Auf der Dezemberkonferenz von 1908 hatten die Menschewiki in der Debatte und bei der Annahme des Leninschen Resolutionsentwurfs über die augenblickliche Lage und die Aufgaben der Partei nicht bis ins Einzelne ihre Ansichten über den Charakter des Absolutismus entwickelt. Der Kampf gegen sie in dieser wichtigsten Frage, welche die politische Stellung der Partei bestimmte, entwickelte sich erst nach der Konferenz, als in der Presse eine Reihe von Artikeln Martows, Larins und anderer über dieses Thema mit den entsprechenden politischen und taktischen Schlussfolgerungen erschienen war. Larin, der damals als konsequenter Liquidator auftrat, behauptete, in Russland sei die bürgerliche Revolution bereits beendet, an der Regierung sei schon die Handels- und Industriebourgeoisie, und die weitere Reinigung der Staatsordnung, die sich herausgebildet habe, von den Resten der Fronherrschaft werde nach und nach auf dem Wege allmählicher Reformen erfolgen. Daraus wurde die unvermeidliche Schlussfolgerung gezogen, dass die Sozialdemokratie davon absehen muss, ihre Sache auf die Revolution zu stellen, und alle ihre Anstrengungen darauf konzentrieren muss, mit Hilfe von Reformen eine Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse zu erreichen. Für die Erreichung dieses Zieles war selbstverständlich die Aufrechterhaltung der illegalen revolutionären Partei nicht notwendig; den Kampf für Reformen kann auch eine legale Arbeiterpartei führen. Etwas andere Ansichten vertrat der weniger konsequente Liquidator Martow, der auch nicht so offenherzig war wie Larin. Er ging mit den konsequenten Liquidatoren in der Beurteilung des Klassencharakters des Absolutismus nach der Revolution 1905-1907 auseinander. Mit ihrer These, dass das Regime vom 3. Juni eine bürgerliche Staatsmacht darstelle, war er nicht einverstanden. Darum leugnete er auch den Übergang der liberalen Bourgeoisie auf die Seite der Konterrevolution, und er leugnete die Tatsache, dass die Bourgeoisie den Absolutismus unterstützte. Nach seiner Meinung stand der Kampf der liberalen Bourgeoisie gegen den gutsbesitzerlichen Absolutismus noch bevor. Das Proletariat und seine Partei sollen in diesem Kampfe die liberale Bourgeoisie vorwärtstreiben und auf die Vertretung ihrer Rechte und Interessen auf dieser Grundlage bedacht sein, ohne dabei die Bourgeoisie durch zu weitgehenden Forderungen zu erschrecken. Diese Theorie führte ebenso wie die Larins zur Ablehnung der demokratischen Revolution und zu ihrer Ersetzung durch den Kampf für liberale Reformen unter der Hegemonie der Bourgeoisie, die schon offen den Weg der Konterrevolution beschritten hatte. Daraus ergab sich auch das Abgleiten Martows zum Liquidatorentum in anderen Fragen, besonders in der Frage der Aufrechterhaltung der illegalen Partei. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 48] |
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