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Ausnutzung bürgerlicher Fachleute

Die Frage der Ausnutzung der bürgerlichen Fachleute sowohl für den sozialistischen Aufbau als auch für die Organisierung der Landesverteidigung wurde fast unmittelbar nach der Machtergreifung durch das Proletariat aufgerollt. So betonte Lenin im Frühjahr 1918, als er die Grundaufgaben des Wirtschaftsaufbaus vorzeichnete, dass es gilt, das Erbe der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Technik, ihre Kultur und ihre Fachleute, auszunutzen. Dieser Frage sind in den Reden und Artikeln Lenins aus dieser Periode eine Reihe markanter Stellen gewidmet (vgl. die Broschüre „Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht“, sowie den Artikel „Über ,linke' Kinderei und Kleinbürgerlichkeit“). Auch in der Folge, vor und nach dem VIII. Parteitag, vor und während der NÖP, kam Lenin immer wieder auf die Ausnutzung der bürgerlichen Fachleute, auf seinen Gedanken zurück, dass der Sozialismus nicht mit den Händen der Kommunisten allein aufgebaut werden kann. So schrieb er z. B. im März: „Ohne ein Bündnis mit den Nichtkommunisten kann auf den verschiedensten Tätigkeitsgebieten von einem erfolgreichen kommunistischen Aufbau keine Rede sein“ („Über die Bedeutung des streitbaren Materialismus“).

Lenin, der sich die Ausnützung der bürgerlichen Fachleute zur Aufgabe machte, hielt es für nötig, ihnen entsprechende Arbeitsbedingungen zu schaffen, sowohl im Sinne ihrer materiellen Sicherstellung als auch im Sinne einer kameradschaftlichen Atmosphäre. Jenen Fachleuten gegenüber, die ihre Verwendung in Sowjetdiensten für konterrevolutionäre Zwecke missbrauchten, schlug dagegen Lenin eine Linie der strengsten Verfolgung und schonungslosesten Bestrafung vor.

Lenins Standpunkt in der Frage der Ausnutzung der bürgerlichen Fachleute stieß 1918 auf den heftigsten Widerstand der „linken“ Kommunisten. Diese sahen in der Ausnutzung der bürgerlichen Fachleute beim wirtschaftlichen Aufbau einen mangelnden Glauben an die Kräfte des Proletariats, eine „Wiederherstellung der führenden Rolle der Fachleute in der Produktion“ und stellten die Sache so hin, als werde „statt auf die Selbsttätigkeit der Arbeiterklasse … auf die Hilfe erfahrener kapitalistischer Leiter gebaut“. Die Heranziehung bürgerlicher Fachleute zur Arbeit in der Armee wurde vom den „Linken“ so dargestellt, als werde „auf dem Gebiet der Militärpolitik … praktisch das alte Offizierskorps und die Kommandogewalt der Zarengeneräle wiederhergestellt“.

Dass die „Linken“ die Ausnutzung der bürgerlichen Fachleute so auslegten, bedeutete, dass sie eine „Kleinigkeit“ vollkommen außer acht ließen, nämlich die Tatsache, dass die Fachleute unter den Bedingungen der proletarischen Diktatur herangezogen wurden, dass ihre ganze Tätigkeit der Kontrolle der Arbeiter unterstellt war und dass .ihre Arbeitsbedingungen vom proletarischen Staat festgelegt wurden.

Die spezialistenfeindlichen Stimmungen in der Partei waren auch mit dem Zerfall der Fraktion der „linken“ Kommunisten noch nicht überwunden und kamen noch im März 1919 auf dem VIII. Parteitag in den Anschauungen der sogenanntem Militäropposition zum Ausdruck, die in der Frage der Organisierung der Roten Armee und insbesondere in der Frage der Ausnutzung der alten Militärfachleute gegen den Parteistandpunkt ankämpfte. Infolge des […] Kampfes der Partei gegen die Militäropposition lehnte der Parteitag deren Ansichten ab. Im Parteiprogramm, das auf diesem Parteitag angenommen wurde (siehe Artikel 15, Punkt 6 des ökonomischen Teils des Programms) sind in der Frage der Verwendung der Fachleute sowohl in der Roten Armee als auch allgemein beim sozialistischen Aufbau vollkommen präzise und klare Direktiven enthalten.

Zugleich mit der Ausnutzung der alten Fachleute stellten sich Lenin und die Partei sofort nach dem Sieg der proletarischen Revolution in Russland die Aufgabe, neue Kader eigener, proletarischer Fachleute heranzubilden. Die Durchsetzung der Fach- und Hochschulen mit Arbeiterstudenten, die Schaffung eines Netzes vom Arbeiterfakultäten und deren Ausbau dienten im Laufe sämtlicher vergangenen Etappen des sozialistischen Aufbaus der Erfüllung dieser Aufgabe – der ständigen Vergrößerung der Zahl der Sowjetfachleute. […] [Ausgewählte Werke, Band 8, Anm. 129, der unfangreiche Rest der Anmerkung wurde als stalinistische Propaganda wegelassen… obwohl es nicht uninteressant ist, dass im Jahre 1935, am Vorabend des Massenterrors u.a. gegen angebliche Schädlinge, ein Rückgang der Schädlingstätigkeit behauptet wurde. Kein Wunder, dass ab Band 10 die Anmerkungen weggelassen wurden.]

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