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opportunistische deutsche Beiträge auf dem Stuttgarter Sozialistenkongress

In der Kommission des Stuttgarter Kongresses, die über die Frage des Militarismus beriet, hielt der deutsche Sozialdemokrat Vollmar eine Rede, die nichts als ein Verzicht auf die revolutionären proletarischen Prinzipien und eine Verkündung des bürgerlichen Patriotismus war. Es sei nicht wahr, sagte er, dass die Sozialdemokraten kein Vaterland haben; sie haben eins. Keinerlei Liebe zur Menschheit könne die deutschen Sozialdemokraten daran hindern, gute Deutsche zu sein. Die antimilitaristische Propaganda bezeichnete Vollmar in seiner Rede nicht nur als taktisch unklug, sondern auch als prinzipiell schädlich. In der Kommission, die die Frage der Auswanderung behandelte, vertrat der deutsche Delegierte Paeplow einen national-chauvinistischen Standpunkt zur Einwanderung der asiatischen Arbeiter. Er suchte nachzuweisen, dass die Internationale verpflichtet sei, sich für eine gesetzliche Einschränkung der Einwanderung der „gelben Arbeiter“ (Chinesen, Japaner, Malaien u. a.) in die „Kulturstaaten“ (Deutschland, England, Vereinigte Staaten u. a.) auszusprechen. Diese Arbeiter, setzte Paeplow auseinander, arbeiten für niedrigen Lohn und sind in Wirklichkeit Streikbrecher. Darum müsse man sich ihnen gegenüber wie zu Streikbrechern verhalten und sie in „zivilisierte“ Länder nicht hereinlassen. Auf diese Weise beantragte Paeplow die Abgrenzung von den asiatischen Arbeitern durch die Mauer der bürgerlichen Gesetzgebung, die ihnen die Einwanderung in die europäischen Länder verwehren sollte. Ein anderer deutscher Delegierter, David, erklärte in der Kommission für die Kolonialfrage, dass die Kolonialpolitik eben eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Kapitalismus sei und die Sozialdemokratie daher nicht gegen die Kolonialpolitik selbst, sondern nur für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Bevölkerung in den Kolonien, für eine richtige Exploitation der kolonialen Reichtümer durch die Bourgeoisie eintreten solle. Die Sozialdemokraten seien verpflichtet, ihre eigene Kolonialpolitik zu treiben. Man müsse für Arbeiterschutz in den Kolonien kämpfen, aber nicht auf der unfruchtbaren Position der Ablehnung der Kolonialpolitik beharren. Diese empörende Verteidigung der kolonialen Ausbeutung suchte Bernstein „theoretisch“ dahin zu begründen, dass es zwei Kategorien von Völkern gebe, herrschende und beherrschte. Es gebe Völker, die wie Kinder seien und sich nicht selbst entwickeln können. Aus dieser „Theorie“ zog Bernstein den Schluss, dass es auch unter dem Sozialismus eine Kolonialpolitik geben müsse. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 140]

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