Die Artikel: „Der wirtschaftliche Zerfall droht“ – und „Die unvermeidliche Katastrophe und die maßlosen Versprechungen“, die am 14./27., 16./29. und 17./30. Mai 1917 in der „Prawda“ erschienen, beschäftigen sich mit der schweren Wirtschaftskrise, die Russland im Mai und Juni 1917 durchmachte, und mit den Wegen, die eingeschlagen werden mussten, wenn das Land aus der katastrophalen Wirtschaftslage herauskommen sollte. Im ganzen Lande vollzog sich ein rascher Zerfall der gesamten Volkswirtschaft. Es näherte sich der Zusammenbruch der Industrie, der Landwirtschaft und des Transportwesens sowie der Finanzbankrott, die Verpflegungskrise verschärfte sich immer mehr, der Warenhunger wuchs, die Arbeitslosigkeit nahm dauernd zu usw. Die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre jedoch, die in der Provisorischen Regierung saßen, beschäftigten sich, anstatt sofortige revolutionäre Maßnahmen zu ergreifen, mit der bloßen Ausarbeitung von Plänen, mit der Schaffung eines Netzes von toten bürokratischen Einrichtungen, mit der Herstellung von „engen organisatorischen Verbindungen“, mit dem Herausfinden der „allgemeinen Prinzipien der Regulierung“, mit der Einsetzung von Kommissionen, mit Beratungen gemeinsam mit den Unternehmern und mit Besprechungen über die Kontrolle der Kapitalisten durch den Staat, in welchem die Kapitalisten selbst die Macht in den Händen hatten. Während die kleinbürgerlichen Sozialisten sich mit diesem Gerede abgaben, klammerten sich die Kapitalisten hartnäckig an ihren Gewinn, erzielten gewaltige Profite, durchbrachen ungeniert die Bestimmungen der Regierung über die festen Preise, über die Staatsmonopole usw. In einer Reihe solcher Orte, wo schwache Versuche gemacht wurden, die Kapitalisten zu zügeln, desorganisierten sie bewusst die Produktion, legten sie Betriebe still, warfen die Arbeiter auf die Straße, plünderten die Wirtschaft in der ungeheuerlichsten Weise, verschlimmerten die Anarchie in der Industrie, plünderten systematisch das Nationaleigentum und betrieben konterrevolutionäre Sabotage. Den einzigen Ausweg aus der so geschaffenen Lage, die einzige Rettung vor der herannahenden Wirtschaftskatastrophe erblickte Lenin ebenfalls in der Kontrolle über die Kapitalisten, aber nicht in der Kontrolle durch einen Staat, in welchem die Regierungsmacht in den Händen der Kapitalisten liegt. Für Lenin war die Bedingung einer wirklichen Kontrolle über die Kapitalisten die Lösung der folgenden vier Hauptfragen: „ … wie soll man sich anstellen, damit 1. die Profite der Kapitalisten nicht in der Tat geschützt werden; 2. damit der Schleier des Geschäftsgeheimnisses gelüftet wird; 3. damit in den kontrollierenden Institutionen die Mehrheit den Arbeitern gesichert wird; 4. damit die Organisation (der Kontrolle und Leitung) als Organisation ,im Staatsmaßstabe' von den Räten der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten, nicht aber von den Kapitalisten geleitet wird …“ (siehe „Die Zerrüttung und der Kampf gegen sie“). Die ganze Frage war die, eine Kontrolle der Werktätigen selbst und vor allem eine Kontrolle durch das Proletariat, eine Arbeiterkontrolle über die Kapitalisten einzuführen; jede andere Kontrolle musste unwirksam bleiben. Aber eine solche Kontrolle konnte nur ein Staat organisieren, in welchem die Regierungsmacht nicht dem Kapitalisten, sondern den „Proletariern und Halbproletariern“ gehörte, d. h. die Sowjetrepublik. Diesen Gedanken, dass der Ausweg aus der Zerrüttung durch eine wirkliche Kontrolle der Produktion, der Verteilung und des Kredits (der Banken) nur möglich ist, wenn die Arbeiterklasse durch die Räte die Macht übernimmt, entwickelte Lenin im Jahre 1917 in einer Reihe von Artikeln. Dieser Gedanke liegt auch den beiden vorliegenden Artikeln zugrunde. Er ist nichts anderes als die Anwendung der „Losung“ der Kontrolle über die Produktion und die Verteilung der Produkte durch die Arbeiter- und Soldatendeputiertenräte, die Lenin schon in den Thesen vom 4./17. April aufgestellt hatte, in der gegebenen Wirtschaftslage. In der Arbeit „Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten?“, die am Vorabend der Eroberung der Macht durch das Proletariat geschrieben wurde, stellte Lenin diese durch die proletarische Staatsmacht zu verwirklichende Arbeiterkontrolle an die Spitze des Wirtschaftsprogramms des proletarischen Umsturzes als eine der Übergangsmaßnahmen zum Sozialismus, und zwar wiederum in voller Übereinstimmung mit seinen Aprilthesen. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6, Anm. 41] |
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