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Karl Marx 18620807 Brief an Friedrich Engels

Karl Marx: Brief an Friedrich Engels

in Manchester

[Nach Marx Engels Werke, Band 30, Berlin 1964, S. 269-271]

London, 7. August [1862]

Lieber Engels,

Der landlord1 war Montag bei mir und erklärte mir, dass, wenn ich ihm, nachdem er so lange Geduld gehabt, nicht in kürzester Frist zahle, er die Sache seinem Landagent2 übergeben würde. Damit wäre der broker3 da. Ditto habe ich – und zwar sonderbarerweise am selben Tage – Steuerexekutionszettel erhalten und Briefe von den meist mit dem landlord bekannten epiciers4, die mir mit Klage und Entziehung der provisions5 drohen.

Lassalle reiste am Montagabend ab. Ich sah ihn noch, nachdem alle diese events6 stattgefunden. Er sah an meiner dejected7 Erscheinung, dass die ihm längst bekannte Krise zu einer Katastrophe of any8 Art geführt. Frug mich. Nach Mitteilung erklärte er, er könne 15 £ bis Januar 1., 1863 liefern; auch könne man Wechsel zu beliebigem amount9 auf ihn ziehen, wenn die Zahlung von Dir oder anderen über die 15 £ hinaus ihm versprochen würde. Mehr könne er [nicht] bei seinen beschränkten Verhältnissen. (Das glaube ich, da er hier allein 1 £ 2 sh. täglich für cabs10 und Zigarren brauchte.)

Kannst Du vielleicht in dieser Weise, mit Benutzung Borkheims als escompteurs11, etwas tun, um die Krise abzuschieben? Von den 10 £ habe ich 6 an den Klaviermann gezahlt, der ein brutaler Hund ist und mich ohne weiteres an das county court12 gebracht hätte. Für 2 £ habe ich Sachen aus dem Pfandhaus genommen und den Rest meiner Frau zur Disposition gestellt.

Ich versichre Dir, dass, wenn ich nicht die family difficulties13 hätte, ich bei weitem vorziehen würde, in ein model lodging-house14 zu ziehen, als beständig auf Deinen Beutel zu drücken.

Ein Umstand kommt noch hinzu. Dr. Allen erklärt mir, dass die See für Jennychen wenigstens für 14 Tage absolut notwendig, ditto für die Kleinste, die voriges Jahr eine Art Gelbsucht hatte und wieder nicht all right ist.

Itzig sagte mir noch, dass er vielleicht ein Blatt stiften werde, wenn er September zurückkehrt. Ich sagte ihm, gegen gute Zahlung wolle ich englischer Korrespondent werden für sie, ohne irgendwie irgend sonstige responsibility15 oder politische partnership16 zu übernehmen, da wir politisch in nichts übereinstimmten als in einigen weitabliegenden Endzwecken.

Deine Ansichten17 über den American civil war18 teile ich nicht ganz. Ich glaube nicht, that all is up19. Die Northerners20 sind von Anfang an beherrscht worden durch die Vertreter der border slaves states21, die auch den McCIellan, diesen alten partisan of22 Breckinridge, an die Spitze poussierten. Der Süden dagegen handelte von vornherein aus einem Stück. Der Norden selbst hat die Sklaverei in eine militärische force23 des Südens verwandelt, statt sie gegen ihn zu kehren. Der Süden überlässt den Sklaven die productive labour24 und konnte so ungestört seine ganze Streitkraft ins Feld führen. Er hatte einheitliche militärische Führung; der Norden nicht. Dass kein strategischer Plan vorlag, schon klar aus allen Manövern der Kentucky-Armee nach der Eroberung von Tennessee. Nach meiner Ansicht wird dies alles take another turn25. Der Norden wird endlich ernsthaft Krieg führen und zu revolutionären Mitteln greifen und die Oberherrschaft der border slaves statesmen26 beiseite werfen. Ein einziges Nigger-Regiment wird merkwürdig auf die südlichen Nerven wirken.

Die Schwierigkeit, die 300.000 Mann zu bekommen, scheint mir rein politisch. Der Nordwest und Neuengland wollen und werden die Regierung forcieren, ihre bisherige diplomatische Kriegführung aufzugeben, und sie machen jetzt terms on which the 300.000 men shall come forth27. Gibt Lincoln nicht nach (was er aber tun wird), so gibt's eine Revolution.

Was den Mangel an militärischen Talenten betrifft, so war die bisherige, rein nach diplomatischen und Parteischikanen getroffne Wahl der Generale kaum danach, solche in den Vordergrund zu bringen. General Pope scheint mir indes ein Mann von Energie.

Was die Finanzmaßregeln betrifft, so sind sie ungeschickt, wie das in einem Land sein muss, wo in fact (für den Gesamtstaat) bis jetzt keine Steuern existierten, jedoch noch lange nicht so blödsinnig wie die Maßregeln von Pitt et Cons. Die jetzige Depreziation des Geldes scheint mir nicht ökonomischen, sondern rein politischen Gründen, distrust28, zuzuschreiben. Wird sich also wenden mit anderer Politik.

Das Kurze und das Lange der Geschichte scheint mir, dass derartige Kriege revolutionär geführt werden müssen, und dass die Yankees bisher versucht haben, ihn konstitutionell zu führen.29

Salut.

Dein K.M.

Imandt ist hier. Wieder eine jetzt sehr lästige Unterbrechung. Ich denke, dass meine Schrift 30 Bogen stark werden wird.

1 Hauswirt

2 Hausverwalter

3 Gerichtsvollzieher

4 Krämern

5 Lebensmittel

6 Ereignisse

7 niedergeschlagenen

8 irgendeiner

9 Betrag

10 Droschken

11 Diskontierenden

12 den Grafschafts-Gerichtshof

13 familiären Schwierigkeiten

14 eine Mietskaserne

15 Verantwortung

16 Teilhaberschaft

17 siehe vorl. Band, S. 254-256

18 Amerikanischen Bürgerkrieg

19 dass alles am Ende ist

20 Nordstaatler

21 Grenzsklavenstaaten

22 Anhänger von

23 Kraft

24 produktive Arbeit

25 eine andere Wendung nehmen

26 Wortführer der Grenzsklavenstaaten

27 Bedingungen, unter denen die 300.000 zusammenkommen werden.

28 Misstrauen

29 Dieser Gedankenaustausch zwischen Marx und Engels ging dem Artikel „Zur Kritik der Dinge in Amerika", der in der „Presse" vom 9. August 1862 veröffentlicht wurde, voraus.

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