Lenin meint hier die Behauptung Bucharins, dass man in Sowjetrussland nicht von einem Staatskapitalismus sprechen könne. Genosse Bucharin, der in seiner Broschüre „Der neue Kurs in der ökonomischen Politik“ gegen Lenin polemisierte, schrieb dort unter anderem: „Wir persönlich halten diesen Ausdruck (Staatskapitalismus. D. Red.) für falsch … Staatskapitalismus … ist die bis zur äußersten Grenze getriebene Allmacht der Bourgeoisie, bei der sich die Produktion in den Händen des bürgerlichen Staates konzentriert. In diesem Fall ist die Bourgeoisie in Gestalt ihres Staates Eigentümerin und souveräne Disponentin über alle Produktionsmittel. Verpachtet der Arbeiterstaat an den Konzessionär einen Betrieb … so bleibt die Arbeiterklasse in der ganzen Zeit Eigentümer des Betriebes … Unter Staatskapitalismus im wahren Sinn des Wortes fließt der ganze Mehrwert in die Taschen des bürgerlichen Staates, d. h. der Bourgeoisie. Unter unserem ,Staatskapitalismus' (Konzessionen, verpachtete Betriebe usw.) spaltet sich der Mehrwert unverzüglich in zwei Teile: ein Teil fließt als Profit in die Tasche des Kapitalismus, der andere … gelangt in die Hände unseres Staates, geht also in die Hände des Proletariats über.“ Daraus folgerte Bucharin, dass „dies kein Staatskapitalismus“ sei. Im Gegensatz zu Lenin betonte er, dass nicht nur der Ausdruck „Staatskapitalismus“ unglücklich gewählt sei, sondern dass man im Sowjetstaat auch sachlich nicht von Staatskapitalismus sprechen dürfe. In seinem Artikel „Die Wirtschaftsformen in Sowjetrussland“ („Prawda“ vom 8. Februar 1922) stellt Genosse Bucharin in der Sowjetökonomie folgende sozial-ökonomische Formen fest: 1. Betriebe des proletarischen Staates, 2. Betriebe von gemischtem Typus, 3. Konzessionsbetriebe und verpachtete Betriebe, 4. privatkapitalistische Betriebe, die unter der Kontrolle des proletarischen Staates stehen und 5. die kleinbürgerliche Wirtschaft mit ihren Vereinigungen. Ein Betrieb des proletarischen Staates ist nach Bucharins Meinung „noch keine sozialistische Produktionseinheit im eigentlichen Sinn des Wortes“, da er unter Marktverhältnissen arbeiten muss. „Die gemischten Betriebe sind keine staatskapitalistischen Betriebe, sind aber gleichzeitig auch keine rein proletarischen Betriebe.“ Die Konzessionsbetriebe und die verpachteten Betriebe rechnet Genosse Bucharin auch nicht zum Staatskapitalismus. Er stellt also entschieden in Abrede, dass der Staatskapitalismus eine in der Ökonomie Sowjetrusslands vorhandene Wirtschaftsform ist. Lenin dagegen wies bekanntlich darauf hin, dass sich in der Ökonomie der Sowjetrepublik fünf sozialökonomische Formen unterscheiden lassen: Sozialismus, Staatskapitalismus, privatwirtschaftlicher Kapitalismus, kleine Warenwirtschaft und patriarchalische Wirtschaft. Im Gegensatz zu Genossen Bucharin rechnete Lenin die staatliche Industrie zur sozialistischen Wirtschaftsform und bezeichnete die staatlichen Betriebe als Betriebe von „konsequent sozialistischem Typus“. Die Konzessionen, die verpachteten Betriebe und die gemischten Gesellschaften hingegen zählte Lenin zum Staatskapitalismus im proletarischen Staat. Schon im Jahre 1918 deckte er in seinem Artikel „Über ,linke' Kindereien und Kleinbürgerlichkeit“ die ganze Fehlerhaftigkeit des Standpunktes des Genossen Bucharin auf, der nicht imstande war, dialektisch an die Analyse der Eigentümlichkeiten der Sowjetökonomie heranzugehen. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 97] |
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