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Semlja i Wolja 1876

Es kam 1878/79 zur Gründung der revolutionären Organisation „Land und Freiheit“, der ersten revolutionären Partei in Russland. Die Erfolglosigkeit der Agitation unter den Bauernmassen und die Verfolgungen durch die Regierung stießen diese Revolutionäre auf den Weg des Terrors als politischen Kampfmittels. 1879 kam es zur Spaltung. Es löste sich die Gruppe der „Schwarzen Umteilung“ los, welche die alten Traditionen des Narodnikitums vertrat und die Losung der allgemeinen Neuaufteilung, der „Umteilung“ des gesamten Grund und Bodens ausgab, und zwar der Umteilung auf revolutionärem Wege durch das Volk selbst, ohne Bewilligung von oben, also „schwarz“, welcher Ausdruck von den Bauern geprägt war. Die Gruppe der „Schwarzen Umteilung“ zerfiel nach einigen Jahren. Im Jahre 1883 vollzog ein Teil der Führer der „Schwarzen Umteilung“ den Bruch mit den Anschauungen des Narodnikitums und stellte sich auf den Standpunkt der Anerkennung der Selbständigkeit des proletarischen Klassenkampfes. [Lenin, Ausgewählte Werke Band 3, Anm. 21]

Semlja i Wolja" (Land und Freiheit) – eine volkstümlerische Organisation, die im Herbst 1876 in Petersburg entstand (die ursprüngliche Bezeichnung der Organisation lautete: „Volkstümlerisch-revolutionäre Gruppe des Nordens"). Den Kerntrupp der „Semlja i Wolja" bildeten: Mark und Olga Natanson, A. Michailow, D. Lisogub, A. Kwjatkowski, G. Plechanow, Sundelewitsch, Aptekman, später Perowskaja, Stepnjak-Krawtschinski, Klemenz, Morosow und Tichomirow. Die „Semlja i Wolja" war nach dem Prinzip des Zentralismus und der Konspiration aufgebaut und suchte in der Jugend, unter den Arbeitern und den Bauern Verbindungen anzuknüpfen. Sie unterstützte die Streikbewegung (in den Jahren 1878 und 1879) und organisierte ein Netz von Siedlungen in den Dörfern. Die bekannte Demonstration auf dem Kasaner Platz in Petersburg, die am 6. (18.) Dezember 1876 stattfand, war von der „Semlja i Wolja" organisiert. Die Annäherung der „Semlja i Wolja" an die Arbeiter erlangte jedoch keine größere Bedeutung, und die Petersburger Arbeiter schufen neben der „Semlja i Wolja" ihre eigene Organisation – den „Nordrussischen Arbeiterbund" (in den Jahren 1878 u. 1879; S. Chalturin, W. Obnorski). Die Siedlungen, die zu Zwecken der Agitation und der Propaganda auf dem Lande organisiert worden waren, wurden nach und nach von der Polizei verdrängt und aufgehoben, und im Frühjahr 1879 zeigte es sich, dass von der Tätigkeit der „Semlja i Wolja" auf dem Lande, die zu keinem allgemeinen Bauernaufstand geführt hatte, keine Spuren mehr vorhanden waren. Gleichzeitig mit der „Semlja i Wolja" wirkten in Südrussland andere, ihr verwandte Gruppen (Debagorij-Mokrijewitsch, V. Sassulitsch, Stefanowitsch, Deutsch). Die beiden letztgenannten versuchten einen Bauernaufstand im Kreis Tschigirin zu organisieren, der mit einem Misserfolg endete. Sie hatten ein gefälschtes Manifest in Umlauf gesetzt, das im Namen des Zaren abgefasst war. Die „Semlja i Wolja" leugnete ursprünglich die Notwendigkeit des Kampfes für politische Freiheit, sie hielt den unmittelbaren Übergang zum Sozialismus für möglich. Später unter dem Einfluss der Misserfolge begannen sich die Ansichten der „Semlja i Wolja" zu ändern, und die Idee der politischen Freiheit (der „Konstitution") erhielt eine gewisse Anerkennung. Als Methode des Kampfes für die Freiheit galt der Terror. Die „Semlja d Wolja" hatte auch schon früher zu Defensivzwecken zu terroristischen Attentaten gegen einzelne Vertreter der Regierung gegriffen. Jetzt nach dem Misserfolg der sozialistischen Agitation in der Bauernschaft aber begann in den Reihen der „Semlja i Wolja" die Ansicht die Oberhand zu gewinnen, dass der politische Terror „die Verwirklichung der Revolution in der Gegenwart, die furchtbarste Waffe für unsere Feinde, eines der Hauptmittel des Kampfes gegen den Despotismus" sei. Eine solche Erklärung, die in den Spalten des offiziellen „Blattes" der „Semlja i Wolja" (Nr. 2/3) abgegeben wurde, bedeutete eine entschiedene Wendung in der Taktik der „Semlja i Wolja". Die Parteikongresse von Lipetzk und Woronesch, die im Juni 1879 stattfanden, sanktionierten die Änderung der Kampfmethoden der „Semlja i Wolja". Im Zusammenhang damit erfolgte damals die Spaltung der „Semlja i Wolja". Die Anhänger der neuen Taktik (mit Scheljabow an der Spitze) gründeten die Partei „Narodnaja Wolja" (Volkswillen), die Mitglieder der „Semlja i Wolja" aber, die das frühere Programm und die frühere Taktik der „Semlja i Wolja" beibehalten wollten, gründeten die Gruppe „Tschorny Peredjel" (Schwarze Umteilung), (Plechanow, Stefanowitsch, Deutsch, Aptekman, Sassulitsch, Axelrod). Die „Semlja i Wolja" gab die Zeitschriften „Natschalo" (Der Anfang), „Letutschij listok" (Das Flugblatt), „Semlja i Wolja" (fünf Nummern in der Zeit vom Oktober 1878 bis April 1879), „Blatt" der „Semlja i Wolja" (sechs Nummern) heraus. Der „Tschorny Peredjel", der bis zum Jahre 1881 bestand, hatte keine praktische Bedeutung, er war für einen Teil der Mitglieder der „Semlja i Wolja" (Plechanow, Axelrod, Sassulitsch) die Übergangsstufe von der volkstümlerischen Bewegung zum Marxismus und zur Sozialdemokratie. Die Gruppe hat vier Nummern des „Tschorny Peredjel" herausgegeben.

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