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Karl Marx 18430200 Denkschrift betreffend die Unterdrückung der „Rheinischen Zeitung”

Karl Marx: Denkschrift betreffend die Unterdrückung der „Rheinischen Zeitung”

[Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Erste Abteilung. Werke – Artikel - Entwürfe, Band 1. Berlin 1975, S. 392-403]

Ein den Geranten der Rheinischen Zeitungs-Gesellschaft von dem Königlichen Regierungs-Präsidenten Herrn von Gerlach zu Köln am 24ten Januar dieses Jahres – dem Publikum durch die Kölnische Zeitung vom 26ten desselben Monats publiziertes Reskript der dem Zensurwesen vorgesetzten hohen Ministerien bestimmt, dass die Rheinische Zeitung mit dem letzten Tage des Monats März aufhören werde zu erscheinen. Es stützte diese Maßregel auf die Voraussetzungen:

I. dass die Rheinische Zeitung einer definitiven Konzession entbehre – nur faktisch nicht rechtlich existiert habe;

II. dass aber auch abgesehen hiervon, die Zurücknahme der Konzession bei der offenbar böswilligen Tendenz der Rheinischen Zeitung vollkommen gerechtfertigt sein würde, ja bei der Konsequenz, mit der jene feindselige Richtung verfolgt werde, die gänzliche Unterdrückung sogar als das allein wirksame Mittel der Regierung vom Gesetze geboten sei;

III. dass die Tendenz der Rheinischen Zeitung eine durchaus verwerfliche, auf den Umsturz der grundgesetzlichen Basis des Preußischen Staates böswillig abzweckende, das Bestehende in Kirche und Staat gleich gefährdende sei.

Wie irrtümlich jene Suppositionen in Wahrheit sind, wie ganz unmotiviert hiernach die Maßnahmen der drei hohen Ministerien erscheinen – ist Inhalt und Resultat nachstehender Erörterungen.

ad I. Die Konzession.

Das Ministerial-Reskript beginnt damit, die Antezedenzien der Rheinischen Zeitung historisch (jedoch mit den mannigfaltigsten faktischen Unrichtigkeiten von untergeordnetem Interesse) zu entwickeln, indem es anerkennt, dass sich zur Fortführung einer den Doktoren Rave und Schulte erteilten Zeitungskonzession in Köln eine Kommandit-Aktien-Gesellschaft unter der Bezeichnung: „Rheinische Zeitungs-Gesellschaft" bildete. Der nominelle Ankäufer der Konzession, (und dies übergeht das Ministerial-Reskript), der Buchhändler J. E. Renard, wandte sich zur Erlangung der gesetzlichen Genehmigung dieses Übertrages unter dem 19ten November 1841 an den Königlichen Ober-Präsidenten. Dieser, zur Genehmigung solcher Wechsel in der Person des Berechtigten durch die Vorschrift des Reskriptes vom 5ten März 1833 befugt, erteilte dem Übertrag die gesetzliche Sanktion unter dem Vorbehalte des 5 jederzeitigen Widerrufs durch sein Reskript vom 13ten Dezember 1841.

Hören wir, wie das Ministerial-Reskript diese Tatsache darstellt:

Derselbe, (nämlich der Ober-Präsident)” heißt es, „gab, da die Zeitung vom 1ten Januar 1841 (soll heißen 1842) ab erscheinen sollte und dieser Termin nahe bevorstand, zur Vermeidung von Verlegenheiten für die Aktionäre, seine vorläufige Zustimmung, welche jedoch ausdrücklich an den Vorbehalt der Genehmigung Seitens der Zensurministerien geknüpft wurde, wie solche nach Art: XVII. des Zensur-Edikts vom 18ten Oktober 1819 und §. 3. der Allerhöchsten Kabinetts-Ordre vom 6ten August 1837 erforderlich ist. Diese Genehmigung ist meni erteilt worden. Das Blatt beruht daher nur auf einer durch die gesetzlich erforderliche, ministerielle Zustimmung nicht ergänzten, lediglich als faktisch zu betrachtenden Zulassung und entbehrt der rechtlichen Grundlage.”

Es bedarf”, schließt daher das Ministerial-Reskript (sc. zur Unterdrückung der Rheinischen Zeitung) „nur der Beendigung des bisherigen provisorischen Zustandes.”

Diese Behauptung einer nur vorläufigen Zustimmung wird jedoch schlagend widerlegt durch das Reskript der Königlichen Regierung zu Köln vom 17ten Dezember 1841 an den Konzessionär Renard, worin es wörtlich lautet:

Auf Ihre Vorstellung vom 19ten v. Mts. hat der Herr Ober-Präsident der Rheinprovinz mittelst Reskript vom 13. d. Mts. Ihnen die durch Verzichtleistung erledigte Konzession zur Herausgabe der ,allgemeinen Rheinischen Zeitung’ und des Beiblattes ,Rheinisches Volksblatt’ unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs übertragen und gleichzeitig die beabsichtigte Vergrößerung des Formats und die Umänderung des Titels der Zeitung in: ,Rheinische Zeitung’ usw. – usw. genehmigt.”

Da dies das einzige Aktenstück ist, welches die Konzessions-Übertragung betrifft, so folgt daraus, dass die Behauptung des Ministerial-Reskriptes, der Ober-Präsident habe eine „nur vorläufige Zustimmung” ertheilt und dieselbe „ausdrücklich an den Vorbehalt der Genehmigung Seitens der Zensurministerien geknüpft”, ganz unbegründet ist. Weder hat der Oberpräsident, Herr von Bodelschwingh, die Genehmigung der Zensur-Ministerien als Vorbehalt ausbedungen, noch sie mit einer Silbe erwähnt, noch endlich die Vorläufigkeit der Konzession auch nur angedeutet. Herr von Bodelschwingh hat vielmehr der Rheinischen Zeitung eine vollständige Konzession ertheilt; und wenn er dieselbe an den „Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs” geknüpft hat, so liegt grade hierin der unumstößlichste Beweis, dass die Konzession eine vollständige und keine provisorische war; denn wie sollte der Widerruf einer Konzession vorbehalten werden, die selbst noch nicht vorhanden ist; wie sollte die fakultative Zurücknahme der Konzession vorbehalten sein, wo die Konzession selbst noch vorbehalten bleibt. Diese Klausel „unter Vorbehalt des jeweiligen Widerrufes” also weit entfernt der Konzessionserteilung den Charakter einer provisorischen aufzudrücken, beweist grade, dass sie eine definitive, wenn auch widerrufbare ist.

Ebenso wenig aber vermag diese Klausel der Konzession eine exzeptionelle Natur zu verleihen, da die Widerruflichkeit der Zeitungskonzessionen aus dem Art: XVII. des Zensur-Edikts vom Jahre 1819 folgt, also eine gesetzliche, eine allgemeine Bedingung für jede Zeitungskonzession ist. – Eine Tatsache, die auch durch die tägliche Praxis noch unterstützt wird: „in neuerer Zeit" (heißt es in dem Buch: die Preußische Pressegesetzgebung von F. H. Hesse Berlin 1843), „werden die Konzessionen von den Ministerien nur auf Widerruf erteilt."

Steht es hiernach fest, dass der damalige Ober-Präsident der Rheinprovinz, Herr von Bodelschwingh, der Rheinischen Zeitung eine definitive Konzession erteilt hat, so fragt sich noch, ob Herr von Bodelschwingh der Rheinischen Zeitung eine solche Konzession erteilen konnte? und ob er sie gesetzmäßig erteilt hat? – Diese Frage kann für die Vorsteher der Rheinischen Zeitung nur dahin formuliert werden: Mussten sie präsumieren, dass Herr von Bodelschwingh gesetzmäßig gehandelt habe?

Es liegt klar am Tage, dass die Vertreter der Rheinischen Zeitungs-Gesellschaft bei der so ausgezeichneten Geschäftskenntnis des Herrn von Bodelschwingh, bei dem unbedingten Vertrauen, das dieser hohe Beamte nicht nur bei seinen Administrierten, sondern ebenso bei den Behörden in seiner früheren Stellung genoss – jene Frage sich kaum aufwerfen durften; – indessen konnte immerhin auch die misstrauischste Prüfung keinen begründeten Zweifel an der Gesetzmäßigkeit der Übertrags-Genehmigung aufkommen lassen.

Es handelt sich nämlich, wie schon angedeutet, nicht um die Erteilung sondern um die Übertragung einer schon erteilten Konzession.

Hierüber bestimmt das Reskript der Zensurministerien vom 5ten März 1833:

Da die von den Ministerien ressortierende Erteilung oder Versagung zur Herausgabe einer Zeitschrift von der Persönlichkeit des Redakteurs und davon, ob dieselbe das im §.9. des Zensur-Gesetzes vom 18ten Oktober 1819 vorausgesetzte Vertrauen einflößt, wesentlich abhängig ist, so kann auch ein die ursprüngliche Genehmigung vorzüglich verändernder Wechsel in der Person des Berechtigten von den Provinzialbehörden ohne vorherige Anfrage nicht gestattet sein."

Die respektive Provinzialbehörde, Herr von Bodelschwingh war also zur Genehmigung des Übertrages der Konzession vollkommen und einzig kompetent; – jedoch galt für ihn es als Vorschrift, diese Genehmigung nicht eher zu erteilen, bis er höheren Orts angefragt hatte. Indem er also den Übertrag wirklich gestattete, musste die Seinerseits erforderliche vorherige Anfrage bei den Zensurministerien von den Unternehmern der Rheinischen Zeitung als erfolgt vorausgesetzt werden. Sie hatten weder die Pflicht, noch die Befugnis, einen Nachweis der erfolgten Anfrage zu verlangen — und erlangten durch das ungehinderte Forterscheinen der Rheinischen Zeitung die Gewissheit, dass jene Anfrage geschehen und die Bewilligung von Seiten der Zensur-Ministerien erfolgt sei, weil andern Falls die Zensur-Ministerien pflichtmäßig die nun wirklich erscheinende Rheinische Zeitung sofort hätten unterdrücken müssen, da Art: XVII. des Zensur-Edikts von 1819 bestimmt:

Zeitungen dürfen nur mit Genehmigung der obengedachten Ministerien erscheinen."

Schließlich noch die Bemerkung, dass unter keinen Umständen der Fehler der mangelnden Genehmigung dadurch gerügt werden konnte, dass wie geschehen die Beendigung eines provisorischen Zustandes beschlossen, die Nichterteilung der Konzession ausgesprochen wurde, vielmehr musste die bisherige Konzession für ungültig, für formell nichtig erklärt werden, was den Unternehmern der Rheinischen Zeitung den Civil-Regress gegen den Herrn von Bodelschwingh eröffnet haben würde.

Ad. II. Die Zurücknahme der Konzession.

Steht es nach Obigem fest, dass die Rheinische Zeitung wirklich eine Konzession hat, dass also das Ministerial-Reskript, indem es nur einen provisorischen Zustand aufzuheben erklärte, die Rheinische Zeitung gar nicht tangiert, so erscheint es um so wichtiger, die Grundsätze kennen zu lernen, nach welchen das Ministerial-Reskript eventuell die erteilte Konzession zurückzunehmen sich für berechtigt hält.

Die Deduktion des Ministerial-Reskripts lässt sich in folgende Hauptsätze zusammen fassen:

1. bei dem spezifisch bösartigen Charakter der Rheinischen Zeitung habe kein Redaktionswechsel sondern nur eine ungewöhnlich strenge Zensur als geeigenetes

Mittel gegen dieselbe erscheinen können.

2. Es sei aber nicht der Beruf der Zensur, dem Unwesen einer konsequent schlechten Tendenz zu steuern.

3. Es bleibe also nur die bei konzessionierten Zeitungen durch Art: XVII. des Zensur-Edikts vom Jahre 1819 den betreffenden Ministerien anheim gestellte Zurücknahme der Konzession übrig.

Der Widerspruch dieser Sätze mit der ganzen bisherigen Pressegesetzgebung und vorzüglich mit dem Geiste der jüngsten Erlasse geht aus folgenden Vergleichungen klar hervor:

ad. I. Das Ministerial-Reskript sagt:

Bei der systematischen und konsequenten Art, in welcher die Unternehmer des Blattes ihre anfeindende Richtung verfolgen, lässt sich nicht annehmen, dass die Berufung des inzwischen bezeichneten neuen Redakteurs von wesentlich ersprießlichen Folgen sein würde; denn dieses positive Mittel kann nur da Gewähr für das Gute leisten, wo die Grundtendenz des Unternehmers nicht eine schlechte ist. Hier bliebe also nur das negative Mittel einer Verhinderung aller jener unaufhörlich und täglich wiederkehrenden Überschreitungen durch eine ungewöhnlich strenge Zensur übrig.”

Es lässt sich nicht annehmen, sagen also die Zensurministerien, dass hier das positive Mittel des Redakteur-Wechsels geeigenet sei; es bleibt nur das negative Mittel der Zensur übrig.

Die bestehenden gesetzlichen Vorschriften machen aber die entgegengesetzte Annahme. Im Reskript der Zensurministerien vom 18ten Dezember 1833 lautet es beinahe umgekehrt:

Die Zensur, in welcher man bisher das Mittel zu erkennen gewohnt gewesen, allen aus solchen Konzessionserteilungen entspringenden Nachteilen zu begegnen, vermag zwar allerdings offenbaren Verletzungen der Religion und Sittlichkeit, Angriffen auf die gesetzliche Ordnung und direkter Höhnung einzelner Individuen in der Regel vorzubeugen, sie ist aber, wie die tägliche Erfahrung zur Genüge lehrt, keineswegs im Stande, die unverständliche oder versteckte böse Tendenz ununterrichteter oder böswilliger Redaktoren und Herausgeber von Zeitungsblättern zu beseitigen."

Diesen Übelständen zu begegnen, scheint es vielmehr nur ein Mittel zu geben, nämlich: bei Erteilung von Konzessionen zur Herausgabe periodischer Schriften mit der größten Vorsicht zu verfahren und dergleichen nur solchen Personen zu gewähren, welche einmal zu einem Unternehmen dieser Art entweder notorisch qualifiziert etc. etc. oder über deren Qualifikation die Königlichen Ober-Präsidien sonst auf irgend eine Weise befriedigende Auskunft einzuziehen Gelegenheit gehabt haben, zum Andern aber durch amtliche Zeugnisse der betreffenden Polizei darzutun vermögen, dass auf ihrem sittlichen Ruf kein Makel haftet."

Ebenso bezeichnet die Zensurinstruktion vom 24. Dezember 1841 die Vorsicht in Auswahl der Redakteure als das geeigenete Mittel gegen Missbrauch der zu gestattenden, größeren Zensurfreiheit.

Es ist um so auffallender, dass die Zensurministerien im Widerspruch mit diesen gesetzlichen Vorschriften statt des Redakteurwechsels eine ungewöhnlich strenge Zensur als das wahre Mittel gegen eine verderbliche Zeitungsrichtung bezeichnen, als ihr eigenes gegen die Rheinische Zeitung seither beobachtetes Verfahren nur durch eine entgegengesetzte Annahme erklärt werden kann. Zunächst wurde nämlich die Entfernung des früheren Redakteurs, des Dr. Rutenberg, auf eine gesetzwidrige Art bewirkt. Es heißt nämlich im Reskript der Ministerien des Innern und der Polizei vom 6ten Oktober 1837:

Ew. pp. erwiedern wir wegen der beabsichtigten Annahme eines andern verantwortlichen Redakteurs, dass es nach Art: DG des Zensurgesetzes vom 18ten Oktober 1819 keiner Bestätigung oder Genehmigung eines Redakteurs bedarf, der Ober-Zensurbehörde vielmehr nur das Recht vorbehalten ist, der Unternehmung einer Zeitung zu erklären, dass der angegebene Redakteur nicht von der Art sei, das nötige Zutrauen einzuflößen, in welchem Falle entweder ein anderer Redakteur angenommen, oder von dem beizubehaltenden Kaution geleistet werden muss."

Im Widerspruch mit dieser gesetzlichen Bestimmung verlangte die Regierung die augenblickliche Entlassung des Dr. Rutenberg unter Androhung der sofortigen Unterdrückung der Rheinischen Zeitung. Zugleich aber wurde die Präsentation eines neuen Redakteurs begehrt, welchem Verlangen die Geranten der Rheinischen Zeitungs-Gesellschaft durch die Präsentation des Dr. Rave entsprochen haben. Endlich wurde das fernere Fortbestehen des Blattes von dem Sinne abhängig gemacht, in welchem der zu bestätigende Redakteur die Zeitung leiten würde. Da nun die Bestätigung des Dr. Rave noch nicht erfolgt, ihm daher auch die Redaktion noch nicht anvertraut worden ist, da also die Zensurministerien die Verwirklichung der Bedingung, von welcher sie das fernere Bestehen des Blattes abhängig machten, bisher selbst verhindert haben, so muss es um so unerwarteter sein, wenn plötzlich im Widerspruch nicht nur mit ihrem eigenen Verfahren, sondern auch mit den gesetzlichen Bestimmungen erklärt wird, nicht ein Redakteur-Wechsel, sondern nur eine ungewöhnlich strenge Zensur habe als das geeigenete Mittel gegen die Richtung der Rheinischen Zeitung erscheinen müssen.

Die Inkohärenz dieses Verfahrens wird endlich noch dadurch gesteigert, dass der Dr. Rave notorisch qualifiziert ist, schon einmal einem ähnlichen Unternehmen hier vorgestanden hat und auch sonst der Regierung ganz genehm scheint,

ad. 2. Gibt man aber die Prämisse zu, nur das negative Mittel „einer ungewöhnlich strengen Zensur” könne der verderblichen Richtung einer Zeitung entgegengestellt werden, so behauptet das Ministerial-Reskript, es sei nicht der Beruf der Zensur, einer solchen Richtung auf die Dauer entgegen zu arbeiten.

Es ist aber nicht”, lautet es „deren (der Zensur) Aufgabe, auf die Dauer einem auf so hartnäckig festgehaltenen, bösartigen Tendenzen beruhenden Unwesen zu steuern; sie hat vielmehr den Beruf, in Schriften, die sich im Allgemeinen innerhalb der Schranken des Gesetzes und der Sitte halten, und bei welchen keine Absicht hervortritt, dieselben zu überschreiten, den einzelnen, aus Unkunde oder augenblicklicher Verirrung hervorgehenden Übertretungen des Gesetzes vorzubeugen. Böswilligkeit der ganzen Tendenz und unveränderte Konsequenz in Befolgung eines gemeingefährlichen Systems bei einer Zeitung definitiv zu hindern, ist sie nicht berufen."

Auch diese Behauptung der Zensurministerien steht im schneidendsten Widerspruche mit der ganzen Pressegesetzgebung. Im Art: II. des Zensuredikts vom 18ten Oktober 1819 wird der Zweck der Zensur, also auch ihr Beruf, folgendermaßen bestimmt:

Ihr (der Zensur) Zweck ist, demjenigen zu steuern, was den allgemeinen Grundsätzen der Religion, ohne Rücksicht auf die Meinung und Lehre einzelner Religionsparteien und im Staate geduldeter Sekten, zuwider ist; zu unterdrücken, was die Moral und guten Sitten beleidigt; dem fanatischen Herüberziehen von Religionswahrheiten in die Politik und der dadurch entstehenden Verwirrung der Begriffe entgegen zu arbeiten; endlich zu verhüten, was die Würde und Sicherheit, sowohl des Preußischen Staates, als der übrigen deutschen Bundesstaaten verletzt. Hierher gehören alle auf Erschütterung der monarchischen und in diesen Staaten bestehenden Verfassungen abzweckende Theorien; jede Verunglimpfung der mit dem Preußischen Staate in freundschaftlicher Verbindung stehenden Regierung und der sie konstituierenden Personen, ferner alles, was dahin zielt, im Preußischen Staate oder den deutschen Bundesstaaten Missvergnügen zu erregen und gegen bestehende Verfassungen aufzureizen; alle Versuche, im Lande und außerhalb desselben Parteien, oder ungesetzmäßige Verbindungen zu stiften, oder in irgend einem Lande bestehende Parteien, welche am Umsturz der Verfassung arbeiten, in einem günstigen Lichte darzustellen.”

Das Edikt verlangt also von der Zensur ein Steuern, Unterdrücken, Entgegenarbeiten, Verhüten alles dessen, was der Rheinischen Zeitung zur Last gelegt wird. Es gibt ferner die bestimmten, tatsächlichen Presseverirrungen an, die von der Zensur zu hindern und zu unterdrücken sind; es macht keinen Unterschied zwischen Pressevergehen, die aus einer guten oder einer bösen, einer konsequent oder inkonsequent durchgeführten Tendenz hervorgehen. Es verlangt im Gegenteil, dass alle staatsgefährlichen Theorien, jede Verunglimpfung auswärtiger Regierungen pp., Alles, was dahin zielt, Missvergnügen zu erregen, alle Versuche, am Umstürze pp. arbeitender Parteien zu begünstigen, von der Zensur unterdrückt werden. Das Gesetz spricht von Allem und Jedem, es spricht nicht von Diesem oder Jenem.

In dem ganzen Zensuredikt vom Jahre 1819 findet sich nicht einmal das Wort „Tendenz", ein Begriff, der erst seit den demagogischen Untersuchungen und der Juli-Revolution in der Preußischen Pressegesetzgebung gefunden wird.

So heißt es im Reskript der Zensur-Ministerien vom 18. Dezember 1833:

Die Zensur vermag zwar allerdings offenbaren Verletzungen der Religion und Sittlichkeit, Angriffen auf die gesetzliche Ordnung und direkter Höhnung einzelner Individuen in der Regel vorzubeugen, sie ist aber keineswegs im Stande, die unverständliche und versteckt böse Tendenz ununterrichteter oder böswilliger Redaktoren und Herausgeber von Zeitblättern zu beseitigen."

Allein auch dieses Reskript widerspricht direkt der gegen die Rheinische Zeitung geltend gemachten Definition von dem Berufe der Zensur, wie denn überhaupt nicht zu übersehen ist, dass Reskripte ein Gesetz nicht aufheben können. Das angeführte Reskript spricht erstlich nicht von dem Beruf, sondern von der Macht der Zensur, von dem, was die Zensur im Stande ist, zu leisten. Dann aber scheitert nach ihm diese Macht nur an der versteckt bösen Tendenz, nicht aber an ihren offenbaren Äußerungen, wogegen nach dem jetzigen Ministerial-Reskript grade da der Beruf der Zensur aufhört, wo die Absicht nicht mehr versteckt ist, sondern hervortritt und ihre Verständlichkeit sogar durch eine fortgesetzte konsequente Durchführung über allen Zweifel erhoben wird.

Während aber das Zensuredikt von 1819 bloß die Verhinderung der tatsächlichen Überschreitung von Gesetz und Sitte ohne alle Rücksicht auf die Tendenz zum Berufe der Zensur macht, während das oben zitierte Reskript von 1833 die Zensur zwar für berufen, aber nicht für fähig hält, einer versteckt bösen Tendenz zu steuern und hierfür Vorsicht in der Auswahl der Konzessionäre und Redakteure anordnet, macht dagegen die Zensurinstruktion vom 24ten Dezember 1841 der Zensur direkt zur Pflicht, zum Zweck, zum Beruf, die Tendenz zu zensieren. Es heißt darin:

Es ist aber dabei eine unerlässliche Voraussetzung, dass die Tendenz der gegen die Maßregeln der Regierung ausgesprochenen Erinnerungen nicht gehässig und böswillig, sondern wohlmeinend sei, und es muss von dem Zensor der gute Wille und die Einsicht verlangt werden, dass er zu unterscheiden wisse, wo das Eine und das Andere der Fall ist. Mit Rücksicht hierauf haben die Zensoren ihre Aufmerksamkeit auch besonders auf die Form und den Ton der Sprache der Druckschriften zu richten und, insofern durch Leidenschaftlichkeit, Heftigkeit und Anmaßung ihre Tendenz sich als eine verderbliche darstellt, den Druck nicht zu gestatten."

Es ergibt sich hieraus, dass gerade das, was das Ministerial-Reskript als den Beruf der Zensur leugnet, von der Instruktion, auf welcher die jüngste Pressebewegung und namentlich die Rheinische Zeitung basiert, zur vorzugsweisen, zur eigentlichen Aufgabe der Zensur gemacht wird. – Die Instruktion verkennt nicht die Schwierigkeiten einer solchen Tendenz-Zensur; sie sagt vielmehr ausdrücklich:

Die unverkennbare Schwierigkeit, hierfür die richtigen Grenzen aufzufinden, darf von dem Streben der wahren Absicht des Gesetzes vollkommen zu genügen, nicht abschrecken, noch zu jener Ängstlichkeit verleiten etc. etc."

Diese Schwierigkeit konnte aber bei der Rheinischen Zeitung nicht einmal vorhanden sein, es bedurfte keines großen Unterscheidungsvermögens, es war einfach (wie die Instruktion sagt) der Druck nicht zu gestatten, wenn die Behauptung des Ministerial-Reskripts wahr ist, wenn die grundschlechte Tendenz der Rheinischen Zeitung unverkennbar, offen hervortretend mit hartnäckiger Konsequenz durch- 5 geführt ist.

Noch weiter als die Instruktion vom 24. Dezember 1841 geht die Kabinetsordre vom 14. Oktober 1842. Es heißt hier in Bezug auf die den Behörden aufgetragenen Berichtigungen der Presse:

Es genügt nicht, die Gegenwirkung gegen schlechte, für den öffentlichen Geist verderbliche Bestrebungen eines Tageblattes den andern von einem besseren Geiste geleiteten Blättern zu überlassen und nur von ihnen zu erwarten. Eben da, wo das Gift der Verführung eingeschenkt worden ist, muss es auch unschädlich gemacht werden: das ist nicht nur Pflicht der Obrigkeit gegen den Leserkreis, dem das Gift geboten worden, sondern es ist zugleich unter allen Mitteln das Wirksamste, die Tendenzen der Täuschung und Lüge, wo sie sich zeigen, zu vernichten, indem man die Redaktionen zwingt, das Urteil über sich selbst zu veröffentlichen."

Diese Allerhöchste Kabinetsordre erkennt zwar die Unzulänglichkeit der Zensur an, aber sie befiehlt nicht die Unterdrückung der Tageblätter „von verderblichen Bestrebungen", sie legt vielmehr den Behörden als allerwirksamstes Mittel gegen „Tendenzen der Lüge und Täuschung" die Arbeit der Berichtigung auf.

Vier Monate später verordnen die Zensurministerien, die den Beruf der Zensur im Gegensatze mit der ganzen preußischen Pressegesetzgebung interpretieren, im Gegensatze zu dieser Kabinetsordre die Unterdrückung der Rheinischen Zeitung.

ad. 3. Es bedarf nach Obigem keines Nachweises mehr, dass der Schluss, den das 25 Ministerial-Reskript aus den als falsch nachgewiesenen Prämissen zieht, selbst falsch ist, der Schluss nämlich, als ob nur die bei konzessionierten Zeitungen durch Art: XVII. des Zensurediktes von 1819 den betreffenden Ministerien anheimgestellte Zurücknahme der Konzession hier als einziges Mittel übrig sei.

Jedenfalls also erscheint die Maßregel der drei Ministerien als ganz unmotiviert.

Das Anrufen der Bestimmung des Art: XVII. des Zensuredikts vom 18. Oktober 1819 kann diesen Mangel keineswegs ersetzen und für sich schon die Maßregel gesetzlich rechtfertigen. Der Artikel sagt:

Zeitungen und andere periodische Schriften, sobald sie Gegenstände der Religion, der Politik, Staatsverwaltung und der Geschichte gegenwärtiger Zeit in sich aufnehmen, dürfen nur mit Genehmigung der obengedachten Ministerien erscheinen und sind von denselben zu unterdrücken, wenn sie von dieser Genehmigung schädlichen Gebrauch machen."

Der richtige Sinn dieser Bestimmung ist nicht aus den bloßen Worten des Artikels sondern nur aus dem Ganzen, dessen Teil sie ist, zu interpretieren, wobei zu bemerken, dass dieses Ganze hier nicht einmal die Totalität des Zensur-Edikts vom Jahre 1819 sondern vielmehr die gesamte, in Kraft bestehende Pressegesetzgebung ist.

Diese beweist es klar, dass nicht jeder schädliche Gebrauch, den ein Zeitungsunternehmer von seiner Konzession macht, durch die nur schließlich und offenbar als subsidiäres Mittel aufgeführte Befugnis der Unterdrückung beseitigt werden darf, sondern dass dieses an sich gehässige Mittel nur da zur Anwendung kommen darf, wo die regelmäßigen und gesetzlichen Präventivmaßregeln nicht Platz greifen können – ein Grundsatz, den das Ministerial-Reskript selbst anerkennt, indem es nur, weil es fälschlich den Redakteurwechsel und die Zensur hier für unzulänglich und wirkungslos hielt, die eventuelle Anwendbarkeit des Art: XVII. des Edikts behauptete.

Wo also der Redakteurwechsel (der untergebens im Werke war) ein Auskunftsmittel darbietet; wo die Zensur in ihrer ungeschmälerten Ausübung besteht und den behaupteten Tendenzmängeln vorbeugen konnte und musste, da darf gesetzlich von einer Konzessionsentziehung nicht die Rede sein. Eine solche würde nach dem Geiste des Zensur-Edikts und aller späteren Reskripte nur in zwei Fällen eintreten können. 1. wo bei der Wahl eines Redakteurs weder eine der Regierung genehme Person präsentiert, noch die geforderte Kaution geleistet worden wäre, und 2., wo durch Umgehung der Zensur oder vermittelst künstlicher und absichtlicher Täuschung derselben ein Missbrauch der Konzession bewirkt wäre – Fälle, die bei der Rheinischen Zeitung nicht vorliegen.

Die Richtigkeit dieser positiven Grundsätze geht a contrario aus der obigen Deduktion in Betreff der Bestimmungen über die Wahl der Redakteure und über den Beruf der Zensur hervor – sie findet aber auch eine gesetzliche Anerkennung in den schon angeführten Worten der Allerhöchsten Kabinets-Ordre vom 14ten Oktober 1842 über die Pflicht der Behörden zu berichtigen, indem dieses Gesetz die rechtliche Existenz der Zeitungen „von verderblichen Bestrebungen" anerkennt und zur Abwehr ihrer Tendenz der Täuschung und Lüge nicht die Konzessionsentziehung, sondern die Berichtigung des Falschen den Behörden zur Pflicht macht.

III. Die Tendenz.

Bisher ist immer von der Voraussetzung ausgegangen, dass die harten Vorwürfe, mit denen die Rheinische Zeitung in dem Ministerial-Reskript überschüttet wird, auch wirklich begründet seien. Es hat sich aus der bisherigen Deduktion herausgestellt, dass es darauf zur Beurteilung der Maßregel der Zensur-Ministerien zunächst gar nicht ankommt. Dennoch mag es hier versucht werden, auch in diesem Punkte die Schwäche der gegnerischen Argumentation nachzuweisen, wie misslich es auch sein mag, auf ganz allgemein gehaltene Beschuldigungen – auf Imputationen zu antworten, die nicht Tatsachen sondern Laster artikulieren, die nicht Taten, sondern den Charakter anklagen. In dieser Beziehung wird jedoch von vorne herein die Betrachtung trösten, dass der Vorwurf der Böswilligkeit und Perfidie einen so großen Kreis der geachtetsten Männer der Provinz trifft, dass dieser Umstand allein hinreicht, um die Anklage für zu voreilig zu erachten: Denn die Verwerflichkeit einer Richtung wird offenbar durch eine noch so kategorische Erklärung der Regierung keineswegs bewiesen. Es gab eine Zeit, wo die zeitweilige höchste Autorität das Kopernikanische Weltsystem nicht nur verwerflich fand, sondern auch wirklich verwarf. Wenn es also im Ministerial-Reskript heißt: „das Blatt verfolgte von seiner Entstehung ab eine so verwerfliche Richtung, dass etc. etc.", so fragt man billig nach dem Beweis.

Das Ministerial-Reskript antwortet:

Unverkennbar herrschte in der Zeitung fortgesetzt die Absicht vor, die Verfassung des Staates in ihrer Basis anzugreifen, Theorien zu entwickeln, welche auf Erschütterung des monarchischen Prinzipes abzielen, das Verfahren der Regierung in der öffentlichen Meinung böswillig zu verdächtigen, einzelne Stände der Nation gegen die andern aufzureizen, Missvergnügen mit den bestehenden gesetzlichen Zuständen zu erwecken und sehr feindselige Richtungen gegen befreundete Mächte zu begünstigen."

Der Rheinischen Zeitung werden nicht faktische Vergehen, ihr wird vielmehr nur die unverkennbare Absicht dieser Vergehen vorgeworfen. Unter diesen problematischen Freveln steht oben an die Absicht, die Verfassung des Staates in ihrer Basis anzugreifen. Nun herrscht aber bekanntlich eine große Meinungsverschiedenheit über die Verfassung des Preußischen Staates. Die Gesetze selbst stimmen hier nicht überein (exempla sunt odiosa). Im Jahre 1830 wird Hegel, im Jahre 1842 Stahl als offizieller preußischer Staats-Philosoph betrachtet. Die Preußische Staats-Zeitung erklärte zur Zeit der Juli-Revolution den Preußischen Staat für eine Monarchie, umgeben mit republikanischen Institutionen; sie erklärt ihn heute zu Tage für eine Monarchie umgeben mit christlichen Institutionen.

Friedrich der Große und die preußischen Staatsmänner Hardenberg, Stein, Schön hatten und haben ihre eigene Meinung von der Basis des Preußischen Staates, – Bülow-Cummerow und die modernen Staatsmänner haben die ihrige. Auch die Rheinische Zeitung hatte ihre eigene Meinung von der Preußischen Staatsverfassung und ihrer Basis, die sich allerdings oft in Widerspruch stellte mit der zeitweiligen Regierungsmeinung. Stellte sich aber die Rheinische Zeitung in solchen Widerspruch, so griff sie ihrer Überzeugung nach nicht die Basis der Preußischen Staatsverfassung, sondern vielmehr das Abweichen von dieser Basis an.

Was die „Theorie" betrifft, deren Zweck „die Erschütterung des monarchischen Prinzips" sein soll, so kommt alles darauf an, was man unter monarchischem Prinzip versteht.

Die Rheinische Zeitung z. B. erklärte einseitige Beamtenherrschaft, mittelalterliche Standesrechte, Zensur und dergleichen für Elemente, welche dem monarchischen Prinzipe widerstreiten. Sie hatte es überhaupt nicht, wie der gewöhnliche Liberalismus, vorzugsweise mit einer bestimmten Staatsform zu tun; es handelte sich ihr hauptsächlich um den Inhalt, um die Demokratie in dem Sinne, dass der freie Mensch das Prinzip des Staates sein solle. Sie verlangte die Bedingungen eines vernünftigen und sittlichen Gemeinwesens im Staate verwirklicht. Sie erblickte also im monarchischen Prinzip kein besonderes Prinzip, sondern das staatliche Prinzip überhaupt. Sie bewies eben dadurch, dass sie in dem monarchischen Staate die mögliche Verwirklichung des vernünftigen Staates erblicke.

Es ist niemals die Absicht der Rheinischen Zeitung gewesen „das Verfahren der Regierung in der öffentlichen Meinung böswillig zu verdächtigen", sie hat vielmehr aus gutem Willen die dem Volksgeiste widerstrebenden Maßregeln der Regierung selbst verdächtig zu machen gesucht.

Eben so wenig beabsichtigte die Rheinische Zeitung „einzelne Stände der Nation gegen die Andern aufzureizen"; sie reizte vielmehr jeden Stand gegen sich selbst, gegen seinen eigenen Egoismus auf; sie machte den Staatsbürger gegen den ständischen Bürger geltend; sie drückte hierin überdem nur einen rheinischen Provinzialismus aus, indem der Rheinländer jeden gesetzlichen Unterschied der Stände vor dem Gesetze perhorresziert.

Ferner die Anschuldigung: Die Rheinische Zeitung habe „Missvergnügen mit den bestehenden gesetzlichen Zuständen zu erregen" gesucht.

Auch die Regierung hat Missvergnügen mit den bestehenden gesetzlichen Zuständen z.B. mit den altpreußischen Ehezuständen, zu erregen gesucht. Jede Gesetzesrevision geht von einem solchen Missvergnügen aus. Da die Entwickelung der Gesetze nur durch eine Kritik der Gesetze möglich wird, da eine Kritik der Gesetze den Verstand, also auch das Gemüt mit ihnen entzweit, also Missvergnügen erwecken muss, so ist jede loyale Beteiligung der Presse an der Staatsverwaltung untersagt, sobald es ihr untersagt ist, Missvergnügen mit den bestehenden gesetzlichen Zuständen zu erwecken.

Die Rheinische Zeitung soll auch „sehr feindselige Richtungen gegen befreundete Mächte begünstigt" oder wie später ausgeführt wird, „selbst auswärtige Mächte sowohl innerhalb als außerhalb des deutschen Bundes beleidigt" haben.

Was die Bundesstaaten betrifft, so war die Rheinische Zeitung nur das Organ der Majorität der dortigen liberalen Volksvertreter. Kann man es aber eine Beleidigung der außerdeutschen Mächte nennen, wenn die Rheinische Zeitung Deutschland gegen die Anmaßungen dieser Mächte in Schutz nahm? die deutsche Nationalität gegen die Beleidigungen der fremden Nationalitäten vertrat?

Auf den Vorwurf, dass die „angeblichen Mängel der Staatsverwaltung meist aus der Luft gegriffen waren und größtenteils der Gründlichkeit und Sachkenntnis entbehrten, nicht in ernstem, ruhigen Tone, sondern unter gehässiger Anfeindung des Staates und seiner Verwaltungsformen und Organe entwickelt" wurden, genügt es, zu erwidern, dass Presse und Verwaltung verschiedene Ansichten über Gründlichkeit haben und haben müssen, dass die Heimlichkeit des Staatshaushaltes und aller Verwaltungs-Resultate eine vollständige Sachkenntnis fast unmöglich machen – für etwaige Unrichtigkeiten aber das Gegengift in der gesetzlich anbefohlenen Berichtigung stets zur Hand war; dass endlich der Ton der Sprache durchgängig vom Zensor nach seinem Gutdünken modifiziert wurde.

Wenn von der „Verfolgung loyaler Organe durch unwürdigen Spott" die Rede ist: so sind darunter wohl Zeitungen zu verstehen. Die Verspottung einiger Zeitungen aber selbst, wenn sie konstatiert wäre, könnte doch wohl keinen Grund zur Unterdrückung abgeben, da es keine offizielle Klassifikation derselben in Deutschland gibt.

Der Rheinischen Zeitung wird noch eine Untergrabung der Kirche vorgeworfen. Sie hat aber in Bezug auf Religion eine Aufgabe zu lösen gesucht, deren Lösung nach Art: II. des Zensur-Edikts vom 18ten Oktober 1819 der Zensur vorgeschrieben ist, nämlich „dem fanatischen Herüberziehen von Religionswahrheiten in die Politik und der dadurch entstehenden Verwirrung der Begriffe zu steuern". Religion und Politik zu scheiden ist sie unablässig bemüht gewesen, und immer und überall hat sie protestiert, wo Dogma oder Kirche ein Staatsgesetz bestimmten, mag es sich von einem katholischen Kniebeugungs-Gesetz in Bayern oder einem evangelischen Ehescheidungsgesetz in Preußen gehandelt haben.

Endlich spricht das Ministerial-Reskript auch von der „Böswilligkeit der ganzen Tendenz”. Hiernach würde der Kampf der Rheinischen Zeitung für Preußens Geistige Hegemonie, für Preußens Merkantil-System, für den deutschen Zollverein, hiernach würde die Sorgfalt, mit der sie jeden, auch den kleinsten Fortschritt anerkennend hervorhob – hiernach würde die warme Vaterlandsliebe, mit der sie für Deutschlands Ehre gegen Außen gestritten, mit der sie im Innern das wieder erwachte Nationalgefühl gehegt und gekräftigt, hiernach würde Alles das auch zum Symptome der Böswilligkeit werden.

Von allen Vorwürfen scheint also nur der der Konsequenz stehen zu bleiben. Die Konsequenz aber ist vielmehr ein Beweis aufrichtiger, einsichtsvoller Überzeugung als absichtlicher Böswilligkeit.

Eine Konsequenz schlechter Gesinnungen ist nicht wohl denkbar, da die Konsequenz der Gesinnungen – Gesinnung ist, die nicht schlecht sein kann.

Gesinnung zu betätigen ist die Rheinische Zeitung ins Leben gerufen worden. Sie wird ihr treu bleiben und nur der Gewalt weichen.

Steht es hiernach fest, dass sich alle die Vorwürfe des Ministerial-Reskripts bei einer genauem Betrachtung in gerades Gegenteil umwandeln, so ist wenigstens so viel gewiss, dass diese Beschuldigungen in ihrer jetzigen Unbestimmtheit zum Verbot keiner oder jeder Preußischen Zeitung ausreichen.

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