Glossar‎ > ‎

revolutionäre Gesetzlichkeit

Die von Lenin erwähnte Broschüre „Befolgt die Gesetze der Sowjetrepublik“ wurde von A. Goichbarg im Jahre 1919 geschrieben. Die Broschüre erläuterte in gemeinverständlicher Form den im Anfang veröffentlichten Beschluss des VI. Sowjetkongresses vom 8. November 1918 über die Erfüllung der Gesetze.

Der Grundgedanke des Beschlusses ist in folgenden Punkten enthalten:

1. Alle Bürger der Republik, alle Organe, alle Amtspersonen der Sowjetmacht werden zur striktesten Einhaltung der Gesetze der RSFSR aufgefordert …

2. Von nun ab wird verordnet, dass Maßnahmen, die von den Gesetzen der RSFSR abweichen oder über ihren Rahmen hinausgehen, nur in solchen Fällen zulässig sind, wenn sie durch außerordentliche Maßnahmen im Bürgerkrieg und durch den Kampf gegen die Konterrevolution veranlasst wurden …

3. Allen Amtspersonen und allen Sowjetbehörden wird zur Pflicht gemacht, auf Forderung jedes beliebigen Bürgers der Republik, der wegen ihrer Handlungsweise, wegen Verschleppung seiner Angelegenheit oder wegen der ihm bei der Wahrung seiner gesetzlichen Ansprüche verursachten Schwierigkeiten Klage führen will, ein entsprechendes kurzes Protokoll aufzustellen. …“

Die Tatsache, dass Lenin im vorliegenden Brief anlässlich dieser Verordnung des VI. Sowjetkongresses die besondere Aufmerksamkeit „aller Kollegienmitglieder und Volkskommissare sämtlicher Kommissariate“ auf „die unbedingte Notwendigkeit einer strengen Einhaltung dieses Gesetzes“ lenkt, zeigt, welch große Bedeutung er der Einhaltung dar Sowjetgesetz« und der Festigung der revolutionären Gesetzlichkeit beimaß. Darüber kann man sich auch aus anderen Bemerkungen Lenins zu dieser Frage, die in einer Reihe seiner Reden und Artikel verstreut sind, ein Bild machen.

Lenin, der bereits in den ersten Jahren des Bestehens des proletarischen Staates die Bedeutung der Sowjetgesetze für die Verankerung der Errungenschaften der Oktoberrevolution sowie für deren Vertiefung hervorhebt, stellt im Jahre 1921 die Aufgabe der Verwirklichung der revolutionären Gesetzlichkeit als eine überaus wichtige, mit der Einführung der neuen ökonomischen Politik verbundene Aufgabe auf. In seinem Bericht auf dem IX. Sowjetkongress sprach Lenin, der die ungeheure Bedeutung der Tscheka für die proletarische Revolution hervorhob und den Vorschlag machte, die Tscheka zur GPU (Staatliche Politische Verwaltung) zu reorganisieren, gleichzeitig über die Bedeutung der revolutionären Gesetzlichkeit unter den Verhältnissen der neuen ökonomischen Politik.

Auf die Frage der revolutionären Gesetzlichkeit kommt Lenin ferner im Brief an Genossen Stalin „Über die ,doppelte' Unterordnung und die Gesetzlichkeit“ (siehe Sämtliche Werke, Bd. XXVII), der den Rechten und Pflichten der Sowjetstaatsanwaltschaft gewidmet ist, speziell noch einmal zu sprechen.

Die Leninsche Auffassung von der revolutionären Gesetzlichkeit schließt eine formalistische Deutung und Durchführung der Gesetze im praktischen Leben absolut aus. Von der Unzulässigkeit eines solchen Herangehens zeugen Lenins Hinweise darauf, dass ein „rein formales“ Herangehen an die Fragen „ein von Grund auf falsches Herangehen“ bedeutet. Davon spricht Lenin auch in seiner Rede auf der Maikonferenz, wo er auf die Pflicht der Volksgerichte hinweist, Amtspersonen dafür zu bestrafen, dass Arbeiter oder Bauern, die sich an Behörden wenden, „auf ein zwar formal richtiges, aber dem Wesen nach verhöhnendes Verhalten“ stoßen.

Die Durchführung der revolutionären Gesetzlichkeit muss mit der Verwirklichung der Politik der Partei zur Festigung der Diktatur des Proletariats, zur Stabilisierung des Bündnisses zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft, zur Entfaltung des sozialistischen Aufbaus unter Berücksichtigung der Eigentümlichkeiten dieser Politik in jeder neuen Etappe unzertrennlich verknüpft sein.

Eine solche Auffassung von der revolutionären Gesetzlichkeit, nach der das Gesetz in den Händen des proletarischen Staates eine Waffe zur Niederhaltung des Widerstandes der Klassenfeinde und zur Beschleunigung des sozialistischen Aufbaus und der Aufhebung der Klassen ist, ist der Auffassung von der revolutionären Gesetzlichkeit, die von den Rechtsopportunisten vertreten wurde, vollkommen fremd. Ausgehend von der vom Genossen Bucharin entwickelten Theorie des „Erlöschens des Klassenkampfes" deuteten die Rechtsopportunisten die Sowjetgesetze als Mittel einer Aussöhnung der Klassen und einer Abschwächung der Gegensätze in der Sowjetunion. [...] [Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 128]

Kommentare