Der Parteirat, der am 13. und 18. Juni 1904 in Genf seine Sitzungen abhielt, war folgendermaßen zusammengesetzt: Plechanow – Vorsitzender, Axelrod und Martow – Vertreter des Zentralorgans, Lenin und der Versöhnler Noskow (Glebow) – Vertreter des Zentralkomitees. In der ersten Sitzung wurden hauptsächlich die Fragen der Teilnahme an der Konferenz der in Russland wirkenden oppositionellen und revolutionären Parteien und des bevorstehenden Internationalen Kongresses in Amsterdam besprochen. Auf der Tagesordnung der zweiten Sitzung standen innerparteiliche Fragen. Zu diesen Fragen nahm der Parteirat folgende Resolutionen an (veröffentlicht in Nr. 68 der „Iskra" vom 25. Juni 1904): „1. Der Parteirat der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands beschließt: Mitglieder des Parteirats sind – mit Ausnahme des vom Parteitag gewählten – die Delegierten der beiden zentralen Körperschaften (des Zentralorgans und des Zentralkomitees), deren Tätigkeit der Parteirat miteinander in Einklang zu bringen und zusammenzufassen hat (§ 5 des Statuts). Diese vier Mitglieder des Parteirats können von den Körperschaften, die sie vertreten, abgesetzt werden und sind diesen Körperschaften verantwortlich. (Einstimmig angenommen.) 2. Um in Zukunft bei der Bestimmung der Zahl der Stimmen, die nach dem Parteistatut für die Kooptation eines neuen Komiteemitglieds notwendig sind, Missverständnisse zu vermeiden, erklärt der Parteirat: In den Fällen, wo die von § 12 des Statuts verlangten zwei Drittel der vorhandenen Zahl der Komiteemitglieder eine ganze Zahl mit einem Bruch beträgt, wird dieser Bruch nicht gerechnet, wenn er ein Drittel beträgt, dagegen wird er als 1 gerechnet, wenn er zwei Drittel beträgt. (Angenommen mit vier Stimmen.) 3. In Anbetracht dessen, dass a) in der Partei Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob die Komitees das Recht haben, Mitglieder abzulehnen, die das Zentralkomitee vorschlägt; dass b) auf dem Boden dieser Meinungsverschiedenheiten Streitigkeiten entstehen, die die örtliche Bewegung zu desorganisieren drohen, – beschließt der Parteirat, folgende Erläuterung zum Parteistatut zu geben: Auf Grund des § 12 des Statuts haben die Komitees das Recht der Kooptation, die als beschlossen gilt, wenn eine Zweidrittelmehrheit für den betreffenden Kandidaten gestimmt hat. Gegen den Beschluss der Kooptation kann beim Parteirat Einspruch erhoben werden, und nur der Parteirat hat das Recht, den gefassten Beschluss aufzuheben. Dem Zentralkomitee wird auf Grund des Statuts die Sorge für die Verteilung der Kräfte in der Partei auferlegt. Zur Erfüllung dieser Pflicht braucht das Zentralkomitee nicht das appellationslose Recht, die von ihm bestimmten Kandidaten in die Ortsorganisationen einzuführen, denn das würde zur vollständigen Vernichtung der Autonomie der Ortsorganisationen und zur Diskreditierung des Zentralkomitees führen, es würde die Verantwortung aller zentralen Parteikörperschaften vor der Partei zu einer fiktiven machen. Wenn das Zentralkomitee einem Ortskomitee einen Kandidaten empfiehlt, so hat es, wenn das Ortskomitee den Kandidaten ablehnt, auf Grund des § 12 des Parteistatuts die Möglichkeit, an den Parteirat zu appellieren. Angesichts des oben Auseinandergesetzten ist der Parteirat der Meinung, dass die Parteikomitees – sowohl dem genauen Sinn des § 12 des Statuts nach als auch nach dem ganzen Geiste unserer Parteiorganisation, die die Verantwortlichkeit des Zentralkomitees vor dem aus den Vertretern der Ortskomitees zusammengesetzten Parteitag festsetzt – nicht verpflichtet sind, in ihren Bestand Kandidaten aufzunehmen, die das Zentralkomitee vorschlägt. (Angenommen mit vier Stimmen.) 4. Fliegt ein Ortskomitee vollständig auf, so ist seine Erneuerung Pflicht des Zentralkomitees. Sollte sich in diesem Falle ein Komitee bilden, dessen Mitglieder nicht vom Zentralkomitee bevollmächtigt sind, so ist die Bestätigung des Zentralkomitees erforderlich. (Einstimmig angenommen.) 5. Der Parteirat bittet die Parteiorganisationen, in denen ein Teil der Organisation sich mit einer Beschwerde oder mit einer Frage an den Parteirat wendet, sofort den vollen Inhalt der Beschwerde oder der Frage dem andern Teil der Organisation mitzuteilen, denn der Parteirat muss, um die Streitfrage entscheiden zu können, von beiden Seiten eine Darstellung der Frage haben. Dieselbe Bitte bezieht sich auch auf den Fall, wenn eine Organisation gegen eine andere Beschwerde führt. (Einstimmig angenommen.) в. Angesichts der Tatsache, dass a) das Zentralkomitee durch einen Beschluss des zweiten Parteitags beauftragt war, die Vorschläge des Genossen Bontsch-Brujewitsch über die Herausgabe einer sozialdemokratischen Zeitung für die Sektierer zu prüfen; dass b) Genosse Bontsch-Brujewitsch durch einen Beschluss der Redaktion des Zentralorgans und des Zentralkomitees beauftragt war, versuchsweise unter der Firma der Partei und unter Kontrolle und Verantwortung ihrer zentralen Körperschaften die Zeitung ,Rasswjet' (,Morgenröte') herauszugeben, ist der Parteirat der Meinung, dass der Versuch, unter der Redaktion des Genossen Bontsch-Brujewitsch ein sozialdemokratisches Organ für Sektierer herauszugeben, als misslungen zu betrachten ist, da die Zeitung ,Rasswjet' weder nach ihren literarischen Qualitäten noch nach der Art ihrer Führung der Partei das zu geben verspricht, was sie von einem solchen Organ verlangen kann. Aus diesem Grunde und angesichts der Tatsache, dass ein viel weniger spezialisierter Bedarf an populärer Literatur unbefriedigt ist als der, dem die Zeitung ,Rasswjet' entgegenkommt, hält der Parteirat die weitere Herausgabe der Zeitung ,Rasswjet' als Parteiorgan für überflüssig, doch wird dem Genossen Bontsch-Brujewitsch gestattet, wenn er es wünschen sollte, die Zeitung ,Rasswjet' in seinem eigenen Namen weiter herauszugeben." (Angenommen mit vier Stimmen.) (Die mit vier Stimmen angenommenen Resolutionen sind gegen die Stimme Lenins angenommen worden.) |
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