökonomischem Gebiet steht die politische Offensive der Bourgeoisie gegen die Arbeiterschaft wie sie sich am krassesten im internationalen Faschismus äußert. Da die zunehmende Verelendung die Massen immer mehr revolutioniert, auch die Mittelschicht einschließlich der Beamten erfasst und die Sicherheit der Bourgeoisie, in der Bürokratie ein absolut willfähriges und ausreichendes Werkzeug zu haben, erschüttert, genügen der Bourgeoisie die legalen Unterstützungsmethoden nicht mehr. Sie geht deshalb dazu über, sich überall besondere weiße Garden zu schaffen, die sich speziell gegen alle revolutionären Bestrebungen des Proletariats richten und mehr und mehr der brutalen Niederschlagung jedes Versuches der Arbeiterschaft, ihre Lage zu verbessern, dienen. Das charakteristische Merkmal des italienischen Faschismus — des „klassischen“ Faschismus. der jetzt für eine Zeitlang das ganze Land gewonnen hat —— besteht darin, dass die Faschisten nicht nur engere konterrevolutionäre, bis an die Zähne bewaffnete Kampforganisationen bilden, sondern auch versuchen, durch soziale Demagogie sich einen Boden in der Masse, in der Bauernschaft, im Kleinbürgertum, sogar in gewissen Teilen der Arbeiterschaft zu schaffen, wobei sie die notwendigen Enttäuschungen über die so genannte Demokratie für ihre reaktionären Zwecke geschickt auszunutzen verstehen. Die Gefahr des Faschismus besteht jetzt in vielen Ländern: In der Tschechoslowakei, in Ungarn, in fast allen Balkanländern, in Polen, in Deutschland (Bayern), in Österreich, in Amerika, und sogar in Ländern wie Norwegen. In dieser oder jener Form ist der Faschismus auch nicht in Ländern wie Frankreich und England ausgeschlossen. Eine der wichtigsten Aufgaben der kommunistischen Parteien ist die, den Widerstand gegen den internationalen Faschismus zu organisieren, der gesamten Arbeiterschaft im Kampfe gegen die Faschistenbanden voranzugehen und auch auf diesem Gebiete die Taktik der Einheitsfront energisch anzuwenden, wobei die Methoden illegaler Organisationen unbedingt notwendig sind. Die wahnwitzige Faschistenorganisation ist aber auch die letzte Karte im Spiele der Bourgeoisie. Die offene Herrschaft der weißen Garden richtet sich zugleich gegen die Grundlagen der bürgerlichen Demokratie überhaupt. Die breitesten Massen des arbeitenden Volkes überzeugen sich durch diese Tatsache, dass die Herrschaft der Bourgeoisie nur durch die unverhüllte Diktatur über das Proletariat möglich ist 6. Die Möglichkeit neuer pazifistischer Illusionen. Was die internationale politische Lage im gegebenen Moment charakterisiert, ist der Faschismus, der Belagerungszustand und die steigende Welle des weißen Terrors gegen die Arbeiterschaft. Das schließt jedoch nicht aus, dass in absehbarer Zeit in sehr wichtigen Ländern die offene bürgerliche Reaktion durch eine „demokratisch-pazifistische“ Ära abgelöst wird. In England (Stärkung der Labour Party bei den letzten Wahlen), in Frankreich (die unvermeidlich kommende Periode des so genannten „Linksblocks“) ist eine solche „demokratisch-pazifistische“ Übergangsperiode wahrscheinlich und sie kann ihrerseits eine Wiederbelebung der pazifistischen Hoffnungen im bürgerlichen und sozialdemokratischen Deutschland auslösen. Zwischen der gegenwärtigen Periode der Herrschaft der offenen bürgerlichen Reaktion und dem vollen Sieg des revolutionären Proletariats über die Bourgeoisie liegen verschiedene Etappen und sind verschiedene vorübergehende Episoden möglich. Die Kommunistische Internationale und ihre Sektionen müssen auch diese Eventualitäten ins Auge fassen; sie müssen verstehen, bei jeder Lage die revolutionären Positionen zu verteidigen. 7. Die Lage innerhalb der Arbeiterbewegung. In der gleichen Zeit, in der infolge der Offensive des Kapitals die Arbeiterklasse in eine Defensivstellung getrieben wird, vollzieht sich die Annäherung und schließlich die Verschmelzung der Parteien des Zentrums (Unabhängige) mit den offenen Sozialverrätern (Sozialdemokraten). In der Zeit des revolutionären Aufstieges erklärten sich unter dem Druck der Massenstimmung selbst die Zentristen für die Diktatur des Proletariats und suchten den Weg zur 3. Internationale. Mit der absteigenden Welle der Revolution, die aber nur vorübergehend ist, fallen diese Zentristen wieder in das Lager der Sozialdemokraten zurück, von dem sie sich innerlich nie gelöst hatten. Sie, die in den Zeiten revolutionärer Massenkämpfe stets eine zögernde und schwankende Haltung einnahmen, versagen jetzt in den Abwehrkämpfen und kehren in das Lager der 2. Internationale zurück, die immer bewusst antirevolutionär war. Die zentristischen Parteien und die ganze zentristische Internationale 2½ sind im Zerfall begriffen. Der beste Teil der revolutionären Arbeiter, der vorübergehend im Lager des Zentrismus stand, wird mit der Zeit zur Kommunistischen Internationale übergehen. Hier und da hat dieser Übergang bereits begonnen (Italien). Die überwiegende Mehrheit der zentristischen Führer, die sich jetzt mit Noske, Mussolini usw. verbinden, werden dagegen zu erbitterten Konterrevolutionären werden. Objektiv kann die Verschmelzung der Partei der 2. und 2½ Internationale für die revolutionäre Arbeiterbewegung nur von Nutzen sein. Die Fiktion einer zweiten, außerhalb des kommunistischen Lagers stehenden revolutionären Partei verschwindet. In der Arbeiterklasse werden nur noch zwei Gruppierungen miteinander um die Mehrheit der Arbeiter ringen: die 2. Internationale, die den Einfluss der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterschaft darstellt, und die 3. Internationale, die das Banner der sozialistischen Revolution und der Diktatur des Proletariats erhoben hat. 8. Die Spaltung der Gewerkschaften und die Vorbereitung des weißen Terrors gegen die Kommunisten. Die Vereinigung der Parteien der 2. und 2½ Internationale hat zweifellos zur Aufgabe, eine „günstige Atmosphäre‘ für den systematischen Feldzug gegen die Kommunisten vorzubereiten. Ein Teil dieses Feldzuges ist die planmäßige Spaltung der Gewerkschaften durch die Führer der Amsterdamer Internationale. Die Amsterdamer schrecken vor jedem Kampfe gegen die Offensive des Kapitals zurück und setzen vielmehr ihre arbeitgemeinschaftliche Politik mit den Unternehmern fort. Um nicht von den Kommunisten in diesem Bündnis mit dem Unternehmertum gestört zu werden, versuchten sie, den Einfluss der Kommunisten in den Gewerkschaften planmäßig auszuschalten. Da die Kommunisten trotzdem in vielen Ländern bereits die Mehrheit in den Gewerkschaften erobert haben oder zu erobern im Begriff sind. schrecken die Amsterdamer weder vor Ausschlüssen, noch vor formellen Spaltungen der Gewerkschaften zurück. Nichts schwächt so die Kräfte des proletarischen Widerstandes gegen die Offensive des Kapitals, wie die Spaltung der Gewerkschaften. Das wissen auch die reformistischen Führer der Gewerkschaften. Da sie aber merken, dass sie den Boden unter den Füßen verlieren und dass ihr Bankrott unvermeidlich und nahe ist, beeilen sie sich, die Gewerkschaften, dieses unersetzliche Werkzeug des proletarischen Klassenkampfes, zu spalten, damit die Kommunisten als Erbteil nur noch die Scherben und Splitter der alten Gewerkschaftsorganisationen übernehmen können, Einen schlimmeren Verrat hat die Arbeiterklasse seit dem August 1914 nicht gesehen. 9. Die Aufgaben der Eroberung der Mehrheit. Unter diesen Umständen bleibt die grundlegende Anweisung des 3. Weltkongresses, „einen kommunistischen Einfluss unter der Mehrheit der Arbeiterklasse zu gewinnen und den entscheidenden Teil dieser Klasse in den Kampf zu führen“, voll bestehen. Noch mehr als zur Zeit des dritten Kongresses hat heute die Auffassung Gültigkeit, dass bei dem jetzigen labilen Gleichgewicht der bürgerlichen Gesellschaft ganz plötzlich die schärfste Krise ausgelöst werden kann infolge eines großen Streiks, eines Kolonialaufstandes, eines neuen Krieges oder selbst einer Parlamentskrise. Aber gerade deshalb gewinnt der „subjektive“ Faktor ungeheure Bedeutung, d. h. der Grad des Selbstbewusstseins, des Kampfeswillens und der Organisation der Arbeiterklasse und ihrer Avantgarde. Die Mehrheit der Arbeiterklasse Amerikas und Europas zu gewinnen, — das ist nach wie vor die Kardinalaufgabe der Komintern. In den kolonialen und halbkolonialen Ländern hat die Komintern zweierlei Aufgaben: 1. einen Kern von kommunistischen Parteien zu schaffen, die die Gesamtinteressen des Proletariats vertreten, und 2. mit allen Kräften die nationalrevolutionäre Bewegung zu unterstützen, die sich gegen den Imperialismus richtet, zur Avantgarde dieser Bewegung zu werden und innerhalb der nationalen Bewegung die soziale Bewegung hervorzuheben und zu steigern. 10. Taktik der Einheitsfront. Aus all dem ergibt sich die Notwendigkeit der Taktik der Einheitsfront. Die Losung des 3. Kongresses „zu den Massen“ hat jetzt mehr denn je Gültigkeit. Erst jetzt beginnt der Kampf um die Bildung der proletarischen Einheitsfront in einer größeren Zahl von Ländern. Erst jetzt beginnt man auch die Schwierigkeiten der Taktik der Einheitsfront zu überwinden. Als bestes Beispiel kann Frankreich dienen, wo der Gang der Ereignisse auch diejenigen, die noch vor kurzem prinzipielle Gegner dieser Taktik waren, von der Notwendigkeit der Anwendung dieser Taktik überzeugte. Die Komintern fordert, dass alle kommunistischen Parteien und Gruppen die Taktik der Einheitsfront auf das Strengste durchführen, weil sie allein in der gegenwärtigen Periode den Kommunisten den sicheren Weg zur Eroberung der Mehrheit der Werktätigen weist. Die Reformisten brauchen jetzt die Spaltung. Die Kommunisten sind an der Zusammenfassung aller Kräfte der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus interessiert. Die Taktik der Einheitsfront bedeutet das Vorangehen der kommunistischen Avantgarde in den täglichen Kämpfen der breiten Arbeitermassen um ihre notwendigsten Lebensinteressen. In diesem Kampfe sind die Kommunisten sogar bereit, mit den verräterischen Führern der Sozialdemokraten und der Amsterdamer zu unterhandeln. Die Versuche der 2. Internationale, die Einheitsfront als organisatorische Verschmelzung aller „Arbeiterparteien“ hinzustellen, sind selbstverständlich auf das Entschiedenste zurückzuweisen. Die Versuche der 2. Internationale, unter dem Deckmantel der Einheitsfront die weiter links stehenden Arbeiterorganisationen aufzusaugen (Vereinigung der SPD und USPD in Deutschland) bedeutet, in der Tat nichts anderes, als die Möglichkeit für die sozialdemokratischen Führer, neue Teile der Arbeitermassen an die Bourgeoisie auszuliefern. Die Existenz selbständiger kommunistischer Parteien und deren vollständige Aktionsfreiheit gegen die Bourgeoisie und gegen die konterrevolutionäre Sozialdemokratie ist die wichtigste historische Errungenschaft des Proletariats, auf die die Kommunisten unter keinen Umständen verzichten werden. Die kommunistischen Parteien allein verfechten die Interessen des gesamten Proletariats. Die Taktik der Einheitsfront bedeutet auch keinesfalls so genannte „Wahlkombinationen“ der Spitzen, die diese oder jene parlamentarischen Zwecke verfolgen. Die Taktik der Einheitsfront ist das Angebot des gemeinsamen Kampfes der Kommunisten mit allen Arbeitern, die anderen Parteien oder Gruppen angehören, und mit allen parteilosen Arbeitern zwecks Verteidigung der elementarsten Lebensinteressen der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie. Jeder Kampf um die kleinste Tagesforderung bildet eine Quelle revolutionärer Schulung, denn die Erfahrungen des Kampfes werden die Werktätigen von der Unvermeidlichkeit der Revolution und der Bedeutung des Kommunismus überzeugen. Eine besonders wichtige Aufgabe bei der Durchführung der Einheitsfront ist die Erreichung nicht nur agitatorischer, sondern auch organisatorischer Resultate. Keine einzige Gelegenheit darf verpasst werden, um in der Arbeitermasse selbst organisatorische Stützpunkte (Betriebsräte, Kontrollkommissionen aus Arbeitern aller Parteien und Parteilosen, Aktionskomitees usw.) zu schaffen. Das Wichtigste in der Taktik der Einheitsfront ist und bleibt die agitatorische und organisatorische Zusammenfassung der Arbeitermassen. Der wirkliche Erfolg der Einheitsfronttaktik erwächst von „unten“. aus den Tiefen der Arbeitermasse selbst. Die Kommunisten können dabei aber nicht darauf verzichten, unter gewissen Umständen auch mit den Spitzen der gegnerischen Arbeiterparteien zu unterhandeln. Über den Gang dieser Unterhandlungen müssen die Massen jedoch dauernd und vollkommen unterrichtet sein. Die Selbständigkeit der Agitation der Kommunistischen Partei darf auch während der Verhandlungen mit den Spitzen keinesfalls eingeschränkt werden. Es versteht sich von selbst, dass je nach den konkreten Bedingungen die Taktik der Einheitsfront in den verschiedenen Ländern in verschiedener Form anzuwenden ist. Aber dort, wo in den wichtigsten kapitalistischen Ländern die objektiven Verhältnisse für die sozialistische Umwälzung reif sind und wo — von konterrevolutionären Führern geleitet — die sozialdemokratischen Parteien bewusst auf die Spaltung der Arbeiterschaft hinarbeiten, wird die Taktik der Einheitsfront für eine neue Epoche maßgebend sein. 11. Die Arbeiterregierung Als allgemeine propagandistische Parole ist die Arbeiterregierung (evtl. Arbeiter- und Bauernregierung) fast überall zu gebrauchen. Als aktuelle politische Losung aber hat die Arbeiterregierung die größte Bedeutung in denjenigen Ländern, wo die Lage der bürgerlichen Gesellschaft besonders unsicher ist, wo das Kräfteverhältnis zwischen den Arbeiterparteien und der Bourgeoisie die Entscheidung der Regierungsfrage als praktische Notwendigkeit auf die Tagesordnung setzt. In diesen Ländern ergibt sich die Losung der Arbeiterregierung als unvermeidliche Schlussfolgerung aus der ganzen Taktik der Einheitsfront. Die Parteien der 2. Internationale versuchen, in diesen Ländern die Lage dadurch zu „retten“, dass sie eine Koalition der Bürgerlichen und der Sozialdemokraten propagieren und verwirklichen. Die neuesten Versuche einiger Parteien der 2. Internationale (z.B. in Deutschland), eine offene Teilnahme an einer solchen Koalitionsregierung abzulehnen und sie gleichzeitig in versteckter Form durchzuführen, bedeuten nichts anderes, als ein Beschwichtigungsmanöver gegenüber den protestierenden Massen, als einen raffinierten Betrug der Arbeitermassen. Einer offenen oder maskierten bürgerlich-sozialdemokratischen Koalition stellen die Kommunisten die Einheitsfront aller Arbeiter und eine Koalition aller Arbeiterparteien auf ökonomischem und politischem Gebiete zum Kampfe gegen die bürgerliche Macht und zu ihrem schließlichen Sturz gegenüber. Im vereinten Kampfe aller Arbeiter gegen die Bourgeoisie soll der ganze Staatsapparat in die Hände der Arbeiterregierung gelangen, und dadurch sollen die Machtpositionen der Arbeiterklasse gestärkt werden. Die elementarsten Aufgaben einer Arbeiterregierung müssen darin bestehen, das Proletariat zu bewaffnen, die bürgerlichen, konterrevolutionären Organisationen zu entwaffnen, die Kontrolle der Produktion einzuführen, die Hauptlast der Steuern auf die Schultern der Reichen abzuwälzen und den Widerstand der konterrevolutionären Bourgeoisie zu brechen. Eine solche Arbeiterregierung ist nur möglich, wenn sie aus dem Kampfe der Massen selbst geboren wird, sich auf kampffähige Arbeiterorgane stützt, die von den untersten Schichten der unterdrückten Arbeitermassen geschaffen werden. Auch eine Arbeiterregierung, die einer parlamentarischen Konstellation entspringt, die also rein parlamentarischen Ursprungs ist, kann den Anlass zu einer Belebung der revolutionären Arbeiterbewegung geben. Es ist selbstverständlich, dass die Geburt einer wirklichen Arbeiterregierung und die weitere Aufrechterhaltung einer Regierung, die revolutionäre Politik betreibt, zum erbittertsten Kampf, eventuell zum Bürgerkrieg mit der Bourgeoisie führen muss. Schon der Versuch des Proletariats, eine solche Arbeiterregierung zu bilden, wird von vornherein auf den schärfsten Widerstand der Bourgeoisie stoßen, Die Losung der Arbeiterregierung ist daher geeignet, das Proletariat zusammenzuschließen und revolutionäre Kämpfe auszulösen. Die Kommunisten müssen sich unter Umständen bereit erklären, zusammen mit nichtkommunistischen Arbeiterparteien und Arbeiterorganisationen eine Arbeiterregierung zu bilden. Sie können das aber nur dann tun, wenn Garantien dafür vorhanden sind, dass die Arbeiterregierung wirklich einen Kampf gegen das Bürgertum im oben angegebenen Sinne führen wird. Dabei bestehen die selbstverständlichen Bedingungen der Teilnahme der Kommunisten an einer solchen Regierung darin, dass 1. die Teilnahme an einer Arbeiterregierung nur mit Zustimmung der Komintern erfolgen kann; 2. die kommunistischen Teilnehmer an einer solchen Regierung unter der strengsten Kontrolle ihrer Partei stehen; 3. die betreffenden kommunistischen Teilnehmer an dieser Arbeiterregierung in engster Fühlung mit den revolutionären Organisationen der Massen stehen; 4. die Kommunistische Partei ihr eigenes Gesicht und die volle Selbständigkeit ihrer Agitation unbedingt behält. Bei allen großen Vorteilen hat die Arbeiterregierungsparole auch ihre Gefahren, ebenso wie die gesamte Taktik der Einheitsfront Gefahren in sich birgt. Um diesen Gefahren vorzubeugen, müssen die kommunistischen Parteien folgendes ins Auge fassen: Jede bürgerliche Regierung ist zugleich eine kapitalistische Regierung. Aber nicht jede Arbeiterregierung ist eine wirklich proletarische, d. h. ein revolutionäres Machtinstrument des Proletariats. Die Kommunistische Internationale muss folgende Möglichkeiten berücksichtigen: I. Scheinbare Arbeiterregierungen: 1. liberale Arbeiterregierung: eine solche gab es in Australien, eine solche Regierung wird auch in absehbarer Zeit in England möglich sein. 2. sozialdemokratische Arbeiterregierung (Deutschland). II. Wirkliche Arbeiterregierungen: 3. Regierung der Arbeiter und ärmeren Bauern. Eine solche Möglichkeit besteht auf dem Balkan, in der Tschechoslowakei, Polen, usw. 4. Arbeiterregierung mit Teilnahme der Kommunisten. 5. Wirkliche proletarische Arbeiterregierung, die in reiner Form nur durch die Kommunistische Partei verkörpert werden kann. Die ersten beiden Typen sind keine revolutionären Arbeiterregierungen, sondern in Wirklichkeit verkappte Koalitionsregierungen zwischen Bourgeoisie und antirevolutionären Arbeiterführern. Solche „Arbeiterregierungen“ werden in kritischen Zeiten von der geschwächten Bourgeoisie geduldet, um das Proletariat über den wahren Klassencharakter des Staates zu täuschen oder sogar mit Hilfe der korrumpierten Arbeiterführer den revolutionären Ansturm des Proletariats abzuwehren und Zeit zu gewinnen. Die Kommunisten können sich an einer solchen Regierung nicht beteiligen. Sie müssen im Gegenteil den wahren Charakter dieser „falschen“ Arbeiterregierung unerbittlich vor den Massen entlarven. In der gegebenen Niedergangsperiode des Kapitalismus, wo die wichtigste Aufgabe darin besteht, die Mehrheit des Proletariats für die proletarische Revolution zu gewinnen, können aber auch diese Regierungen objektiv dazu beitragen, den Zersetzungsprozess der bürgerlichen Gewalt zu beschleunigen. Die Kommunisten sind bereit, auch mit jenen Arbeitern zu marschieren, die die Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats noch nicht erkannt haben, mit sozialdemokratischen, christlichen, parteilosen, syndikalistischen usw. Die Kommunisten sind also auch bereit, unter gewissen Garantien eine nichtkommunistische Arbeiterregierung zu unterstützen. Die Kommunisten erklären aber der Arbeiterschaft unter allen Umständen offen, dass nur die Diktatur des Proletariats der Arbeiterklasse die wirkliche Befreiung sichert. Die zwei weiteren Typen der Arbeiterregierung (Ziffer 3 und 4), an denen die Kommunisten teilnehmen können, bedeuten noch nicht die Diktatur des Proletariats, sie sind nicht einmal eine geschichtlich unvermeidliche Übergangsform der Diktatur, aber sie können dort, wo sie zustande kommen, einen Ausgangspunkt zur Erkämpfung dieser Diktatur bilden. Die vollendete Diktatur des Proletariats ist nur diejenige wirkliche Arbeiterregierung (Ziffer 5), die aus Kommunisten besteht. 13. Betriebsrätebewegung. Keine kommunistische Partei kann als ernsthafte und solide organisierte kommunistische Massenpartei betrachtet werden, wenn sie keine festen kommunistischen Zellen in den Betrieben, Fabriken, Bergwerken, Eisenbahnen usw. hat. Eine Bewegung kann unter den jetzigen Verhältnissen nicht als planmäßig organisierte proletarische Massenbewegung betrachtet werden, wenn es der Arbeiterklasse und ihren Organisationen nicht gelingt, Betriebsausschüsse als Rückgrat dieser Bewegung zu schaffen. Insbesondere ist der Kampf gegen die Offensive des Kapitals und für die Kontrolle der Produktion aussichtslos, wenn die Kommunisten nicht über feste Stützpunkte in allen Betrieben verfügen und wenn die Arbeiterschaft sich nicht ihre eigenen proletarischen Kampforgane in den Betrieben (Betriebsräteausschüsse, Arbeiterräte) geschaffen hat. Der Kongress betrachtet es daher als eine der Hauptaufgaben aller kommunistischen Parteien, sich mehr als bisher in den Betrieben zu verankern und die Betriebsrätebewegung zu unterstützen oder die Initiative zur Bildung dieser Bewegung zu ergreifen. 14. Die Komintern als Weltpartei. Die Kommunistische Internationale muss in immer höherem Maße gleichzeitig mit ihrer organisatorischen Ausgestaltung zu einer kommunistischen Weltpartei sich auch politisch als solche betätigen; sie hat insbesondere der Führung der notwendigen Aktionen in ganzen Ländergruppen ihr Augenmerk zuzuwenden. 15. internationale Disziplin. Um die Taktik der Einheitsfront international und in jedem einzelnen Lande durchzuführen, bedarf es jetzt mehr denn je der strengsten internationalen Disziplin in der Komintern und in jeder ihrer einzelnen Sektionen. Der 4. Kongress fordert kategorisch von allen Sektionen und allen Mitgliedern die strengste Disziplin in der Durchführung der Taktik, die nur dann Früchte zeitigen kann, wenn die einmütige und planmäßige Durchführung dieser Taktik in allen Ländern nicht nur in Worten, sondern auch durch Taten geschehen wird. Die Zustimmung zu den 21 Bedingungen schließt in sich die Durchführung aller taktischen Beschlüsse der Weltkongresse und der Exekutive als das Organ der Komintern in den Zeiten zwischen den Weltkongressen. Der Kongress beauftragt die Exekutive, die Durchführung auch der taktischen Beschlüsse durch alle Parteien auf das Strengste zu fordern und zu überwachen. Nur die scharf umrissene revolutionäre Taktik der Komintern sichert der internationalen proletarischen Revolution den möglichst raschen Sieg. * * * Der Kongress beschließt, den Text der Dezember-Thesen (1921) der Exekutive über die Einheitsfront dieser Resolution als Anhang anzufügen, da diese Thesen ausführlich und richtig die Taktik der Einheitsfront beleuchten. LEITSÄTZE ÜBER DIE EINHEITSFRONT DER ARBEITER UND ÜBER DAS VERHÄLTNIS ZU DEN ARBEITERN, DIE DER 2., DER 2½ UND DER AMSTERDAMER INTERNATIONALE ANGEHÖREN, SOWIE ZU DEN ARBEITERN, DIE DIE ANARCHO-SYNDIKALISTISCHEN ORGANISATIONEN UNTERSTÜTZEN. (Einstimmig angenommen von der Exekutive der Kommunistischen Internationale am 18. Dezember 1921.) 1. Die internationale Arbeiterbewegung macht gegenwärtig eine eigentümliche Übergangsetappe durch, die sowohl die Kommunistische Internationale im Allgemeinen, als auch ihre einzelnen Sektionen vor neue, wichtige taktische Probleme stellt. Diese Etappe wird hauptsächlich durch folgendes gekennzeichnet: Die wirtschaftliche Weltkrise verschärft sich. Die Arbeitslosigkeit wächst. Das internationale Kapital ist fast in allen Ländern zur systematischen Offensive gegen die Arbeiter übergegangen, die sich vor allem in dem ziemlich offenkundigen Bestreben der Kapitalisten äußert, den Arbeitslohn und die gesamte Lebenshaltung der Arbeiter herabzudrücken. Der Bankrott des Versailler Friedens wird immer augenfälliger für die breitesten Schichten der Werktätigen. Die Unvermeidlichkeit eines neuen, imperialistischen Krieges oder gar mehrerer solcher Kriege ist klar, falls das internationale Proletariat die bürgerliche Regierung nicht stürzt: Washington hat das sehr deutlich gezeigt. Die im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von Umständen eingetretene Belebung der reformistischen Illusionen in breiten Schichten der Arbeiter fängt unter den Schlägen der Wirklichkeit an, einer anderen Stimmung Platz zu machen. Die nach dem Abschluss des imperialistischen Gemetzels aufs Neue entstandenen „demokratischen“ und reformistischen Illusionen der Arbeiter (einerseits der besser gestellten Arbeiter, andererseits aber der rückständigsten, politisch unerfahrensten) verblühen, ehe sie recht aufgeblüht sind. Der Verlauf und der Abschluss der „Arbeiten“ der Washingtoner Konferenz werden diese Illusionen noch stärker erschüttern. Wenn man vor einem halben Jahre mit einer gewissen Berechtigung von einem allgemeinen Abrücken der Arbeitermassen in Europa und Amerika nach rechts reden konnte, so kann man gegenwärtig im Gegenteil zweifelsohne den Beginn einer Schwenkung nach links feststellen. 3. Andererseits ist unter dem Einfluss der sich verstärkenden Angriffe des Kapitals unter den Arbeitern ein spontanes, buchstäblich nicht zurückzuhaltendes Streben zur Einheit erwacht, das mit einem allmählichen Anwachsen des Vertrauens der breiten Arbeitermassen zu den Kommunisten Hand in Hand geht. Immer breitere Arbeiterkreise beginnen erst jetzt den Mut der kommunistischen Vorhut richtig einzuschätzen, die sich in den Kampf die Interessen der Arbeiterklasse stürzte zu einer Zeit, als die ganze ungeheuere Arbeitermasse gleichgültig blieb, oder sogar dem Kommunismus feindlich gegenüberstand. Immer breitere Arbeiterkreise überzeugen sich jetzt davon, dass nur die Kommunisten, unter den schwierigsten Verhältnissen, bisweilen unter den größten Opfern, die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Arbeiterklasse verteidigt haben. Die Achtung und das Vertrauen zu der unversöhnlichen kommunistischen Vorhut der Arbeiterklasse beginnen jetzt aufs neue zu wachsen, da selbst die rückständigeren Schichten der Arbeiter die Nutzlosigkeit reformistischer Hoffnungen eingesehen und begriffen haben, dass es außer dem Kampfe keine Rettung vor dem Raubzug der Kapitalisten gibt. 3. Die kommunistischen Parteien können und sollen jetzt die Früchte des Kampfes ernten, den sie zuvor in dem überaus ungünstigen Milieu der Gleichgültigkeit. der Massen geführt haben. Aber, indem die Arbeitermassen von immer größerem Vertrauen zu den unversöhnlichen, kampfesmutigen Elementen der Arbeiterklasse, den Kommunisten, durchdrungen werden, zeigen sie als Ganzes einen noch nie dagewesenen Drang nach Einheit. Die zum aktiven Leben erwachenden neuen Schichten der politisch weniger erprobten Arbeiter träumen von der Vereinigung aller Arbeiterparteien und sogar aller Arbeiterorganisationen überhaupt und hoffen auf diese Weise ihre Widerstandskraft den Kapitalisten gegenüber zu vergrößern. Neue Arbeiterschichten, die früher oft keinen tätigen Anteil am politischen Kampf genommen haben, gehen jetzt auf Grund eigener Erfahrung ganz aufs Neue an die Prüfung der praktischen Pläne des Reformismus heran. Wie diese neuen Schichten, so wollen sich auch bedeutende Arbeiterschichten, die den alten sozialdemokratischen Parteien angehören, nicht mehr mit dem Feldzug der Sozialdemokraten und Zentristen gegen die kommunistische Vorhut zufrieden geben, sie fangen schon an, eine Verständigung mit den Kommunisten zu fordern. Aber sie haben gleichzeitig noch nicht ihren Glauben an die Reformisten überwunden, und bedeutende Massen unterstützen noch die Parteien der 2. und der Amsterdamer Internationale. Diese Arbeitermassen formulieren ihre Pläne und Bestrebungen nicht genügend klar, aber im großen und ganzen lässt sich die neue Stimmung auf den Wunsch zurückführen, die Einheitsfront herzustellen und zu versuchen, die Parteien und Verbände der 2. und der Amsterdamer Internationale zum Kampf gegen den Angriff des Kapitals zusammen mit den Kommunisten zu veranlassen. Soweit ist diese Stimmung progressiv. — Im Wesentlichen ist der Glaube an den Reformismus untergraben. Unter den allgemeinen Verhältnissen, in denen sich die Arbeiterbewegung jetzt befindet, wird jede ernste Massenaktion, auch wenn sie nur von Teilforderungen ausgeht, unvermeidlich allgemeinere und grundlegendere Fragen der Revolution auf die Tagesordnung stellen. Die kommunistische Vorhut kann nur gewinnen, wenn neue Arbeiterschichten sich durch eigene Erfahrung von den Illusionen des Reformismus und des Kompromisslertums überzeugen. 5. In der Anfangsperiode des Aufkeimens eines bewussten und organisierten Protestes gegen den Verrat der Führer der 2. Internationale hatten diese letzteren den gesamten Apparat der Arbeiterorganisationen in ihren Händen. Sie benutzten das Prinzip der Einheit und der proletarischen Disziplin, um dem revolutionären proletarischen Protest erbarmungslos den Mund zu stopfen und ohne Widerstand die ganze Macht der Arbeiterorganisationen in den Dienst des nationalen Imperialismus zu stellen. Unter diesen Umständen musste sich der revolutionäre Flügel um jeden Preis die Freiheit der Agitation und Propaganda erkämpfen, d. h. die Freiheit, den Arbeitermassen den beispiellosen geschichtlichen Verrat zu erklären, den die durch die Arbeitermassen selbst geschaffenen Parteien begangen haben und noch jetzt begehen. 5. Nachdem sie sich die organisatorische Freiheit der geistigen Einwirkung auf die Arbeitermassen gesichert haben, sind die kommunistischen Parteien aller Länder bestrebt, jetzt in allen Fällen eine möglichst breite und vollkommene Einheit der praktischen Aktion dieser Massen zu erreichen. Die Amsterdamer und die Helden der 2. Internationale predigen in Worten diese Einheit, tatsächlich handeln sie aber umgekehrt. Nachdem es den reformistischen Kompromisslern Amsterdams nicht gelungen war, organisatorisch die Stimme des Protestes und des revolutionären Aufruhrs zu unterdrücken, suchen sie jetzt den Ausweg aus der Sackgasse, in die sie sich durch ihre eigene Schuld verrannt haben, durch das Hineintragen der Spaltung, der Desorganisation, der organisatorischen Sabotage in den Kampf der werktätigen Massen. Eine der wichtigsten Aufgaben der kommunistischen Partei ist es jetzt, diese neuen Formen der alten Verräterei auf frischer Tat zu entlarven. 7. Tiefe innere Prozesse zwingen jedoch die Diplomaten und Führer der 2., 2½ und Amsterdamer Internationale auch ihrerseits die Frage der Einheit in den Vordergrund zu rücken. Wenn bei den zu neuem, bewusstem Leben erwachenden, wenig erfahrenen Arbeiterschichten die Parole der Einheitsfront wirklich das aufrichtigste Bestreben ist, die Kräfte der unterdrückten Klasse gegen den Vormarsch der Kapitalisten zusammenzuschließen, so ist für die Führer und Diplomaten der 2., 2½ und Amsterdamer Internationale das Aufstellen der Einheitsparole ein neuer Versuch, die Arbeiter zu betrügen und sie auf eine neue Art auf den alten Weg der „Zusammenarbeit“ der Klassen zu locken. Die nahende Gefahr eines neuen imperialistischen Krieges (Washington), das Wachsen der Rüstungen, die hinter den Kulissen geschlossenen neuen imperialistischen Geheimverträge — alles das veranlasst die Führer der 2., 2½ und Amsterdamer Internationale nicht etwa Alarm zu schlagen, um nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat die internationale Vereinigung der Arbeiterklasse zu verwirklichen; dies alles wird im Gegenteil innerhalb der 2. und der Amsterdamer Internationale unvermeidlich Reibungen und Teilungen im großen und ganzen von derselben Art hervorrufen, wie sie sich im Lager der internationalen Bourgeoisie selbst zeigen. Diese Erscheinung ist deshalb unvermeidlich, weil die Solidarität der reformistischen „Sozialisten“ mit der Bourgeoisie gerade „ihres“ Landes der Eckstein des Reformismus ist. Das sind die allgemeinen Bedingungen, unter denen die Kommunistische Internationale als Ganzes und ihre einzelnen Sektionen ihr Verhältnis zu der Parole der sozialistischen Einheitsfront zu formulieren haben. 8. Angesichts dieser Lage ist die Exekutive der Kommunistischen Internationale der Meinung, dass die Parole des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale „Zu den Massen“ und die allgemeinen Interessen der kommunistischen Bewegung überhaupt von den kommunistischen Parteien und der Kommunistischen Internationale als Ganzes die Unterstützung der Parole der Einheitsfront der Arbeiter und die Übernahme der Initiative in dieser Frage fordern. Dabei muss natürlich die Taktik der kommunistischen Parteien im Zusammenhang mit den Verhältnissen eines jeden Landes konkretisiert werden, 8. In Deutschland hat die Kommunistische Partei auf ihrer letzten Reichskonferenz die Parole der Einheitsfront der Arbeiter unterstützt und sich bereit erklärt, eine einheitliche Arbeiterregierung zu unterstützen, die geneigt ist, einigermaßen ernst den Kampf gegen die Macht der Kapitalisten aufzunehmen. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hält diesen Beschluss für unbedingt richtig und ist überzeugt, dass die KPD bei voller Wahrung ihrer selbständigen politischen Stellung in breitere Arbeiterschichten einzudringen und den Einfluss des Kommunismus auf die Massen zu verstärken vermag. In Deutschland werden sich eher als in einem anderen Lande die breiten Massen mit jedem Tage mehr davon überzeugen, wie recht die kommunistische Vorhut hatte, als sie in der schwierigsten Zeit die Waffen nicht strecken wollte und hartnäckig die Wertlosigkeit der vorgeschlagenen Anwendung reformistischer Heilmittel hervorhob, da die Krise nur durch die proletarische Revolution gelöst werden kann. Indem die Partei diese Taktik befolgt, wird sie mit der Zeit auch alle revolutionären Elemente des Anarchismus und Syndikalismus um sich gruppieren, die jetzt abseits vorn Massenkampf stehen. 9. In Frankreich ist die Kommunistische Partei unter den politisch organisierten Arbeitern in der Mehrheit. Dadurch steht die Frage der Einheitsfront in Frankreich etwas anders als in anderen Ländern. Aber auch hier ist es notwendig, dass die ganze Verantwortung für die Spaltung des einheitlichen Arbeiterlagers auf unsere Gegner fällt. Der revolutionäre Teil der französischen Syndikalisten führt mit Recht den Kampf gegen die Spaltung der Gewerkschaften, d. h. für die Einheit der Arbeiterklasse im ökonomischen Kampfe gegen die Bourgeoisie. Der Kampf der Arbeiter aber endet nicht im Betrieb. Die Einheit ist auch notwendig angesichts des Anschwellens der Reaktion, der imperialistischen Politik usw. Die Politik der Reformisten und Zentristen hat dagegen zur Spaltung der Partei geführt und bedroht jetzt auch die Einheit der Gewerkschaftsbewegung, wodurch nur bewiesen wird, dass Jouhaux ebenso wohl wie Longuet objektiv der Sache der Bourgeoisie dienen. Die Parole der Einheitsfront des Proletariats im wirtschaftlichen wie politischen Kampfe gegen die Bourgeoisie bleibt das beste Mittel zur Durchkreuzung dieser Spaltungspläne. Wenn auch die reformistische CGT, die von Jouhaux, Merrheim und Konsorten geführt wird, die Interessen der französischen Arbeiterklasse verrät — die französischen Kommunisten und die revolutionären Elemente der französischen Arbeiterklasse überhaupt müssen vor Beginn jedes Massenstreiks, vor jeder revolutionären Demonstration oder irgend einer anderen revolutionären Massenaktion den Reformisten vorschlagen, diese Aktion zu unterstützen; und wenn sie sich weigern, den revolutionären Kampf der Arbeiter zu unterstützen, sind sie systematisch zu entlarven. Auf diesem Wege werden wir am leichtesten die parteilosen Arbeitermassen erobern. Selbstverständlich soll das keinesfalls die Kommunistische Partei Frankreichs veranlassen, ihre Selbständigkeit einzuschränken, z. B. während der Wahlkampagnen irgendwie den „Linksblock“ zu unterstützen, oder sich jenen schwankenden Kommunisten gegenüber tolerant zu verhalten, die noch immer die Trennung von den Sozialpatrioten beweinen. 10. In England hat die reformistische Labour Party der Kommunistischen Partei die Aufnahme neben den anderen Arbeiterorganisationen verweigert. Unter dem wachsenden Einfluss der eben genannten Stimmungen unter den Arbeitern haben die Londoner Arbeiterorganisationen unlängst den Beschluss der Aufnahme der Kommunistischen Partei Englands in die Labour Party gefasst. Selbstverständlich ist England in dieser Beziehung eine Ausnahme, denn infolge eigentümlicher Bedingungen ist die Labour Party in England eine Art von allgemeiner Arbeitervereinigung des ganzen Landes. Es ist die Aufgabe der englischen Kommunisten, eine energische Kampagne für ihre Aufnahme in die Labour Party zu beginnen. Der kürzliche Verrat der Gewerkschaftsführer während des Kohlenarbeiterstreiks usw., der systematische Druck der Kapitalisten auf den Arbeitslohn der Arbeiter usw. — alles das hat eine tiefe Gärung unter den sich revolutionierenden Massen des englischen Proletariats hervorgerufen. Die englischen Kommunisten sollen alle Anstrengungen machen, um um jeden Preis unter der Parole der revolutionären Einheitsfront gegen die Kapitalisten in die Tiefe der Arbeitermassen einzudringen. 11. In Italien beginnt die junge Kommunistische Partei, ihre Agitation unter der Parole der proletarischen Einheitsfront gegen die Offensive der Kapitalisten zu führen, trotzdem sie äußerst unversöhnlich gegenüber der reformistischen Sozialistischen Partei Italiens und der sozialverräterischen Arbeitskonföderation gestimmt war, die kürzlich ihrem offenen Verrat an der proletarischen Revolution die Krone aufgesetzt haben. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hält diese Agitation der italienischen Kommunisten für durchaus richtig und besteht nur auf ihrer Verstärkung in derselben Richtung. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale ist überzeugt, dass die Kommunistische Partei Italiens bei genügendem Weitblick der gesamten Internationale ein Muster des kampfbereiten Marxismus zeigen kann, der erbarmungslos auf Schritt und Tritt die Halbheit und den Verrat der Reformisten und Zentristen, die sich in den Mantel des Kommunismus gehüllt haben, entlarven und gleichzeitig eine unermüdliche, sich immer steigernde, in immer breitere Massen dringende Kampagne für die Einheitsfront der Arbeiter gegen die Bourgeoisie führen kann. Die Partei muss dabei selbstverständlich alles tun, um alle revolutionären Elemente des Anarchismus und Syndikalismus in den gemeinsamen Kampf hineinzuziehen. 12. In der Tschechoslowakei, wo die Kommunistische Partei einen bedeutenden Teil der politisch organisierten Arbeiter hinter sich hat, sind die Aufgaben der Kommunisten in einigen Beziehungen den Aufgaben der Kommunisten in Frankreich analog. Ihre Selbständigkeit festigend und die letzten zentristischen Traditionen ausmerzend, wird die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei zugleich die Parole der Einheitsfront der Arbeiter gegen die Bourgeoisie zu popularisieren verstehen und auf diese Weise die Führer der Sozialdemokratie und der Zentristen, die in der Tat Agenten des Kapitals sind, endgültig in den Augen der rückständigen Arbeiter entlarven. Und zugleich sollen die Kommunisten der Tschechoslowakei an die Eroberung der Gewerkschaften, die sich noch immer in bedeutendem Umfang in den Händen der gelben Führer befinden, mit verstärkter Energie herangehen. 13. In Schweden ist nach den letzten Parlamentswahlen eine solche Situation entstanden, dass die kleine kommunistische Fraktion eine große Rolle spielen kann. Einer der hervorragendsten Führer der 2. Internationale, Herr Branting, der zugleich Premierminister der schwedischen Bourgeoisie ist, befindet sich gegenwärtig in einer Lage, in welcher für ihn zur Bildung der Parlamentsmehrheit die Stellung der kommunistischen Fraktion des schwedischen Parlaments nicht gleichgültig ist. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale findet, dass die kommunistische Fraktion des schwedischen Parlaments unter gewissen Umständen dem menschewistischen Ministerium Brantings die Unterstützung nicht verweigern darf, wie es auch die deutschen Kommunisten in einigen Landesregierungen Deutschlands (Thüringen) richtig getan haben. Das heißt jedoch durchaus nicht, dass die Kommunisten Schwedens in irgendwelchem Maße ihre Selbständigkeit einschränken oder der Entlarvung des Charakters der menschewistischen Regierung entsagen sollen; im Gegenteil, je mehr Macht die Menschewiki besitzen, desto mehr Verrat an der Arbeiterklasse begehen sie, und desto mehr Anstrengungen müssen die Kommunisten machen, um die Menschewiki in den Augen der breitesten Arbeiterschichten zu entlarven. Die Kommunistische Partei muss auch weiter auf dem Wege der Heranziehung der syndikalistischen Arbeiter zum gemeinsamen Kampf gegen die Bourgeoisie schreiten. 14. In Amerika beginnt die Vereinigung aller linken Elemente der gewerkschaftlichen und politischen Bewegung; diese Vereinigung gibt den Kommunisten die Möglichkeit, in die breiten Massen des amerikanischen Proletariats einzudringen, den zentralen Platz in dieser linken Vereinigung einnehmend. Mit Hilfe von kommunistischen Vereinigungen überall, wo es nur einige Kommunisten gibt, sollen die amerikanischen Kommunisten an die Spitze dieser Bewegung für die Vereinigung aller revolutionären Elemente treten und die Parole der Einheitsfront der Arbeiter, z. B. zum Schutze der Arbeitslosen usw., mit Nachdruck aufstellen. Zur Hauptanklage gegen die Gewerkschaften Gompers‘ soll von nun an der Umstand dienen, dass sie nicht an der Bildung der Einheitsfront der Arbeiter gegen die Kapitalisten zum Schutz der Arbeitslosen usw. teilnehmen wollen. Die spezielle Aufgabe der Kommunistischen Partei bleibt noch die Heranziehung der besten Elemente der IWW. 15. In der Schweiz hat unsere Partei einigen Erfolg in dieser Richtung zu verzeichnen. Dank der Agitation der Kommunisten für die revolutionäre Einheitsfront ist es gelungen, die Gewerkschaftsbürokratie zu zwingen, einen außerordentlichen Kongress einzuberufen, der bald stattfinden soll, und auf welchem unsere Freunde es verstehen werden, vor allen Schweizer Arbeitern die Lügenhaftigkeit des Reformismus zu entlarven und die Arbeit des revolutionären Zusammenschlusses des Proletariats weiter zu treiben. 16. In einer Reihe anderer Länder steht die Frage infolge ganz neuer lokaler Bedingungen anders. Nach Aufzeichnung der allgemeinen Linie ist die Exekutive der Kommunistischen Internationale überzeugt, dass die einzelnen kommunistischen Parteien sie entsprechend den Verhältnissen, die sich in jedem Lande herausbilden, anzuwenden verstehen werden. 17. Als Hauptbedingungen, die für die kommunistischen Parteien aller Länder gleich und unbedingt ultimativ sind, hält die Exekutive der Kommunistischen Internationale die absolute Selbständigkeit und die völlige Unabhängigkeit jeder kommunistischen Partei, die dieses oder jenes Übereinkommen mit den Parteien der 2. und 2½ Internationale trifft, und zwar volle Freiheit in der Darlegung ihrer Anschauungen und in der Kritik der Gegner des Kommunismus. Während die Kommunisten sich den Prinzipien der Aktion fügen, sollen sie dabei unbedingt das Recht und die Möglichkeit bewahren, nicht nur vor und nach der Aktion, sondern, wenn nötig, auch während der Aktion ihre Meinung über die Politik aller Organisationen der Arbeiterklasse ohne Ausnahme zu äußern. Ein Aufgeben dieser Bedingung ist unter keinen Umständen zulässig. Die Parole der größtmöglichsten Einheit aller Arbeiterorganisationen in jeder praktischen Aktion gegen die kapitalistische Front unterstützend, können die Kommunisten indessen keinesfalls von der Darlegung ihrer Anschauungen Abstand nehmen, die allein der konsequente Ausdruck der Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse als Ganzes sind. 18. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hält es für nützlich, alle Bruderparteien an die Erfahrungen der russischen Bolschewiki zu erinnern, jener vorläufig einzigen Partei, der es gelungen ist, den Sieg über die Bourgeoisie zu erringen und die Macht in ihre Hände zu nehmen. Während der 1½ Jahrzehnte, die seit der Entstehung des Bolschewismus bis zu seinem Sieg über die Bourgeoisie verflossen sind (1903-1917), hat der Bolschewismus nicht aufgehört, einen unermüdlichen Kampf gegen den Reformismus oder, was dasselbe ist, den Menschewismus zu führen. Aber zugleich haben die russischen Bolschewiki im Laufe dieser 1½ Jahrzehnte auch öfter Übereinkommen mit den Menschewiki getroffen. Die formelle Trennung von den Menschewiki geschah im Frühling 1905. Aber unter dem Einfluss der stürmischen Arbeiterbewegung bildeten die Bolschewiki schon Ende 1905 eine gemeinsame Front mit den Menschewiki. Das zweite Mal fand die formelle Trennung von den Menschewiki endgültig im Januar 1912 statt. Aber zwischen den Jahren 1905 und 1912 hatte man abwechselnd bald Spaltungen, bald Vereinigungen und halbe Vereinigungen in den Jahren 1906-1907 und auch 1910, und diese Vereinigungen und halben Vereinigungen geschahen nicht nur im Laufe des Fraktionskampfes, sondern auch unter dem direkten Druck der breiten Arbeitermassen, die zum aktiven politischen Leben erwachten und verlangten, dass man ihnen die Möglichkeit gebe, selbst an eigener Erfahrung zu prüfen, ob die Wege des Menschewismus wirklich grundsätzlich von der Bahn der Revolution ablenken. Vor der neuen revolutionären Bewegung, nach den Streiks an der Lena, kurz vor dem Beginn des imperialistischen Krieges, ließ sich unter der Arbeitermasse Russlands ein besonders starkes Streben zur Einheit beobachten, das die Führer und Diplomaten des russischen Menschewismus ungefähr ebenso für ihre Zwecke auszunutzen versuchten, wie es jetzt die Führer der 2., der 2½ und der Amsterdamer Internationale versuchen. Die russischen Bolschewiki antworteten nicht auf das Streben der Arbeiter zur Einheit mit einem Lossagen von einer Einheitsfront. Im Gegenteil. Als Gegengewicht gegen das diplomatische Spiel der menschewistischen Führer stellten die russischen Bolschewiki die Parole der „Einheit von unten“ auf, d. h. der Einheit der Arbeitermassen im praktischen Kampf um die revolutionären Forderungen der Arbeiter gegen die Kapitalisten. Die Praxis hat gezeigt, dass dies die einzig richtige Antwort war. Und im Ergebnis dieser Taktik, die sich je nach den Umständen, je nach der Zeit und dem Orte änderte, wurde ein großer Teil der besten menschewistischen Arbeiter für den Kommunismus erobert. 19. Indem die Kommunistische Internationale die Parole der Einheitsfront der Arbeiter aufstellt und Übereinkommen der einzelnen Sektionen der Kommunistischen Internationale mit den Parteien und Verbänden der 2. und 2½ Internationale zulässt, kann sie sich selbstverständlich nicht von ebensolchen Übereinkommen im internationalen Maßstabe lossagen. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hat der Amsterdamer Internationale im Zusammenhang mit der Hilfsaktion für die Hungernden Russlands einen Vorschlag gemacht. Sie hat diesen Vorschlag im Zusammenhang mit dem weißen Terror und den Verfolgungen der Arbeiter Spaniens und Jugoslawiens wiederholt. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale macht jetzt der Amsterdamer, der 2. und 2½ Internationale einen neuen Vorschlag im Zusammenhang mit der ersten Tätigkeitsperiode der Washingtoner Konferenz, die bewiesen hat, dass der internationalen Arbeiterklasse ein neues imperialistisches Gemetzel droht. Die Führer der 2., der 2½ und der Amsterdamer Internationale haben bisher durch ihr Benehmen bewiesen, dass sie in der Tat ihre Einheitsparole fallen lassen, wenn es sich um praktische Aktionen handelt. In allen solchen Fällen wird es die Aufgabe der Kommunistischen Internationale als Ganzes und jeder ihrer Sektionen im besonderen sein, den breitesten Arbeitermassen die Heuchelei der Führer der 2., der 2½ und der Amsterdamer Internationale zu erklären, die die Einheit mit der Bourgeoisie der Einheit mit den revolutionären Arbeitern vorziehen, und z.B. dadurch, dass sie im Internationalen Arbeitsamt des Völkerbundes bleiben, einen Bestandteil der Washingtoner imperialistischen Konferenz bilden, anstatt den Kampf gegen das imperialistische Washington zu organisieren. Aber ein Ablehnen dieser oder jener praktischen Vorschläge der Kommunistischen Internationale durch die Führer der 2., der 2½ und der Amsterdamer Internationale wird uns nicht veranlassen, der Taktik zu entsagen, die tiefe Wurzeln in den Massen hat, und die wir systematisch und unausweichlich entwickeln müssen. In den Fällen, wo der Antrag eines gemeinsamen Kampfes von unseren Gegnern zurückgewiesen wird, ist es notwendig, dass die Massen das erfahren und auf diese Weise lernen, wer der wirkliche Zerstörer der Einheitsfront der Arbeiter ist. In den Fällen, wo der Antrag von dem Gegner angenommen wird, muss man bestrebt sein, den Kampf allmählich zu vertiefen und ihn auf die höchste Potenz zu steigern. In beiden Fällen ist es notwendig, dass die Aufmerksamkeit der breiten Arbeitermassen durch die Unterhandlungen der Kommunisten mit den anderen Organisationen gefesselt wird, denn es ist notwendig, die Arbeitermassen an allen Stadien des Kampfes um die revolutionäre Einheitsfront der Arbeiter zu interessieren. 20. Indem die Exekutive der Kommunistischen Internationale den hier dargelegten Plan aufstellt, weist sie alle Bruderparteien auch auf die Gefahren hin, mit denen er unter Umständen verbunden sein kann. Nicht alle kommunistischen Parteien sind genügend ausgebaut und gefestigt, nicht alle haben mit der zentristischen und halbzentristischen Ideologie gänzlich gebrochen. Es sind Fälle von Überschreitungen möglich, Tendenzen, die tatsächlich die Auflösung der kommunistischen Parteien und Gruppen in einem einheitlichen formlosen Block bedeuten würden. Um die neue Taktik mit Erfolg für die Sache des Kommunismus durchzuführen, ist es notwendig, dass die kommunistischen Parteien, die diese Taktik durchführen, stark und fest zusammengeschlossen sind, und dass ihre Führung sich durch ideelle Klarheit auszeichnet. 22. In den Gruppierungen innerhalb der Kommunistischen Internationale selbst, die mehr oder weniger begründet als rechte oder sogar halbzentristische gewertet werden, gibt es zweifellos Tendenzen zweierlei Art. Die einen Elemente haben nicht wirklich mit der Ideologie und den Methoden der 2. Internationale gebrochen, haben sich nicht von der Pietät gegen die frühere organisatorische Macht derselben befreit und suchen halbbewusst oder unbewusst die Wege ideeller Verständigung mit der 2. Internationale und folglich auch mit der bürgerlichen Gesellschaft, Andere Elemente, die gegen den formalen Radikalismus, gegen die Fehler der so genannten „Linken“ u. a. kämpfen sind bestrebt, der Taktik der jungen kommunistischen Partei mehr Geschmeidigkeit und Manövrierfähigkeit zu geben, um ihr die Möglichkeit schnelleren Eindringens in die Tiefe der Arbeitermassen zu sichern. Der rasche Entwicklungsgang der kommunistischen Parteien hat bisweilen äußerlich diese beiden Tendenzen in dasselbe Lager, gewissermaßen dieselbe Gruppierung gestoßen. Die Anwendung der oben angeführten Methoden, deren Aufgabe es ist, der kommunistischen Agitation eine Stütze in den vereinigten Massenaktionen des Proletariats zu geben, legt am besten die wirklich reformistischen Tendenzen innerhalb der kommunistischen Parteien klar und trägt bei richtiger Anwendung der Taktik außerordentlich zur inneren revolutionären Konsolidierung der kommunistischen Parteien bei, sowohl durch die Erziehung der ungeduldigen oder sektiererisch gestimmten Elemente auf dem Wege der Erfahrung als auch durch die Reinigung der Parteien von reformistischem Ballast, 23. Unter der Einheitsfront der Arbeiter ist die Einheit aller Arbeiter zu verstehen, die gegen den Kapitalismus kämpfen wollen, also auch der Arbeiter, die noch den Anarchisten, Syndikalisten usw. folgen. In manchen Ländern können solche Arbeiter auch im revolutionären Kampfe mithelfen. Die Kommunistische Internationale hat schon seit den ersten Tagen ihres Bestehens eine freundschaftliche Linie zu diesen Arbeiterelementen eingenommen, die allmählich die Vorurteile überwinden und zum Kommunismus kommen. Umso aufmerksamer müssen die Kommunisten ihnen gegenüber sein, jetzt, wo die Einheitsfront der Arbeiter gegenüber den Kapitalisten zur Wirklichkeit wird. 23. Zur endgültigen Bestimmung der künftigen Arbeit in der geschilderten Richtung beschließt die Exekutive der Kommunistischen Internationale, in nächster Zeit eine Sitzung der Exekutive unter Heranziehung von Vertretern der Parteien in doppelter Anzahl einzuberufen. 25. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale wird sorgfältig jeden praktischen Schritt auf dem fraglichen Gebiet verfolgen und bittet alle Parteien, von jedem Versuch und jedem Erfolg auf diesem Gebiete der Exekutive der Kommunistischen Internationale unter Anführung von allen faktischen Details Mitteilung zu machen.
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