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USPD und Räte

Die „Anerkennung der Diktatur des Proletariats in Worten“ durch die 1917 durch die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie entstandene zentristische „Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands" (mit Kautsky, Haase, Hilferding und Ledebour an der Spitze) kam unter anderem darin zum Ausdruck, dass diese Sozialdemokraten unter dem Einfluss des Aufschwungs der revolutionären Bewegung des Proletariats im Jahre 1919 sich auf ihrem Parteitag im März dieses Jahres für die Umwandlung der in Deutschland entstandenen Arbeiterräte in Organe der Staatsmacht aussprachen, aber nur in der Gestalt eines Anhängsels des bürgerlichen Parlaments. Im April desselben Jahres brachte die Fraktion der Unabhängigen auf dem II. deutschen Rätekongress sogar eine Resolution und einen Entwurf von „Direktiven“ ein, worin von der Übergabe der „ganzen politischen Macht“ an die Räte und an ihren Kongress gesprochen wurde. Aus Anlass der Resolution der Unabhängigen, die sie auf ihrem Parteitag im März 1919 beschlossen hatten, schrieb Lenin in dem Artikel „Die Helden der Berner Internationale“: „Dieser Versuch, die Diktatur der Bourgeoisie mit der Diktatur des Proletariats zu vereinen, bedeutet die vollkommene Absage an den Marxismus wie auch an den Sozialismus überhaupt, sie ist eine Außerachtlassung der Erfahrung der russischen Menschewiki und Sozialrevolutionäre, die vom 6./19. Mai bis zum 25. Oktober/7. November 1917 die ,Erfahrung' der Vereinigung der Räte als ,staatliche OrganisationenI mit der bürgerlichen Staatlichkeit gemacht und dabei schändlich Schiffbruch erlitten haben“. Und über die Resolution für die Übergabe der „ganzen politischen Macht“ an die Räte, die die Unabhängigen dem II. Rätekongress Deutschlands vorlegten, schrieb Lenin, der das Fazit aus ihrer ganzen Politik zog, in demselben Artikel: „Wir sehen infolgedessen, wie sich die ,unabhängigen“ Führer als klägliche Kleinbürger erwiesen haben, die restlos von den philisterhaften Vorurteilen des rückständigsten Teils des Proletariats abhängig sind. Im Herbst 1918 sprechen sich diese Führer durch den Mund Kautsky gegen jedwede Umwandlung der Räte in eine staatliche Organisation aus. Im März 1919 geben sie, im Schlepptau der Arbeitermassen segelnd, diese Position auf. Im April 1919 werfen sie den Beschluss ihres Parteitages wieder um und stellen sich ganz und gar auf die Position der Kommunisten: ,Alle Macht den Räten!' Solche Führer sind nicht viel wert … zu ihnen darf man kein Vertrauen haben.“ Lenin behielt selbstverständlich recht. Nach der Niederlage des deutschen Proletariats verrieten die Führer der Unabhängigen, die auf den Höhepunkt des Kampfes im Jahre 1919 in Worten für die „Rätemacht“ waren, in Wirklichkeit das Proletariat, stellten sich auf die Seite des Sozialdemokraten Noske, der als „Bluthund“ der Bourgeoisie diese Bewegung unterdrückte, und ließen die Losung der Rätemacht fallen. Als der Parteitag der Unabhängigen zunächst in Leipzig Ende 1919 und dann in Halle 1920 mit den Stimmen des vorgeschrittenen Teiles seiner Arbeitermitglieder den Anschluss an die Kommunistische Internationale beschloss, spalteten sich die Kautsky und Konsorten 1921 von dar Partei ab und gründeten die sogenannte „Internationale Zweieinhalb“, die sich im Grunde nur durch scheinmarxistische Phrasen von der II. Internationale unterschied, und dann vereinigten sie sich, mit Ausnahme einer kleinen, von Ledebour geführten Gruppe mit der deutschen Mehrheitssozialdemokratie und kehrten 1923 in die II. Internationale zurück. Die Longuetisten nahmen 1919 ungefähr dieselbe Stellung wie die Unabhängigen in Deutschland ein und bildeten einen Teil der Französischen Sozialistischen Partei. Als auf dem Parteitag dieser Partei in Tours 1920 die Mehrheit den Anschluss an die Kommunistische Internationale vollzog, spalteten sich die Longuetisten von der Partei ab und gingen dann denselben Weg wie die Unabhängigen. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 6, Anm. 171]

Es handelt sich hier um einen Artikel Hilferdings, der in der „Freiheit“, dem Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands (der Kautskyaner), am 9. Februar 1919 erschien und den Vorschlag enthielt, das Rätesystem auf dem Wege der Gesetzgebung mit dem bürgerlichen Parlamentarismus zu vereinigen. Vordem hatte Kautsky in derselben Zeitung den Vorschlag gemacht, die Räte als wirtschaftliche, nicht aber als staatliche Organisationen beizubehalten. Am 11. Februar wurde der Antrag Hilferdings von der USPD angenommen und als Aufruf veröffentlicht. Am 11. August 1919 wurde die Verfassung der Deutschen Republik von der Nationalversammlung angenommen. Diese Verfassung „legalisierte“ die Betriebsräte und räumte ihnen das Recht ein, über Berufs- und wirtschaftliche Fragen zu beraten.

Die Kritik dieser opportunistischen Ideen Kautskys und Hilferdings von einer Kombinierung der Räte mit dem bürgerlichen Parlamentarismus lieferte Lenin in seiner Arbeit „Thesen und Referat über bürgerliche Demokratie und Diktatur des Proletariats“ und im Artikel „Die Helden der Berner Internationale“ (Sämtliche Werke, Bd. XXIV). [Ausgewählte Werke, Band 8]

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