Arnold Ruge: Brief an Karl Marx in Köln Dresden, 18. Februar 1843 [Nach Marx Engels Gesamtausgabe (MEGA). Dritte Abteilung. Briefwechsel, Band 1. Berlin 1975, S. 393 f.] Dresden den 18 Febr. 43. Lieber Freund, Die Nachricht über Herwegh halt ich noch nicht für authentisch; sodann wusste Herwegh schon vor seiner Reise von einer solchen Intention Bluntschlis und der Septemberpartei, dachte in diesem Fall in ein Örtchen ¼ Stunde von Zürich zu ziehen, und dort den Mai und die Großratswahlen abzuwarten, in denen ja wahrscheinlich die Septembristen gänzlich gestürzt werden. Wir nun können doch vor dem 1. Juli kaum in Gang kommen, werden also jedenfalls von den Mai Wahlen profitieren, wenn wir auf Zürich reflektieren. Es stehen uns sonst ja aber auch immer noch Kantönlis genug offen, selbst Strasburg und Brüssel und dergl. größere. Wenn Ihre Redaktionsqual in Köln zu Ende ist, müssen wir zusammenkommen, und da wird es wohl das Gescheiteste sein, dass Sie nach Leipzig kommen, versteht sich auf Regimentsunkosten und dann entweder einige Monate hier in Dresden bleiben oder gleich an den Ort unserer Wiedergeburt vorauseilen. Ich selbst will nämlich den Sommer ein paar Monate mit meiner Frau nach der Schweiz und an den Rhein, um mal wieder alte Freunde und neue Leute zu sehen, meine Frau aber ein andres Land und Leben kennen zu lehren. Hier wegzugehen und mich mit der Familie auf die Wanderschaft zu begeben, halt' ich noch nicht für nötig. Im Gegenteil, es lebt und wohnt sich hier so gut, als unter den Schweizerphilistern. Ein andres ist es freilich mit Preußen, wo sie alle Tage aus Ordonanzen Gesetze machen und Privilegien eine gewöhnliche Form sind. Sie sehen, lieber Freund, dass ich nicht die Absicht habe, einseitig unsern Plan auszubilden, und dass ich dazu durchaus für nötig halte, dass wir 1, mit Wigand zusammen alles genau bereden und festsetzen, 2, dass wir dann ebenfalls in der Schweiz oder wo es nun sei die Sache persönlich einrichten und in Gang bringen, um allen Plackereien der Lokalbehörden gleich gründlich entnommen zu sein. 3, dass ich sehr eifrig zu der Reise in die Schweiz die gute Jahreszeit wünsche, doch natürlich meine Wünsche im Notfall der Sache aufopfre, – wobei sich's aber von selbst versteht, dass zu der Einrichtung jenseits der Grenze vornehmlich nur Wigand nötig ist, und dass ich für meine Person immer noch warten kann, wenn auch Wigand gleich im April die Expedition vornehmen will. Bluntschli wiederzusehen, den ich persönlich kenne, soll mir viel Spaß machen. Nach den Maiwahlen, wenn sie geschlagen werden, wäre die Sache noch pikanter, als vorher, wo die Religion noch triumphiert. Ich habe durch eine Korrespondenz in der Leipziger Zeitung, die ich Wigand auch für die Rheinische zugeteilt, eine vorläufige Nachricht ausgehen lassen, dass wir zusammen die Jahrbücher fortsetzen werden. Ich selbst konnte dies noch nicht mit unserer Namensunterschrift erklären, weil ich dadurch unmittelbar meine Beschwerde beim Landtag aufgehoben hätte und den Fortgang dieser Sache nicht hindern will. Die Anecdota, die längst fertig sind, kommen immer noch nicht an. Fröbel scheint sehr saumselig zu sein. Wenn wir Ort, Form, Versendungsweise und alle diese Äußerlichkeiten sicher haben – erst dann wollen wir unsern Prospekt, auf den sehr viel ankommt, in die Welt gehen lassen. Unterdessen mag die Reaktion ihre Streiche ins Blaue führen, denn da wir selber noch Alles in Suspenso lassen, so wird weder Berlin noch Basel noch Zürich scharfsinnig genug sein, um das ungelegte Ei im Voraus zu schichten. Grüßen Sie Jung herzlich. In einigen Wochen sprech' ich Wigand. Dann schreib' ich Ihnen sogleich, was wir über unsere Zusammenkunft und die weiteren Reisen ausgemacht haben. Jede Nachricht von Ihnen interessiert mich. Enthalten Sie mir nichts vor und schreiben Sie mir sobald Sie eine Veranlassung finden. Für die Zeitung korrespondiert von hier ein gewisser Pfützner, der sehr leichtsinnig zu Werke geht und dabei auf eine ungeschickte Weise gegen die Minister polemisiert, indem er schlechte Witze reißt und nicht auf die Sache selbst eingeht. So entstellt er viele Tatsachen, die nachher durch die Landtagsmitteilungen widerlegt werden. Neulich war er sogar so indiskret ein Gespräch des Ministers mit Todt, das in der Garderobe vorgefallen war, in die Kammer zu verlegen. Der Könneritz hatte wohl scherzweise zu Todt in der Garderobe gesagt, „er würde aus den Akten nur wieder neues Gift saugen", und dies unparlamentarische Diktum verlegt Pfützner in die Kammer. Sie könnten von ihm verlangen, dass er hineingeht, wenn er berichten will und dass er dies nicht nach hörensagen aus dem Museum tut. Solche Dokumente aber, wie die Antwort der Deputation auf das konstitutionswidrige Dekret des Könneritz hätte er Ihnen mindestens in extenso abschreiben sollen. Sie werden es jetzt aus der Leipziger entnehmen müssen. Ein besserer Korrespondent ist Wittig und noch besser wäre Leupoldt Addr. Arnoldsche Buchhandlung. Doch haben wir, namentlich ich durch Leupoldt, dem H. Pfützner sein Verfahren wiederholt und dringend verwiesen. Vielleicht hilft es. Leupoldt korrespondiert für Brockhaus. Ich selbst kann mir keine Zeit abbrechen, um morgens in die Kammer zu gehen und muss gestehen, dass ich diese Galgenfrist der Zeitung zu benutzen und dieser Zensur in die Schere zu laufen gar nicht aufgelegt bin. Wundern muss man sich immer noch, dass doch noch hin und wieder ein interessantes Blatt kommt. Mit den besten Grüßen auf baldiges Wiedersehen Ihr A. Ruge. Bitte um Aufgabe des Briefes an Fleischer. |