Karl Marx: Brief an Friedrich Engels in Manchester [Nach Marx Engels Werke, Band 30, Berlin 1964, S. 227-229] [London] 28. April 62 Lieber Frederick, Meine Frau hatte mit richtigem Takt nicht an Dana geschrieben. Wie die Sache gemeint war, hat sich jetzt unverkennbar darin gezeigt, dass die Kerls mir selbst nicht mehr die „Tribune" schicken. Einliegend Brief von Friedländer1, Sonnabend eingetroffen. Schöne Einbildungen dieser Deutschen. Ich soll ihm einen Eröffnungsartikel schicken, der mich mit dem dazu nötigen season ticket2 und der Kleidung, die ich kaufen müsste und allerlei Nebenausgaben wenigstens 10 Guineen kosten würde - und in exchange3 die Aussicht, 4 bis 6 Artikel im ganzen à 8 £ (Summa Summarum) oder im äußersten Fall a 12 £ unterzubringen. Und da man bei diesen Kerls immer das Minimum annehmen muss, würde ich bei den 4 Artikeln noch Geld zusetzen! Ich habe ihm geschrieben, ich müsse das Zimmer hüten, könne also Donnerstag nicht die gewünschte Eröffnungspredigt liefern, werde aber gelegentlich ein paar Artikel über die Ausstellung unter den andern einfließen lassen. Was nun die „andern" Artikel betrifft, so ist des Pudels Kern herausgekommen, 1 Artikel per Woche (à 1 £),und dies noch etwas hypothetisch verklausuliert. Ich muss das natürlich annehmen und habe es bereits angenommen, denn etwas ist besser als gar nichts. Was die Kerls jetzt besonders interessiert, ist Amerika, und es wäre mir lieb, wenn Du mir einen Artikel über den Gang des Kriegs (ich meine Schlacht bei Corinth) (zwar noch diese Woche) schicktest,-überhaupt mir jetzt jedes Mal bei irgendwelcher militärischen Wendung schreibst. Schon um richtige Ansichten über diese wichtige Sache nach Germanien zu kolportieren. (Deine früheren Artikel hatte ich bereits für sie bearbeitet; auch abgedruckt worden.) Vico in seiner neuen Wissenschaft sagt, dass Deutschland das einzige Land in Europa ist, wo noch „eine heroische Sprache" gesprochen wird. Hätte er je das Vergnügen gehabt, die Wiener „Presse" oder die Berliner „National-Zeitung“ kennenzulernen, so wäre der alte Neapolitaner von diesem Vorurteil zurückgekommen. Bei meiner Ankunft in London4 fand ich einen Brief meines landlords5 vor, worin er mir seinen Besuch für heute (28. April) ansagt, um den Rest von 20 £ zu erhalten. Er kann jedoch keinen Centime erhalten. Während meiner 4wöchentlichen Abwesenheit hat sich das Schuldregister für die immediate necessities6 natürlich vermehrt. Dazu kommt, dass 2 Posten extra gezahlt werden müssen, die noch notwendiger als der landlord sind. Erstens 7 £ für den Klaviermaster, da meine Frau unter den jetzigen circumstances7 ihm aufkündigen musste, ihn also auch zahlen muss. Zweitens müssen für 10 £ aus dem Pfandhaus genommen werden, wohin nicht nur die Sachen der Kinder, sondern auch die der Mägde bis aufs Schuhwerk hinab gewandert waren. Wegen des landlords habe ich mich bisher (excepto8 Borkheim) noch inkognito gehalten, so dass meine Frau ihm sagen wird, ich sei noch nicht retourniert, und versuchen wird, ihn aufs Unbestimmte hinzulenken. Denn es handelt sich um shifting9. Borkheim hat bisher 20 £ vorgeschossen; verspricht den Rest für Anfang dieser Woche. Meine Frau, ohne gesehen zu werden, sah Dronke auf der Straße mit Madame und Sprössling Wegen der Ariadne adhuc sub judice Iis est10. Es handelt sich hier nämlich um eine juristische Streitfrage. Im Diodor figuriert sie als Stern. Als Sternbild finde ich sie nicht. Dagegen wohl als kleinen Planeten, N.43, Tafel II, Mädler, letzte Lieferung, 5te Ausgabe (die ich besitze), Berlin 186111. Also steht das Mensch jedenfalls am Himmel. Es ist nun eine sehr heiklige Rechtsfrage, ob Du oder lupus gewonnen hast. Deine allgemeine Behauptung, dass alle unter die Sterne von den Griechen versetzten Personen in den astronomischen Tabellen fortleben, möchte auch sehr zu bezweifeln sein. Was war es, was Du außer den Estimates12 der englischen Armee noch wünschtest? Sobald ich wieder „mobil", werde ich mich danach umsehen Kinkel ist als bepisster Pudel abgezogen. Er antwortet nicht. Statt dessen ein paar Zeilen von seinem Schweinehund Beta, worin dieser ihm attestiert, nur nach halbjährigem Andringen seinerseits habe Gottfried ihm die nötigen biographischen Notizen (die derselbe Schweinehund regelmäßig alle 2 Jahre seit Menschengedenken benutzt hat) und das Photograph etc. auf Verlangen Keils, des Herausgebers der „Gartenlaube", zukommen lassen13. Nun ist der Witz aber der, dass Keil und Beta (den bezüglichen Brief des letzteren besitzt Juch und kennt Eichhoff) nach der MacDonald-Affäre sich weigerten, mit der Sache vorzugehen, und Gottfried nur mit Mühe das endliche „Losgehen" bewirkte. Indes schreibe ich dem Eichhoff, dass er einstweilen die Sache fallenlässt, da er sonst die Niederlage Gottfrieds abschwächt. Juch ist nämlich zu feig, um mit Betas Brief hervorzurücken. Sonst würde er das von selbst schon in einer Randglosse zu dessen Erklärung getan haben. Salut. Dein K.M. Jennychen ist noch lange nicht, wie sie sein sollte. Das kleine Kind war ernsthaft krank; jetzt hergestellt. Die einliegenden von Urquhart zusammengestellten Exzerpte musst Du durchlesen. 2 Dauerbillett 3 im Austausch 5 Hauswirts 6 unmittelbar lebensnotwendigen Dinge 7 Verhältnissen 8 ausgenommen 9 Hinauswurf 10 hängt der Streit noch vor dem Richter (Horaz, 2. Buch der Episteln, Vers 79) 11 Johann Heinrich von Mädler, „Der Wunderbau des Weltalls, oder Populäre Astronomie". 5„ gänzlich neu bearb. Aufl. Berlin 1861. Die erste Ausgabe erschien 1841 in Berlin. 12 Voranschlägen 13 In der Zeitschrift „Die Gartenlaube", Nr.2, S.21-24 und Nr.3, S.38-41, 1862, erschien der Artikel „Ein Nichtamnestierter" von Heinrich Beta. |