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Rat des vereinigten Adels

Der Rat des Vereinigten Adels, auf dem Adelskongress im Mai 1906 gegründet, war eine Organisation der Gutsbesitzer zum Kampfe gegen die Revolution. Schon im Februar 1905 entstand unter dem Adel des Gouvernements Saratow der Gedanke dieser Organisation, und im September 1905 fand in Saratow eine Versammlung der Gründer dieser Organisation statt, die sich als „Reichsverband der Grundbesitzer aller Stände ohne Unterschied des Bodenbesitzes“ nannte. Unter dieser Bezeichnung wollten die Gutsbesitzer ihr wirkliches Gesicht verstecken, aber das von ihnen beschlossene Programm zeigte den Klassencharakter dieses „Verbandes aller Stände“ auf. So erklärte die Gründerversammlung zur Bodenfrage, dass der Großgrundbesitz „unzerstörbar und unantastbar“ sein müsse, dass die Bodennot der Bauern nur auf dem Wege des freiwilligen Verkaufs von Boden an sie überwunden werden könne und dass von irgendeiner zwangsweisen Enteignung des Bodens keine Rede sein dürfe. Im Dezember 1905 fand der Gründungskongress der Grundherren statt, auf dem sich ziemlich entschiedene Stimmen der Unzufriedenheit der adligen Gutsbesitzer mit der Tätigkeit der Regierung erhoben. Der Regierung wurde zur Last gelegt, dass sie die Unantastbarkeit des gutsbesitzerlichen Eigentums nicht genügend schütze und die Freiheiten fördere (die Gutsbesitzer bezeichneten als „Förderung der Freiheit“ sogar jene wütende Abrechnung mit der Revolution, die zu jener Zeit der Absolutismus durchführte). Der Kongress forderte die Regierung auf, den Kampf gegen die Revolution entschiedener zu führen. Auf dem Kongress im Februar 1906 waren die adligen Grundherren mit der Art, wie die Regierung für die Niederwerfung der Revolution sorgte, schon mehr zufrieden. Dem General Dubassow, der den bewaffneten Aufstand in Moskau unterdrückt hatte, und auch anderen Unterdrückern der Revolution wurde der Dank ausgesprochen. In der Agrarfrage stellte der Kongress an die Regierung die Forderung, die Gutsherren für alle Verluste zu entschädigen, die sie durch die revolutionäre Bauernbewegung erlitten hatten. Am 22. April/5. Mai 1906 fand ein Kongress der hervorragendsten Vertreter des Adels statt. Dieser „Adelszirkel“, wie er genannt wurde, organisierte den allgemeinen Adelskongress, der im Mai 1906 stattfand und den Rat des Vereinigten Adels wählte. Die weitere Tätigkeit des konterrevolutionären Grundadels vollzog sich unter der Führung dieser Organisation. Das Programm und die Politik des Rates des Vereinigten Adels bestimmten die Politik der Regierung. So gab z. B. der zweite Adelskongress im November 1906 der Regierung bekannt, dass er mit der Wahlordnung der Reichsduma unzufrieden sei, weil bei einer solchen Wahlordnung „das Besitzerelement bei den Wahlen vom proletarischen Element an die Wand gedrückt wird“, und dass darum die adligen Grundbesitzer nicht die von ihnen gewünschte Rolle spielen können. Der Regierung wurde vorgeschlagen, „fest zu erklären, dass Russland ein Land des Eigentums ist“ und dass für eine proletarische Richtung in Russland „kein Platz“ sei. Das neue Wahlgesetz für die Duma, auf Grund dessen die dritte Duma gewählt wurde, entsprach bereits den Anforderungen des Adels. Auf dem Gebiete der Agrarpolitik ließ sich der Zarismus im Großen und Ganzen ebenfalls von den Klasseninteressen der adligen Grundbesitzer leiten, die vom Rat des Vereinigten Adels zum Ausdruck gebracht wurden. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 108]


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