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Fritz Heckert 19210703 Koreferat zur Gewerkschaftsfrage

Fritz Heckert: Koreferat zur Gewerkschaftsfrage

in der 15. Sitzung des Dritten Kominternkongresses, 3. Juli 1921 nachmittags

[Nach Protokoll des III. Kongresses der Kommunistischen Internationale. Hamburg 1921. Reprint Band 2, S. 690-707]

HECKERT. Genossen! Wenn wir an das Problem herangehen: was haben die Kommunisten in den Gewerkschaften zu tun, und was haben die Gewerkschaften überhaupt zu tun, ist es notwendig, dass wir uns ganz klar die Frage stellen, welche Aufgaben haben denn die Gewerkschaften überhaupt gehabt, und, zweitens, die Frage, was können in der gegenwärtigen Periode die Gewerkschaften tun, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Als man die Gewerkschaftsverbände gründete, da war die Frage, – was haben die Gewerkschaften zu tun, ganz eindeutig und klargestellt. Den Kampf der Arbeiter für verbesserte Lohn- und Arbeitsbedingungen zu führen, – das war die Aufgabe, das Ziel, das die Gewerkschaften erreichen wollten; verbesserte Lohn- und Arbeitsbedingungen, das konnte nach Meinung der einen innerhalb der kapitalistischen Ordnung erreicht werden und, nach Meinung der anderen, war das Ziel der Erreichung gesunder Lohn- und Arbeitsbedingungen innerhalb der kapitalistische Ordnung nicht möglich. Und darum gab es von vornherein in der Gewerkschaftsbewegung zwei Strömungen: die eine, die sich mit der Existenz der kapitalistischen Ordnung, innerhalb der der Gewerkschaftskampf geführt werden sollte, abfand, und die andere, die erklärte, es ist eine wirkliche Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen innerhalb der kapitalistischen Ordnung nicht möglich, man muss auf den Sturz der Kapitalisten hinwirken.

Wir müssen uns das alles bei unseren gegenwärtigen Betrachtungen: welche Aufgabe die Gewerkschaften haben ,– vor Auge halten. Ist es möglich, dass das Problem der einen, die da erklärten, innerhalb der kapitalistischen Ordnung sei es möglich, bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erreichen, gelöst werde, oder ist das nicht möglich. Und zum anderen: was haben die Gewerkschaften zu tun, wenn es nicht mehr möglich ist, innerhalb der kapitalistischen Ordnung bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erstreiten. Wir Kommunisten untersuchen darum die wirtschaftliche Situation, die gegenwärtig auf der Erde herrscht. Das ist ja schon auf diesem Kongress getan und reichlich darüber diskutiert worden. Jedes Wort erübrigt sich. Wir wissen, dass nach Beendigung des Weltkrieges die kapitalistische Wirtschaftsordnung in ihren Grundfesten erschüttert wurde. Es ist lediglich eine Frage, wie lange es dauert, bis der Auflösungsprozess innerhalb der kapitalistischen Ordnung zu einer Katastrophe führt, auch ohne organisierten Ansturm der Arbeiterbataillone; nun ist es aber eine Tatsache, dass, wenn die kapitalistische Wirtschaft sich in Auflösung befindet, wenn diese Wirtschaftsordnung auf der einen Seite Arbeitslosigkeit in dem riesigsten Umfange geboren hat, und auf der anderen Seite ein kolossaler Hunger nach Waren herrscht, nicht die Möglichkeit besteht, diesen Hunger nach Waren zu befriedigen, weil die große konsumierende Bevölkerung nicht im Besitz der Mittel ist, sich diese Waren anzueignen. Da fragen wir, wenn die Dinge so sind, was müssen die Gewerkschaften jetzt in dieser Periode der Krise tun? Sollen wir warten, bis irgend ein Wunder geschieht, das ihnen ermöglicht, bei einem eventuellen Aufleben des Kapitalismus innerhalb dieser kapitalistischen Wirtschaftsordnung noch einmal 50 oder 60 Jahre einen Kampf um Verbesserungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen führen? Oder ist es nicht zugleich auch die Aufgabe der Gewerkschaften, diese Krisis des Kapitalismus, die nicht eine vorübergehende, sondern eine dauernde sein wird, auszunützen, um dieses kapitalistische System zu stürzen? Und von der Beurteilung dieser Konsistenz der kapitalistischen Ordnung, von dem Glauben daran ausgehend, ob der Kapitalismus einerseits noch lebensfähig und wiederaufbaufähig ist, oder ob er andererseits unter allen Umständen gegenwärtig schon überwunden werden muss, muss man sich taktisch einstellen. Und wir haben da zwei ausgeprägte Richtungen. Die kommunistische Richtung, die erklärt, der verfaulende Kapitalismus kann der Arbeiterklasse nur den Tod bringen, je länger dieser Kapitalismus noch besteht. Schneller und organisierter Kampf zur Schaffung eines anderen Gesellschaftssystems, so sagen wir. Aber die Sozialpatrioten erklären: wir müssen erst den Kapitalismus lebensfähig machen.

Es wurde schon in den Ausführungen des Genossen Radek darauf hingewiesen, dass Gewerkschaftsführer und sozialpatriotische Führer die Legende verbreiten, als könnte der Sozialismus, der Kommunismus überhaupt nur bestehen, wenn die kapitalistische Ordnung eine Überfülle des Reichtums hinterlasse. Nun ist es aber so, dass diese Überfülle nicht vorhanden ist und dass eine Überfülle von Reichtum unserer Anschauung nach nur für eine Minderheit von Menschen geschaffen werden könnte, und diese Überfülle müssten Millionen von Arbeitern mit ihrem Leben, ihrem Glück, ihrer ganzen Existenz bezahlen. Wir lehnen daher die Gedanken der Arbeitsgemeinschaft ab, nach denen wir den kapitalistischen Steinbruch erst wieder reparieren müssten, damit etwas zu sozialisieren ist. Ich will nicht über den Kampf, den die Kommunisten gegen diese arbeitsgemeinschaftlichen Ideen geführt haben, sprechen, dazu reicht nicht die Zeit. Ich kann alle die Dinge nur andeuten. Was haben wir nun in dieser Periode zu tun?

Wir sagen: Die Gewerkschaftsorganisationen, selbst wenn sie nur den Kampf für die Erhaltung der Arbeiterexistenz führen, müssen einen revolutionären Kampf führen. Die Zersetzung der kapitalistischen Ordnung gestattet nicht mehr, dass die Arbeitsexistenz erhalten wird. Darum können wir uns in unserem Kampf zur Verteidigung unserer Existenz auch nicht mehr auf die Mittel beschränken, die in der Vorkriegszeit angewendet worden sind, sondern wir müssen daran denken, auch andere Kampfmittel einzusetzen, und da sagen wir Kommunisten schlankweg: Alle Mittel, die dazu dienen, den Kapitalismus so schnell wie nur irgend möglich zu zerstören, aufzulösen, abzuschaffen, um einem neuen Gesellschaftssystem den Boden zu bereiten, sind Mittel, die auch die Gewerkschaften anwenden müssen. Diese können nur ihre Aufgabe in der Verschärfung der Aktion zur Zerstörung des kapitalistischen Systems erfüllen: also von dem gewöhnlichen Lohnstreit gegen einen einzelnen Unternehmer bis zum Generalstreik gegen die ganze kapitalistische Unternehmergruppe eines Staates mit Demonstrationen und letzten Endes mit einem bewaffneten Aufstand gegen die ökonomischen wie politischen Gewalten gilt es von Seiten der gewerkschaftlichen Organisation anzustreben. Aber wenn wir uns in unseren Gewerkschaftsorganisationen umschauen, sagen wir uns: taugen diese Organisationen in der Form, wie wir sie jetzt haben, dazu, diese ihre Aufgabe zu erfüllen? Da müssen wir sagen: Ihre Form ist nicht gerade die zweckentsprechendste, sie ist eine in der Entstehungsperiode des Kapitalismus angenommene Form.

Wir haben zwar gesehen, dass mit dem Wachsen des kapitalistischen Systems auch die einzelnen Fachorganisationen, die erst lokal waren, sich mehr und mehr zentralisierten und wie jetzt Zentralorganisationen entstanden sind. Aber, Genossen, der Kapitalismus hat nicht nur eine solche Entwicklung durchgemacht, dass das Unternehmertum in einem Lande aus einem Agrarland einen Industriestaat schuf und die einzelnen Fachgruppen mehr und mehr miteinander in Verbindung brachte, sondern wir haben erlebt, wie innerhalb dieser kapitalistischen Wirtschaft Riesenkräfte entstanden sind, in denen Arbeiter der verschiedensten Berufsgruppen, 20 bis 30 Gruppen, in einem Werk beschäftigt werden. Und wenn nun die Arbeiter, sagen wir, z. B. in einem so großen Werk wie bei Armstrong oder bei Stinnes, in den Kampf treten, um ihre Lebensexistenz zu verbessern, so finden wir die Arbeiter in einer ganzen Anzahl verschiedener Berufsgruppen zersplittert, und es ist schwer, diese Arbeiter zu einem einheitlichen Kampf zu bringen.

Und das beweist uns, dass die gegenwärtige Form der Gewerkschaften nicht so weit entwickelt ist, wie die Struktur der kapitalistischen Ordnung, die wir vorfinden. Es muss also in den Gewerkschaften ein neuer Konzentrationsprozess vor sich gehen, ganz gleichgültig, wie die Gewerkschaften auch sind.

Es muss versucht werden, die Arbeiter, die in einem Betrieb beschäftigt sind, zusammenzufassen. Unsere russischen Genossen haben ja, als sie vor das Problem gestellt wurden, Gewerkschaftsverbände zu schaffen, die den modernen Bedingungen angepasst sind, keine lokalen und Fachorganisationen geschaffen, sondern sie schufen große zentralisierte Organisationen, die auf Produktionszweige aufgebaut sind und fassten die Arbeiter zusammen in den Betrieben und Werkstätten, dort, wo gearbeitet wird, wo der Betrieb als die Zelle der Organisation gilt, und wo diese verschiedenen Fabriken und Werkstätten ein und desselben Produktionszweiges zusammengefasst sind zu Zentralorganisationen des Landes. Das ist nach Meinung der Kommunisten die Form der Gewerkschaften, die wir benötigen, um in dieser Periode des Kapitalismus, in der wir leben, unsere Aufgaben erfüllen zu können. Und darum ist die Frage des direkten Kampfes zum Sturz der kapitalistischen Ordnung nicht nur eine Frage um den Inhalt der gewerkschaftlichen Organisation, sondern auch die Frage nach ihrer Organisationsform.

Aber eins sehen wir. Die Organisationsform, sie muss einen Inhalt in sich aufnehmen können, der den tatsächlichen Zuständen in der kapitalistischen Ordnung und den Bedürfnissen des Klassenkampfes der Arbeiter gegen den Kapitalismus entspricht. Die Kapitalisten haben ihre Macht außerordentlich stark vereinigt. Ich erinnere nur an solche Kapitalisten wie Stinnes, um sofort den Beweis zu haben, dass man gegen solch eine Kraft mit einer Summe kleiner föderierter Organisationen nicht ankämpfen kann.

Die Zentralisierung der gewerkschaftlichen Kräfte wird uns aufgenötigt durch die zentralisierte Kraft des Kapitals. Es wäre blödsinnig, gegen solche harte Tatsachen anstreiten zu wollen; wir werden, wenn wir ihnen nicht die gleiche zentralisierte Kraft der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft entgegensetzen können, immer unterliegen, und damit ist jedem Föderalismus das Todesurteil gesprochen. Was die deutschen Syndikalisten predigen und was die Gedankengänge vieler Syndikalisten in Frankreich und in anderen Ländern ausmacht, ist unmöglich. Der Zentralismus der Gewerkschaften ist die Vorbedingung für unseren Sieg.

Wir haben in den letzten Tagen in den Zeitungen gelesen, dass sich die Entente mit Deutschland darüber auseinandersetzt, wie der Friedensvertrag von Versailles erfüllt werden soll. Da wurde offen erklärt, Walter Rathenau, früher hieß es Stinnes, solle sich mit Loucheur zusammensetzen und, unbeeinflusst von anderen Kräften, darüber die Meinung austauschen, wie es möglich sei, dass Deutschland, d. h. die deutsche Arbeiterklasse, gegenüber dem englischen und französischen Imperialismus die Pflichten des unterlegenen deutschen Kapitals erfülle. Wie lächerlich ist es, wenn dann noch behauptet wird, dass, wenn in Deutschland und Frankreich die Kapitalsriesen, zwei Menschen an der Lösung der Frage arbeiten, die Arbeiter in ihrem Sinne diese Fragen lösen können, wenn sie in Lyon und Brest, in Posemuckel und Trippstrill selbständig ohne Zentralisation an die Aufgabe herangehen. Wie lächerlich ist es, den Gedanken zu predigen, in jeder Fabrik müsse die Autonomie von kleinen Betriebsorganisationen sein, wie das Otto Rühle will. Über solche Unmöglichkeiten, die lächerlich wirken, dürfen wir nicht mehr streiten. Wir müssen unsere Kraft einsetzen, um die revolutionären Arbeiter zu überzeugen, dass es ein Fehler ist, wenn sie meinen, man könne ohne Zentralismus auskommen, es sei noch möglich, dem Kapitalismus anders beizukommen als durch die organisierte Kraft der Arbeiter.

Wenn wir sagen, dass innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung es nicht mehr möglich ist, Verbesserungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erreichen, dann könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass es nicht mehr notwendig sei, für diese Verbesserung zu kämpfen und alles auf den Tag und die Stunde, wo der Kapitalismus über den Haufen geworfen wird, konzentriert werden müsse. Es gibt in Deutschland, in Frankreich und Amerika noch viele Elemente, die solche Gedankengänge als revolutionär verzapfen. Der Kapitalismus kann leider nicht in einer Stunde über den Haufen geworfen werden, die Überwindung der kapitalistischen Produktionsordnung hängt von Umständen ab, die wir alle beachten müssen. In der Periode, wo die Kräfte der Arbeiterklasse zum letzten Sturm gegen den Kapitalismus gesammelt werden, finden wir, dass noch mancher Tag und manche Stunde vergeht, wo die Arbeiter täglich Leid erfahren. Da gilt es, den täglichen Kampf um die Milderung dieser Nöte fest in das Bewusstsein der Massen zu rücken, dass der Arbeiter den Kampf um die Linderung der täglichen Nöte, und nicht nur einen Kampf darum, sondern auch gleichzeitig den Kampf um die Organisierung der Kräfte, um die Zentralisation der ganzen proletarischen Macht führen muss, um den Kapitalismus zu überwinden. In der Periode, in der wir leben, ist es tatsächlich so, dass auch der kleinste Kampf größte Auswirkungen haben wird. Wir sagen darum, die kommunistischen Gewerkschaftler und die Kommunisten in der Gewerkschaftsbewegung haben nicht nur die Aufgabe darauf hinzuweisen, dass man den Kapitalismus zerstören muss, sondern sie müssen an all den kleinen Kämpfen zur Linderung der Not, an all den kleinen Arbeiten teilnehmen, die notwendig sind, die Arbeitermasse zu sammeln und ihnen Vertrauen einzuflößen. Wir stehen vor einem Problem. Der kapitalistische Fäulnisprozess hat Millionen von Arbeitern aus dem Produktionsprozess herausgeworfen, hat sie arbeitslos gemacht. Können die Arbeitslosen so lange warten, bis der Kapitalismus über den Haufen geworfen ist, ehe die anderen Arbeiter sich um ihre Not kümmern? Da muss jeder sagen: nein! Und darum besteht für uns, Gewerkschaftler, die Aufgabe: Kampf für die Eingliederung dieser Arbeitslosen in den Produktionsprozess führen, damit sie leben können. Das ist ein harter Kampf. Ein schwieriger Kampf. Und zwar deswegen hart und schwierig, weil wir diesen Kampf nicht allein mit den Arbeitslosen führen können, weil in diesem Kampf zur Eingliederung der Arbeitslosen in den Produktionsprozess die Arbeitslosen sogar für die Vereinigung der Kräfte des Proletariats in gewissem Grade ein hemmender Faktor sind. Wir müssen bedenken, dass die kapitalistische Ordnung nicht mehr die Arbeitskräfte braucht. Und all die Millionen, die noch im Produktionsprozess bleiben, haben Angst, sie könnten am anderen Tage hinausgeworfen werden. Der Unternehmer hat die Möglichkeit, mit einer entstandenen Reservearmee von Arbeitern auf die zu drücken, die noch im Produktionsprozess stehen. Er droht, er werde den Lohn herabsetzen, denn vor den Fabriktoren ständen Tausende von Arbeitern, die er benutzen könne. Darum müssen wir an die herangehen, die noch im Produktionsprozess stehen, wenn wir das Arbeitslosenproblem lösen wollen und müssen ihnen sagen: der Kampf für die Eingliederung der Arbeitslosen in den Produktionsprozess, das ist der wichtigste Kampf, den wir, Arbeiter, führen müssen, denn es ist der Kampf zur Verteidigung eurer Lebensexistenz, und wenn ihr den Arbeitslosen nicht helft, werdet ihr arbeitslos werden, wenn ihr ihnen nicht helft, dann werdet ihr nichts zu essen bekommen. Mit ihnen wird man euch den Lohn herunterdrücken. Die erste Aufgabe, die wir zu erfüllen haben, ist ein Kampf für die arbeitslosen Brüder. In der Werkstätte muss dieser Kampf geführt werden. Das ist ganz klar. In den Werkstätten, dort wo die Arbeiter arbeiten, dort muss es ihnen zum Bewusstsein gebracht werden, und noch aus einem anderen Grunde muss es ihnen zum Bewusstsein gebracht werden, nämlich aus dem: Die Wirtschaft ist doch das, wovon wir uns erhalten und wenn die Wirtschaft stockt, wenn sie nicht vorwärts geht, werden wir nichts zu essen haben, zum mindesten weniger zu essen. Und weil der Arbeiter nicht damit einverstanden sein kann, arbeitslos zu werden, nicht nur, weil es schlecht ist, arbeitslos zu werden, sondern weil es gleichzeitig eine Vernichtung der Wirtschaft bedeutet, darum muss sich der Arbeiter mit ganzer Kraft gegen die Stilllegung von Betrieben, gegen die Entlassung von Arbeitern wenden, weil bei dem gegenwärtigen Warenhunger, der vorhanden ist, jede Einschränkung der Produktion eine Verschlechterung der Lebenssituation bedeutet, eine noch größere Unmöglichkeit, einigermaßen gesund sein Leben fortsetzen zu können. Gewiss, das Problem der Arbeitslosigkeit lässt sich erst lösen mit dem Sieg der sozialen Revolution, mit der Aufrichtung der proletarischen Diktatur. Aber in dem lebendigen Kampf für die Interessen der Arbeiterschaft werden die Millionen von Arbeitern, die nichts von der proletarischen Diktatur wissen wollen, die nichts von der sozialen Revolution als Lebensnotwendigkeit für die Erhaltung der Wirtschaft und die Erhaltung der Arbeiterklasse begriffen haben, dies erst kennen lernen.

Wir sehen, Genossen, dass das Arbeitslosenproblem nicht nur uns beschäftigt. Die Amsterdamer müssen sich, und zwar schon lange, damit beschäftigen, und es ist immerhin angebracht, an zwei Beispielen will ich es zeigen, welche Gedanken sie sich über die Lösung des Problems machen. Der Gewerkschaftsredakteur des „Vorwärts", Dr. Striemer, redete in einer Versammlung in Spandau vor ungefähr zwei Monaten über das Problem der Arbeitslosigkeit. Er sagte: Alles, was die Kommunisten darüber sagen, ist Unsinn. Es würde gar keine Arbeitslosigkeit geben, wenn man die Arbeitslosen auf dem Lande angesiedelt hätte, wenn man die Siedlungen fördern würde. Es ist natürlich lächerlich, einen solchen Gedanken auszusprechen. Aber die Leute, die zwei Jahre lang nur gesagt haben, sie allein helfen den Arbeitslosen, und die doch nicht geholfen haben, sie müssen jetzt Mittel gegen die Arbeitslosigkeit empfehlen, und da kommen sie auf so unsinnige Mittelchen, wie Doktor Striemer sie empfiehlt.

Ein Mitglied des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, Ernst Schulz, der die Gewerkschaftsorganisationen in Halle störte, weil dort die Kommunisten tonangebend waren, sagte: Dass wir eine Arbeitslosigkeit haben, liegt daran, dass die Menschen in ihrer Erzeugung keine Ökonomie gehabt hätten. Sie hätten sich wie die Kaninchen vermehrt, wir müssten also zu einer weisen Ökonomie der Menschenerzeugung kommen. Das sagt solch ein Mensch nach dem Weltkrieg, der 16 Millionen Menschen verschlungen hat. Das sagt er, obwohl vor dem Weltkrieg ein Mangel an Arbeitskräften in den kapitalistischen Staaten geherrscht hat. Dieser Sozialist hat alles vergessen, was wir gelernt haben, was vor dem Kriege Tatsache war; er hat vergessen, dass der Krieg 16 Millionen Menschen umgebracht hat. Seine Ausführungen sind nur eine Rechtfertigung für einen neuen Krieg, wo man noch einmal 16 Millionen abschlachtet, eine Rechtfertigung für solche Leute, wie Prof. Gruber und Genossen, die erklärten, in Deutschland sind 15 Millionen Menschen zu viel, die müssen auswandern oder sterben, sonst wird der Kapitalismus nicht mehr leben.

Also bei den Amsterdamern denken die Spitzen daran, wie retten wir die Wirtschaft vor dem Untergang, wie machen wir die Arbeitslosenfrage zu einer Frage, die uns nicht mehr drückt. Und sie kommen zu derselben Lösung, wie die Kapitalisten, entweder auswandern – nur wissen sie nicht wohin – oder sterben, weil zu viel Menschen produziert werden. Es werden die alten Gedanken von Malthus wieder aufgewärmt und uns als die neuesten Ergänzungen marxistischen Gedankeninhalts präsentiert.

Die Unternehmer schließen aber die Betriebe in der gegenwärtigen Periode nicht nur deshalb, weil ihre Wirtschaft einen Knacks bekommen hat, sondern um sie von revolutionären Elementen zu reinigen, die unter den Arbeitern der Betriebe sind. Und zu welchem Zweck? Sie wissen ganz genau, dass der Krieg ihrem gesellschaftlichen System einen Stoß ins Herz versetzt hat, der dem Kapitalismus das Gesunden nicht ermöglicht, wenn eine bolschewistische Welle weiter über die Erde hin schreitet und die Revolution zu einer Wirklichkeit werden lässt. Darum sagt sich der Kapitalist: Ich werde dafür sorgen, dass derjenige, der den Arbeiter mutig macht und ihm sagt, du darfst nicht ohne Widerstand untergehen, aus dem Betrieb hinauskommt; er schmeißt ihn hinaus.

Und so wird die Krise, die durch die kapitalistische Wirtschaft geht und Arbeitslosigkeit bringt, verschärft durch Aktionen des Kapitals, das die Fabriken in dieser großen Krise schließt, um sie von revolutionären Elementen zu reinigen, die revolutionären Elemente von der Arbeiterklasse abzusondern, um sie durch die Not und das Elend in das Lumpenproletariat sinken zu lassen, und wenn sie dann auf die Straße ziehen, mit Maschinengewehren auf sie schießen zu lassen, wie es nicht nur in Spanien geschieht, sondern das ist die Praxis, die in allen Ländern geübt wird. Genossen, welche Mittel sollen wir anwenden, um zu verhindern, dass der Kapitalismus etwas derartiges gegen uns tut? Es ist notwendig, dass wir die gewerkschaftlichen Kräfte, die wir haben, ausnutzen, und zwar nicht erst ausnutzen, wenn die Gefahr ihren Höhepunkt erreicht hat, sondern sofort. Wir müssen sofort, wenn die Unternehmer etwas zu unternehmen gedenken, versuchen, einen Gegenstoß zu machen. Und nicht nur das, wir müssen nicht nur einen Gegenhieb versuchen, wenn der Unternehmer uns schlagen will, sondern unaufhörlich zum Kampfe rüsten, damit der Unternehmer in die Defensive gedrängt wird, so dass er nicht mehr die Initiative des Handelns gegen uns hat. Und das hat wiederum zur Voraussetzung, dass wir, Arbeiter, unsere Kraft vereinigen. Ich möchte zwei Dinge hier anführen, die es notwendig machen, den geschlossenen Kampf gegen das Unternehmertum zu führen. In Deutschland z. B., – und auch in Österreich und in anderen Ländern ist das der Fall gewesen – haben die Kapitalisten, als sie die Produktion nicht mehr fortsetzen konnten, einfach den Abbruch der Produktionsmittel zu einer Verdienstquelle gemacht. Denn der Kapitalist produziert nicht, damit die Menschen etwas zu leben haben, er produziert, um zu verdienen. Verlohnt sich die Produktion nicht mehr, verlohnt sich vielleicht der Abbruch der Produktionsmittel. Unzählige Ziegeleien sind in Deutschland abgebrochen worden. Die deutsche Zuckerindustrie ist weit unter den Vorkriegszustand heruntergebracht worden. Und was ist dadurch geschehen? Einer großen Anzahl von Arbeitern ist die Möglichkeit genommen, überhaupt wieder in diesem Produktionszweige zu arbeiten, denn es ist der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit genommen, aus dieser Krise wieder aufsteigen zu können, selbst dann, wenn wir den Kapitalismus überwinden. Was nutzt uns z. B. ein Sieg über den Kapitalismus, wenn der Kapitalismus zuvor alle Produktionsinstrumente zerstört?

Es ist notwendig, dass wir ihn daran hindern, etwas Derartiges zu tun. Aber um das, zu verhindern, brauchen wir natürlich die stärkste Kraft der Arbeiterklasse, den aktiven Kampf auf der ganzen Front. In Italien z. B., haben wir gesehen, was die Arbeiter in solchen Situationen tun, wenn der Unternehmer einfach die Produktion sabotiert; es ist auch in anderen Ländern vorgekommen. Ich meine die Betriebsbesetzungen, durch die die Arbeiterschaft verhindern will, dass die Produktion stillgelegt wird, die Produktionsmittel abgebrochen und ins Ausland verkauft werden, dass die Unternehmer eine Auslese unter den Arbeitern halten usw. Aber, Genossen, ist die Betriebsbesetzung denkbar als ein lokales auf eine gewisse Dauer beschränktes Kampfmittel gegen die Unternehmer, wie es z. B. die italienische Gewerkschaftsbürokratie gepredigt hat? Das ist etwas, was absolut unmöglich ist. In dem Moment, wo die Arbeiter dazu übergehen, die Betriebe und Werkstätten zu besetzen, um sie gegen die Kapitalisten zu verteidigen, erwächst für die gesamte Arbeiterklasse die Notwendigkeit, diese Arbeiter zu verteidigen. Denn das ist mehr als ein kleiner gewerkschaftlicher Kampf, den kann man nur auf die Dauer von wenigen Tagen führen. Was ergibt sich aus einer Betriebsbesetzung, wenn sie lokal ist? Wenn es eine lokale Besetzung ist, so muss man damit rechnen, dass die Polizei kommt und die Arbeiter mit Maschinengewehren aus den Betrieben hinaus jagt. Eine Woche ist es möglich, aber dann stockt die Produktion, weil keine Zufuhr von Material erfolgt, weil die Banken kein Geld auszahlen, die Arbeiter also keine Löhne bekommen können. So kann man eine lokale Fabrikbesetzung für wenige Tage durchführen, aber das würde der Schutz der Arbeiter für die Fabriken der Unternehmer sein, und dazu brauchen sich die Arbeiter wahrhaftig nicht herzugeben. Es muss also den Arbeitern einleuchten, wenn schon ein Mittel angewandt wird zur Verteidigung der Existenz der Arbeiter, so muss auch die Kraft weiter ausgenutzt werden, um den Arbeitern Geld zuzuführen, damit die Löhne ausgezahlt werden können, damit den Fabriken Heizmaterial und Rohstoffe zugeführt werden, es müssen Verbindungen aufgenommen werden zwischen Stadt und Land, so dass ein Austausch von landwirtschaftlichen und industriellen Produkten erfolgen kann. Wir sehen also, wenn der Arbeiter die Produktion schützen will, so entwickelt sich daraus gleich der mächtigste Klassenkampf, den man sich nur denken kann. Das ist als lokales Ereignis nicht denkbar, denn da würden sofort die Maschinengewehre, Zuchthaus usw. kommen, um die Arbeiter niederzuringen. Genossen, wir müssen aber den Kampf der Arbeiterklasse im Allgemeinen schüren, damit noch in der kapitalistischen Ordnung, in der wir leben, die Löhne erhöht, die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Es werden viele sagen, das geht nicht. Gewiss, das geht nicht an, der Kapitalismus kann das nicht ertragen. Das sagen auch die Amsterdamer. Wir haben das in Deutschland alle Tage zu hören bekommen, auch von den Sozialdemokraten unabhängiger Richtung, die uns sagen, es ist nicht möglich, einen Streik zu führen, der Unternehmer kann nicht zahlen, weil der Arbeitsertrag das nicht zulässt usw. Und wir haben direkt ein großes geschichtliches Dokument bekommen für den vollständigen Bankrott der Amsterdamer, die innerhalb der kapitalistischen Ordnung für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen streiten wollen. Am 30. April d. J. haben sich in London die Führer der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale versammelt, um zu beraten, wie es möglich sei, ohne Waffengewalt in den verschiedenen Ländern die Verpflichtungen der Friedensverträge von Versailles zu erfüllen. Da wurde von französischen und englischen Gewerkschaftsführern erklärt, die Deutschen sollten ihre ganze Kraft einsetzen, damit die deutsche Regierung all ihre Verpflichtungen pünktlich erfüllt und die deutschen Gewerkschaftsführer erklärten, die anderen sollen sich verpflichten, dass ihre Regierungen keine Truppen in Deutschland einmarschieren lassen, dann würden die deutschen Arbeiter ihre Pflichten erfüllen. So dienen die Amsterdamer der Bourgeoisie, so helfen sie bei der Knebelung der Arbeiterklasse.

Aber solche Dinge haben ihre Konsequenzen. Beim Kohlenabkommen von Spaa hat es sich gezeigt. Da wurden die deutschen Bergarbeiter gezwungen, und der Abgesandte der „Confédération Générale du Travail", Jouhaux, kam nach Deutschland und sagte den deutschen Bergarbeitern: Arbeitet fest, macht Überstunden, das französische Volk wird es euch danken. Die deutschen Bergarbeiter ließen sich verlocken, Überstunden zu machen, und was war der Erfolg? In Frankreich und Belgien, wurden die Bergleute arbeitslos, Schächte wurden stillgelegt, den Arbeitern wurde die Möglichkeit genommen, ihre Lebenshaltung zu verteidigen, die Bergleute in England wurden in die schlechteste materielle Position gebracht und den Unternehmern dieser Länder wurde es möglich, ihre eigene Arbeiterschaft niederzuhalten, indem sie durch die Gewerkschaftsführer dieser Länder die deutschen Arbeiter zur Mehrarbeit veranlassten.

Wir sehen hier große Zusammenhänge, die in der Gewerkschaftsbewegung nicht außer acht gelassen werden dürfen und uns zwingen, die Konsequenzen auf uns zu nehmen. Welche Lehren ergeben sich für uns Kommunisten aus dem Kohlenabkommen? Es müssen sich die deutschen, französischen, englischen, belgischen Bergleute zur gemeinsamen Verteidigung ihrer Lebensbedingungen verbinden. Damit ist schon der Rahmen der nationalen Autonomie gesprengt. Die Anerkennung der nationalen Organisationen, die tun können, was sie wollen, bedeutet schon den Untergang dieser Arbeiterkategorien in dieser Periode. Deshalb müssen wir sagen: die Zeit ist vorbei, wo die Arbeiter nur national organisiert sein können, wo die internationale Solidarität nur ein Kongressgelöbnis ist. Es ist die zwingende Notwendigkeit, uns im Kampfe der Lebenslage der Arbeiter schon jetzt international zu verbinden.

Weiter ist zu sagen: In dem Maße, in dem die kapitalistische Wirtschaft in dem einen oder dem anderen Produktionszweige erschüttert wird, wird die Kapitalistenklasse das ausnützen und versuchen, die Arbeiterklasse zu spalten, einen Teil auf ein tiefes Niveau herabzudrücken, um ihn gegen die anderen Teile der Arbeiterklasse auszuspielen. Ein Beispiel geben die Textilarbeiter. In verschiedenen Ländern herrscht eine große Krisis. Die Menschen können keine Kleidung kaufen, deshalb werden die Textilarbeiter arbeitslos. Die Krise ist so groß, dass sie nicht imstande sind, mit Erfolg zu kämpfen. Daraus ergibt sich die Lehre, es muss den Arbeitern gesagt werden, dass sie zusammen mit denen in den Kampf treten müssen, die sich nicht allein verteidigen können. Nicht, um eine Humanität, um eine weitläufige Solidarität zu beweisen, sondern, damit sie, wenn sie in einer ähnlichen Situation die Hilfe der anderen brauchen, diese Hilfe erhalten, und dass sie verhindern, in eine solche Situation zu kommen. Wenn die Lage der Textilarbeiter, Bauarbeiter usw. heruntergeht, dann ist es den Kapitalisten möglich, auch die Lebenslage der anderen Arbeiter herabzudrücken. Hier zeigt sich die ganze Bedeutung des Verbrechens, das an dem bekannten schwarzen Freitag in England geschehen ist. Das Unternehmertum hatte sich eine Arbeiterschicht ausgesucht, um deren Lebenslage zu verschlechtern und ihre Kampfkraft zu brechen, damit dasselbe dann bei den anderen Schichten und in den anderen Ländern ausprobiert werden könne. Es wäre eine absolute Notwendigkeit für die Transportarbeiter und Eisenbahner gewesen, mit in den Kampf zu treten, nicht um den Bergleuten zu helfen, sondern um sich selber zu helfen.

Also Verbreiterung jeder Arbeiterbewegung in einem Lande zum Schutz dieser Bewegung selbst und zum Schutze der auch noch nicht in Bewegung stehenden Arbeiter. Das ist das, was wir in dieser Periode lernen müssen. Die Kapitalisten, wie richtig Genosse Sinowjew sagte, sind schlaue Leute. Sie wenden nicht mehr Gewaltmittel an, sondern sie benutzen Mittel anderer Art, um die Arbeiterklasse auseinander zu reißen. Ich muss wiederum einige Beispiele aus Deutschland anführen, weil es am nächsten liegt, und weil in diesem Lande die Arbeiter schon einmal eine Revolution gemacht, und wegen ihrer Unkenntnis verspielt haben, und weil aus solchen Beispielen das meiste zu lernen ist. Die Bergleute in Deutschland waren jederzeit die beste Waffe der deutschen Arbeiterklasse; die Bergleute heraus, und wir hätten jede Macht der Unternehmer zerschlagen können. Was machte das Kapital in unserem Lande und auch das Ententekapital? Es gab den Bergleuten die sogenannte „Goldprämie", es gab ihnen Speck und Wurst. Man nahm die Nahrungsmittel einer anderen Arbeiterkategorie weg und fütterte dann die Bergleute damit. Die Bergleute wurden zufriedengestellt. Die anderen Arbeiter, denen man die Nahrungsmittel weggenommen hatte, wurden gegen die Bergleute erbittert, und so hatte man die Leute auseinandergesprengt. Es ist darum notwendig, dass jeder ehrliche Gewerkschaftler verhindert, dass solche Dinge angewandt werden.

Ein anderes Mittel wird noch, um die Produktion zu heben, angewandt. Nämlich – dem Arbeiter eine bestimmte Prämie zu geben, damit er viel arbeitet, ihm zu sagen: Du hast Anteil an dem Gewinn der Produktion. Es gibt viele Arbeiter, die glauben, dass das ehrlich gemeint ist. Wir Kommunisten müssen verhindern, dass etwas derartiges geschieht. Denn es kommt in dieser Periode nicht darauf an, teilzunehmen an dem Gewinn der Produktion – es wird ja nicht mehr so viel produziert, wie die Menschen brauchen –, es kommt darauf an, die kapitalistische Gewinnsucht zu vernichten; das ist die Aufgabe, die wir zu erfüllen haben.

Nun, Genossen, es treten aus der Mitte der Arbeiterklasse einige Leute auf – jetzt nur noch einige, früher jedoch viele –, die wollten die Probleme auf eine friedliche Weise lösen. Sie redeten von der Sozialisierung, sie redeten von der Nationalisierung. Darüber brauche ich nicht zu sprechen. Es wurde schon angeführt in anderen Referaten, dass das nichts anderes ist als ein gemeiner Schwindel, zur Betäubung der Arbeiterklasse mit dem Enderfolg, dass das Kapital eigentlich gesichert und garantiert wird, und die Arbeiter neue Fesseln bekommen. Will man einen wirklichen Kampf um die Sozialisierung führen, dann ist er nicht möglich auf friedlichem Wege, dann ist er nicht möglich in irgendeinem Berufszweig, dann kann er nur auf der ganzen Linie geführt werden. Also der wichtigste Kampf um die Sozialisierung ist ein Kampf um die Macht, um die Niederringung der ökonomischen Gewalt der Bourgeoisie und das bedeutet einen Kampf um die Gewinnung der Staatsgewalt, um die Sicherung der eroberten Staatsgewalt in den Händen der Arbeiter, um freie Bahn zu haben für den Aufbau.

Wir können in dieser Periode einen Gewerkschaftskampf führen, wie wir wollen, er hat immer politische Konsequenzen. Das haben die Kommunisten den Arbeitern zu sagen. Der Kapitalist stirbt, er reißt bei seinem Tode die Arbeiterschaft in das Elend. Die Arbeiter müssen sich gegen ihre Unternehmer wenden, mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen. Sie müssen solche Mittel im Kampfe anwenden, die jeder Arbeiter begreifen kann, die Mittel sind, von denen der Arbeiter glaubt und weiß, dass es Mittel zur Sicherung seiner Existenz sind. Es sind nicht immer Mittel, die das Kapital von heute auf morgen schon über den Haufen schmeißen, aber es sind solche Mittel, die die Arbeiterklasse vereinen, und die bei ihrer Anwendung erweisen, dass auch der geringste Kampf zur Verteidigung der Arbeiterklasse ein Kampf ist um die Macht, um die Gesellschaftsordnung, dass man die Produktion nicht durch Arbeitsgemeinschaft und andere Dinge retten kann, sondern nur dann, wenn man den Unternehmer davon jagt.

Also Vereinigung der Arbeiter in großen zentralen Organisationen nach Produktionszweigen ist eine Notwendigkeit. Internationale Verbindung, nicht mit Versprechungen, sondern mit der Möglichkeit, internationale Streiks zu führen, und mit dem Willen, solche internationale Streiks zu führen, Verbreiterung der ökonomischen Kämpfe im Lande. Und noch eins, was wir nicht vergessen dürfen. Wenn wir solch eine Aufgabe der Revolution erfüllen, wird das Proletariat nicht stillhalten. Wir haben in allen Ländern gesehen, was die Unternehmer machen. In Deutschland schufen sie die technische Nothilfe, in Italien die Faschistenhaufen, in Amerika gibt es die Pinkertons. Überhaupt hat das Kapital zum Schutze seines Eigentums, zur Niederringung, zur Zersprengung der Arbeiterklasse nicht nur die Organe der Staatsgewalt, sondern noch besondere Organe geschaffen. Und auch wir, Arbeiter, müssen in unseren Gewerkschaften organisierte Selbstschutzorganisationen der Arbeiter schaffen. Damit wir die Pinkertons von uns abhalten, damit wir die Faschistenbanden bekämpfen und ihre Einsetzung zur Verteidigung des Kapitals unmöglich machen können. Ihr seht, wie überall die Arbeiterführer wie räudige Hunde von der Bourgeoisie niedergeknallt werden. Deshalb sind die Selbstschutzorganisationen auch notwendig zum Schutze der eigenen Führer. Denn nichts dezimiert die Arbeiterklasse mehr, als wenn an ihrer Spitze einer ihrer Führer nach dem anderen von den weißen Garden totgeschlagen wird. Die Schutzorganisation des Proletariats ist außerdem in dem Kampf anzuwenden, den der Unternehmer gegen den Arbeiter führt, indem er ihn aussperrt, auf die Straße wirft, den Betrieb säubert, die technische Nothilfe, die Werkpolizei, die Pinkertons einsetzt. Er muss von den Organisationen der Arbeiter geschlagen werden, wo man ihn schlagen kann. Ich erinnere an eins. Als in Deutschland die Unternehmer auf breiter Front die Produktion abgebrochen haben, und die Arbeiter sich dagegen gar nicht wehren konnten, weil sie vom Produktionsplatz abgewandert waren, da sind die Arbeiter aufgestanden und haben erklärt: wir wollen Kontrolle der auf der Eisenbahn ankommenden Güter vornehmen, wir wollen sehen, ob die Arbeiter mit dem Abbruch der Produktion einverstanden sind. So wurde vieles verhindert. Es ist nur erst der Keim eines neuen Kampfmittels der Arbeiter gegen das Kapital, es muss ausgebaut werden.

Genossen, ich komme zum Schluss meines Referates und möchte zusammenfassend folgendes noch einmal wiederholen: Die kapitalistische Wirtschaftsordnung ist in ihren Grundfesten erschüttert. Die Verteidigung der Arbeiterklasse um die Erhaltung des gegenwärtigen Standards macht es notwendig, die gewerkschaftlich organisierte Kraft des Proletariats fest zusammenzufassen. Das kann nicht geschehen in lokalen, kleinen von einander abgesplitterten föderalistischen Organisationen, sondern nur durch die Schaffung großer zentraler Produktionsorganisationen. Die Verteidigung ist nur möglich im schroffsten Kampf gegen das Kapital, wenn man dem Kampf nicht ausweicht. Wir dürfen nicht in der Verteidigung bleiben, sondern müssen zum Angriff gegen den Kapitalismus übergehen. Wir können diesen Kampf, der derselbe Kampf ist, den die Kommunistische Internationale führt, nicht losgelöst von ihr führen, sondern nur Schulter an Schulter, mit ihr im Verein. Daraus gilt es die Lehren zu ziehen. Daraus werden wir, Kommunisten, die Lehren ziehen, wie wir schon die Lehren aus dem II. Weltkongress gezogen haben.

Ich schließe, indem ich sage: Aufgabe der Kommunisten ist es, in diesen großen Kampf der Gewerkschaften einzutreten, um sie zu Klassenkampforganisationen zu machen, überall und überall diese Kraft zu zentralisieren und anzuspornen, damit der Kampf siegreich geführt werden kann. Wo nur die Genossen in einer Organisation beieinander sind, müssen sie eine Zelle bilden, um in diesen Organisationen unsere Gedanken zu verbreiten, damit es möglich ist, den Feind in engster Verbindung mit der Kommunistischen Internationale zu schlagen. (Lebhafter Beifall und Applaus.)

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